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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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tragen niedrige runde breitrandige Hüte und Oberröcke von weißer Leinwand mit
rothem Tuch gefüttert. Zur malerischen Wirkung dieser Tracht trägt die kräftige
Schönheit des Menschenschlages viel bei; die Frauen zeichnen sich ans durch
Frische der Haut und blendend weiße Zähne, Folge des festen Schwarzbrodes,
und die Männer liefern alljährlich ein zahlreiches Contingent zur Garde in Pots¬
dam, die bekanntlich nicht mehr aus Riefen, sondern aus den stattlichsten Leuten
des Königreichs besteht. An einigen Orten der Grafschaft Tecklenburg herrscht
ebenfalls eine eigenthümliche, aber weniger kleidsame Tracht, namentlich hat die¬
selbe in dem Dorfe Ladbergen einen Beischmack vom Lächerlichen.

Der glänzende und reichbegüterte Adel von Westphalen ist größtentheils in
dem katholischen Theile der Provinz ansässig. Die protestantischen Namen sind
selten und vertheilen sich aus die ältern preußischen Besitzungen in Westphalen ; es
gehören dazu die Vinke, Bodelschwingh, Plettenberg, Grüter, von der Horst,
von dem Busch u. s. w. Auch einige der Standeöherrschaften Westphalens haben
protestantische Besitzer: der Fürst Salm-Horstmar, früher Rheingraf, der zur
Entschädigung für seine verlorenen überrheinischen Besitzungen diese Standesherr-
schaft erhalte" und 1817 von Preußen in den Fürstenstand erhoben ist und die
Fürsten von Bentheim- Steinfurt und Bentheim - Nheda. Die katholischen Besitzer
der übrigen Standesherrschasten sind der Herzog von Arcmberg, unstreitig der
reichste unter seinen Standesgenossen, da er außer seiner Besitzung im preußischen
Westphalen, der Beste Necklinghausen in der Grafschaft dieses Namens, in
Hannover und Belgien große Güter und ein kolossales Allodialvermogen hat. Er
gehörte einst zu den souverainen Fürsten des Rheinbundes und war mit einer
Nichte der Kaiserin Josephine vermählt. Der Herzog von Croy (sprich Cro-i)
besitzt die Herrschaft und das Städtchen Datum. Der Fürst Salm-Salm, auch
Salm-Kyrbnrg, besitzt die Städte AHaus, Bochvlt und Anholt. Der Fürst von
Rheina-Wvlbeck ist erst unter dem jetzigen Könige von Preußen in Folge eines
Rechtsstreites in Besitz der Standesherrschaft gelangt und 1840 zum Fürsten er¬
hoben. Zu derselben Zeit wurden die Grafen von Landsberg und von Westphalen
zu Standesherren creirt. Zu künftigen Pairs von Preußen kann Westphalen
dereinst dies Material verwenden lassen, wenn bis zur weitern Ausbildung der
Verfassung im westfälischen Adel das Organ für Politik sich entwickelt hat; bis
jetzt sind dazu uoch wenig Anzeichen vorhanden. Das Privatleben umspinnt in
engen Kreisen die Häupter der Familien; patriarchalisch und sorgenlos, ohne große
Leiden oder Freuden, wird der Faden desselben abgewickelt. In den dreißiger
Jahren traten zwar zwei Freiherren von- Haxthausen als polemische Schriftsteller
auf, indessen bewegten sie sich in zu engen provinziellen Kreisen, um ernstlich be¬
achtet zu werden; sie vertraten hauptsächlich das damals übliche Schmollsyftem
des Adels gegen Preußen und die Einverleibung des Münsterlandes in eine seiner
Provinzen. Seinen Gipfelpunkt erreichte dasselbe zur Zeit der Kölner Wirren;


Grenzboten. U. 1851. 13

tragen niedrige runde breitrandige Hüte und Oberröcke von weißer Leinwand mit
rothem Tuch gefüttert. Zur malerischen Wirkung dieser Tracht trägt die kräftige
Schönheit des Menschenschlages viel bei; die Frauen zeichnen sich ans durch
Frische der Haut und blendend weiße Zähne, Folge des festen Schwarzbrodes,
und die Männer liefern alljährlich ein zahlreiches Contingent zur Garde in Pots¬
dam, die bekanntlich nicht mehr aus Riefen, sondern aus den stattlichsten Leuten
des Königreichs besteht. An einigen Orten der Grafschaft Tecklenburg herrscht
ebenfalls eine eigenthümliche, aber weniger kleidsame Tracht, namentlich hat die¬
selbe in dem Dorfe Ladbergen einen Beischmack vom Lächerlichen.

Der glänzende und reichbegüterte Adel von Westphalen ist größtentheils in
dem katholischen Theile der Provinz ansässig. Die protestantischen Namen sind
selten und vertheilen sich aus die ältern preußischen Besitzungen in Westphalen ; es
gehören dazu die Vinke, Bodelschwingh, Plettenberg, Grüter, von der Horst,
von dem Busch u. s. w. Auch einige der Standeöherrschaften Westphalens haben
protestantische Besitzer: der Fürst Salm-Horstmar, früher Rheingraf, der zur
Entschädigung für seine verlorenen überrheinischen Besitzungen diese Standesherr-
schaft erhalte» und 1817 von Preußen in den Fürstenstand erhoben ist und die
Fürsten von Bentheim- Steinfurt und Bentheim - Nheda. Die katholischen Besitzer
der übrigen Standesherrschasten sind der Herzog von Arcmberg, unstreitig der
reichste unter seinen Standesgenossen, da er außer seiner Besitzung im preußischen
Westphalen, der Beste Necklinghausen in der Grafschaft dieses Namens, in
Hannover und Belgien große Güter und ein kolossales Allodialvermogen hat. Er
gehörte einst zu den souverainen Fürsten des Rheinbundes und war mit einer
Nichte der Kaiserin Josephine vermählt. Der Herzog von Croy (sprich Cro-i)
besitzt die Herrschaft und das Städtchen Datum. Der Fürst Salm-Salm, auch
Salm-Kyrbnrg, besitzt die Städte AHaus, Bochvlt und Anholt. Der Fürst von
Rheina-Wvlbeck ist erst unter dem jetzigen Könige von Preußen in Folge eines
Rechtsstreites in Besitz der Standesherrschaft gelangt und 1840 zum Fürsten er¬
hoben. Zu derselben Zeit wurden die Grafen von Landsberg und von Westphalen
zu Standesherren creirt. Zu künftigen Pairs von Preußen kann Westphalen
dereinst dies Material verwenden lassen, wenn bis zur weitern Ausbildung der
Verfassung im westfälischen Adel das Organ für Politik sich entwickelt hat; bis
jetzt sind dazu uoch wenig Anzeichen vorhanden. Das Privatleben umspinnt in
engen Kreisen die Häupter der Familien; patriarchalisch und sorgenlos, ohne große
Leiden oder Freuden, wird der Faden desselben abgewickelt. In den dreißiger
Jahren traten zwar zwei Freiherren von- Haxthausen als polemische Schriftsteller
auf, indessen bewegten sie sich in zu engen provinziellen Kreisen, um ernstlich be¬
achtet zu werden; sie vertraten hauptsächlich das damals übliche Schmollsyftem
des Adels gegen Preußen und die Einverleibung des Münsterlandes in eine seiner
Provinzen. Seinen Gipfelpunkt erreichte dasselbe zur Zeit der Kölner Wirren;


Grenzboten. U. 1851. 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/109>, abgerufen am 01.09.2024.