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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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von Rechtswegen nach ihm und seinen Instrumenten benennen müßte. Zuerst
nach dem dreißigjährigen Kriege kam die Periode der Gipspfeisen, oder der
geradlinigen, steifen und strengen Haustyraunei. Damals bliesen die Könige und
Soldaten grobgeschnittenen Kanaster gen Himmel, und die Völker stopften den
Herren die Pfeifen, und legten.glühende Kohlen darauf, wofür ihnen gelegentlich
eine alte Gipspfeife an deu Kopf geworfen wurde. Aber die alte tüchtige Voll¬
kraft der Deutschen begann allmählich gegen diese Gipspfeisen zu opponiren, daS
Volk bekam Erkenntniß und fing selbst an zu rauchen. In den kleinen Stuben
des Bürgers und Bauern entstand daher zu Anfang deö vorigen Jahrhunderts der
kräftige, braune Pfeifenkopf von Maserholz, sinnig ans zähen Wurzeln geschnitten,
schön geschwungen, mit einem massiven Beschläge und dem kurzen Rohr mit be¬
scheidener Spitze. Das war.die biedere, dauerhafte Tascheupfeife, welche der Ger¬
mane durch das ganze Leben mit sich herum trug, unter deren häuslichen Rauch er
seine Kinder zur Tugend erzog, aus welcher er seiue Gefühle und Wunsche nachdenk¬
lich in die Luft blies. Unter dem Einfluß dieser Pfeife erwuchs die Generation,
welche deu alten Fritz ans ihrem Schilde erhob. Ohne die sehnsuchtsvolle"
Empfindungen, welche der Maserkvpf uuter deu Norddeutschen hervorrief, und
ohne die demüthige Kraft, welche er den Bürgern und Soldaten gab, hätte die
Welt keinen Friedrich erlebt, und es ist nur zu beklagen, daß er selbst nicht ge¬
raucht hat, er wäre noch größer geworden. In dieser Zeit begann leider auch
die Trennung Oestreichs von dem übrige" Vaterland. Denn die Oestreicher
wurden durch ihre nicht Deutschen Länder zum Gebrauch des luxuriösen, aber in
seinem Grnnde etwas unreinlichen Meerschanmkopfes gebracht, und der siebenjäh¬
rige Krieg ist gewissermaßen der Kampf zwischen Meerschanmpfeifen und Holz-
pseiseu. Was darauf folgte, ist uus Allen bekannt. Es kam Lessing, Goethe und die
große Zeit der Deutschen Poesie, der weiße, feine und ideale Porzellankops entstand;
die Deutsche Kritik entwickelte sich und der Abguß trat selbstständig hervor;
Spitze und Rohr gliederten sich mannichfaltig, und traten aus einander, wie die
philosophischen Schulen und politische" Richtungen: der ganze Mechanismus der
Pfeifen und der Staaten war künstlicher, aber auch unsicherer geworden. Die
Französische Revolution erzeugte in Deutschland die Demokratie unmäßig großer
Pfeifenköpfe und kolossaler Quasten bei der Deutschen Jugend. Napoleon trieb
den Idealismus der Studenten von Halle, Jena, Göttingen bis zu den berühmten
ungeheuren Pfeifenspitzen, deren Schnabel um das Jahr -18-12 so drohend und
knopfreich wurde, daß der.Franzose bei einiger Einsicht in das Wesen der Deut¬
schen hätte merken müssen, daß eine ungeheure Krisis nahe sei. Nach den Fre^
heitskriegen kam die Reaction und Zerfahrenheit. Der Deutsche rauchte, um sich
zu zerstreuen, alles Mögliche aus jeder Art von Instrumenten, die vornehmen Tou¬
risten brachten uus sogar den Orientalischen Tschibuk, welcher aber, trotz seiner
Goldfäden, nicht populär zu werden vermochte.


von Rechtswegen nach ihm und seinen Instrumenten benennen müßte. Zuerst
nach dem dreißigjährigen Kriege kam die Periode der Gipspfeisen, oder der
geradlinigen, steifen und strengen Haustyraunei. Damals bliesen die Könige und
Soldaten grobgeschnittenen Kanaster gen Himmel, und die Völker stopften den
Herren die Pfeifen, und legten.glühende Kohlen darauf, wofür ihnen gelegentlich
eine alte Gipspfeife an deu Kopf geworfen wurde. Aber die alte tüchtige Voll¬
kraft der Deutschen begann allmählich gegen diese Gipspfeisen zu opponiren, daS
Volk bekam Erkenntniß und fing selbst an zu rauchen. In den kleinen Stuben
des Bürgers und Bauern entstand daher zu Anfang deö vorigen Jahrhunderts der
kräftige, braune Pfeifenkopf von Maserholz, sinnig ans zähen Wurzeln geschnitten,
schön geschwungen, mit einem massiven Beschläge und dem kurzen Rohr mit be¬
scheidener Spitze. Das war.die biedere, dauerhafte Tascheupfeife, welche der Ger¬
mane durch das ganze Leben mit sich herum trug, unter deren häuslichen Rauch er
seine Kinder zur Tugend erzog, aus welcher er seiue Gefühle und Wunsche nachdenk¬
lich in die Luft blies. Unter dem Einfluß dieser Pfeife erwuchs die Generation,
welche deu alten Fritz ans ihrem Schilde erhob. Ohne die sehnsuchtsvolle»
Empfindungen, welche der Maserkvpf uuter deu Norddeutschen hervorrief, und
ohne die demüthige Kraft, welche er den Bürgern und Soldaten gab, hätte die
Welt keinen Friedrich erlebt, und es ist nur zu beklagen, daß er selbst nicht ge¬
raucht hat, er wäre noch größer geworden. In dieser Zeit begann leider auch
die Trennung Oestreichs von dem übrige» Vaterland. Denn die Oestreicher
wurden durch ihre nicht Deutschen Länder zum Gebrauch des luxuriösen, aber in
seinem Grnnde etwas unreinlichen Meerschanmkopfes gebracht, und der siebenjäh¬
rige Krieg ist gewissermaßen der Kampf zwischen Meerschanmpfeifen und Holz-
pseiseu. Was darauf folgte, ist uus Allen bekannt. Es kam Lessing, Goethe und die
große Zeit der Deutschen Poesie, der weiße, feine und ideale Porzellankops entstand;
die Deutsche Kritik entwickelte sich und der Abguß trat selbstständig hervor;
Spitze und Rohr gliederten sich mannichfaltig, und traten aus einander, wie die
philosophischen Schulen und politische» Richtungen: der ganze Mechanismus der
Pfeifen und der Staaten war künstlicher, aber auch unsicherer geworden. Die
Französische Revolution erzeugte in Deutschland die Demokratie unmäßig großer
Pfeifenköpfe und kolossaler Quasten bei der Deutschen Jugend. Napoleon trieb
den Idealismus der Studenten von Halle, Jena, Göttingen bis zu den berühmten
ungeheuren Pfeifenspitzen, deren Schnabel um das Jahr -18-12 so drohend und
knopfreich wurde, daß der.Franzose bei einiger Einsicht in das Wesen der Deut¬
schen hätte merken müssen, daß eine ungeheure Krisis nahe sei. Nach den Fre^
heitskriegen kam die Reaction und Zerfahrenheit. Der Deutsche rauchte, um sich
zu zerstreuen, alles Mögliche aus jeder Art von Instrumenten, die vornehmen Tou¬
risten brachten uus sogar den Orientalischen Tschibuk, welcher aber, trotz seiner
Goldfäden, nicht populär zu werden vermochte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/86>, abgerufen am 23.07.2024.