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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Jetzt vernahm man zur Linken eine zweite Stimme, die Mohammed in den gleichen
Worten zurief anzuhalten, aber Borak eilte immer noch vorwärts, und Mohammed hielt
nicht an.

Jetzt erblickte er ein Mädchen von hinreißender Schönheit, mit aller Ueppigkeit
und den Reichthümern der Erde geschmückt. Sie winkte ihm mit anlockenden Lächeln zu.

"Verweile einen Augenblick, Mohammed, daß ich mit Dir sprechen kann, ich, die
ich von allen Wesen Dir am Meisten ergeben bin."

Immer weiter aber eilte Borat, und Mohammed verweilte nicht, denn er gedachte,
daß es nicht ihm zustand, seinem Laufe Einhalt zu thun, sondern Gott, dem Allmäch¬
tigen und Herrlichen.

Er wendete sich jedoch zu Gabriel.

"Was für Stimmen find die, welche ich gehört habe?" fragte er, "und welch ein
Mädchen ist das, welches mir zugerufen hat?"

"Die erste, Muhammed, war die Stimme eines Juden. Hättest Du ihn angehört,
so würde Dein ganzes Volk dem Judenthum gewonnen worden sein."

"Die zweite war die Stimme eines Christen. Hättest Du ihn angehört, so würde
Dein Volk sich dem Christenthum zugeneigt haben."

"Das Mädchen war die Welt mit allen ihren Reichthümern, ihren Eitelkeiten und
Lockungen. Hättest Du sie angehört, so würde Dein Volk die Freuden dieses Lebens
der ewigen Seligkeit vorgezogen haben, und der Verdammnis; geweiht worden sein."

Ihren Flug fortsetzend, gelangten sie zur Pforte des heiligen Tempels zu Jeru¬
salem, wo Mohammed von Al Borak abstieg und ihn an die Ringe band, wo ihn die
frühern Propheten befestigt hatten. Dann trat er in den Tempel, und fand dort
Abraham und Moses und Jsa (Jesus), und viele andere von den Propheten. Nachdem er
eine Zeit lang in Gesellschaft mit ihnen gebetet hatte, wurde aus dem Himmel eine
Leiter von Licht niedergelassen, deren unteres Ende auf dem Schakra, oder Grundsteine
des Heiligthums, dem Steine Jacobs ruhte.

Von dem Engel Gabriel unterstützt, stieg Mohammed diese Leiter mit der Schnellig¬
keit des Blitzes hinaus.

Als sie im ersten Himmel anlangten, klopfte Gabriel an die Pforte. "Wer ist
da?" wurde von innen gefragt.

"Gabriel!" ,

"Wer ist bei Dir?"

"Mohammed!"

"Hat er seine Sendung empfangen?"

"Ja!"

"Dann ist er willkommen!" und die Thür wurde geöffnet.

Dieser erste Himmel war von reinem Silber, und an seinem glänzenden Gcwol
hingen die Sterne an goldenen Ketten. In jedem Sterne ist ein Engel als Wa )
ausgestellt, um zu verhindern, daß die Dämone zu den geheiligten Wohnungen hinauf¬
steigen. Als Mohammed eintrat, näherte sich ihm ein alter Mann, und Gabriel sagte-
"Hier ist Dein Vater Adam; beweise ihm Deine Ehrerbietung."on

Mohammed that es, und Adam umarmte ihn und nannte ihn den Größten v
seinen Söhnen und den Ersten der Propheten. , tea'

In diesem Himmel waren unzählige Thiere jeder Art, die, wie Gabriel sg


Jetzt vernahm man zur Linken eine zweite Stimme, die Mohammed in den gleichen
Worten zurief anzuhalten, aber Borak eilte immer noch vorwärts, und Mohammed hielt
nicht an.

Jetzt erblickte er ein Mädchen von hinreißender Schönheit, mit aller Ueppigkeit
und den Reichthümern der Erde geschmückt. Sie winkte ihm mit anlockenden Lächeln zu.

„Verweile einen Augenblick, Mohammed, daß ich mit Dir sprechen kann, ich, die
ich von allen Wesen Dir am Meisten ergeben bin."

Immer weiter aber eilte Borat, und Mohammed verweilte nicht, denn er gedachte,
daß es nicht ihm zustand, seinem Laufe Einhalt zu thun, sondern Gott, dem Allmäch¬
tigen und Herrlichen.

Er wendete sich jedoch zu Gabriel.

„Was für Stimmen find die, welche ich gehört habe?" fragte er, „und welch ein
Mädchen ist das, welches mir zugerufen hat?"

„Die erste, Muhammed, war die Stimme eines Juden. Hättest Du ihn angehört,
so würde Dein ganzes Volk dem Judenthum gewonnen worden sein."

„Die zweite war die Stimme eines Christen. Hättest Du ihn angehört, so würde
Dein Volk sich dem Christenthum zugeneigt haben."

„Das Mädchen war die Welt mit allen ihren Reichthümern, ihren Eitelkeiten und
Lockungen. Hättest Du sie angehört, so würde Dein Volk die Freuden dieses Lebens
der ewigen Seligkeit vorgezogen haben, und der Verdammnis; geweiht worden sein."

Ihren Flug fortsetzend, gelangten sie zur Pforte des heiligen Tempels zu Jeru¬
salem, wo Mohammed von Al Borak abstieg und ihn an die Ringe band, wo ihn die
frühern Propheten befestigt hatten. Dann trat er in den Tempel, und fand dort
Abraham und Moses und Jsa (Jesus), und viele andere von den Propheten. Nachdem er
eine Zeit lang in Gesellschaft mit ihnen gebetet hatte, wurde aus dem Himmel eine
Leiter von Licht niedergelassen, deren unteres Ende auf dem Schakra, oder Grundsteine
des Heiligthums, dem Steine Jacobs ruhte.

Von dem Engel Gabriel unterstützt, stieg Mohammed diese Leiter mit der Schnellig¬
keit des Blitzes hinaus.

Als sie im ersten Himmel anlangten, klopfte Gabriel an die Pforte. „Wer ist
da?" wurde von innen gefragt.

„Gabriel!" ,

„Wer ist bei Dir?"

„Mohammed!"

„Hat er seine Sendung empfangen?"

„Ja!"

„Dann ist er willkommen!" und die Thür wurde geöffnet.

Dieser erste Himmel war von reinem Silber, und an seinem glänzenden Gcwol
hingen die Sterne an goldenen Ketten. In jedem Sterne ist ein Engel als Wa )
ausgestellt, um zu verhindern, daß die Dämone zu den geheiligten Wohnungen hinauf¬
steigen. Als Mohammed eintrat, näherte sich ihm ein alter Mann, und Gabriel sagte-
„Hier ist Dein Vater Adam; beweise ihm Deine Ehrerbietung."on

Mohammed that es, und Adam umarmte ihn und nannte ihn den Größten v
seinen Söhnen und den Ersten der Propheten. , tea'

In diesem Himmel waren unzählige Thiere jeder Art, die, wie Gabriel sg


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[0080] Jetzt vernahm man zur Linken eine zweite Stimme, die Mohammed in den gleichen Worten zurief anzuhalten, aber Borak eilte immer noch vorwärts, und Mohammed hielt nicht an. Jetzt erblickte er ein Mädchen von hinreißender Schönheit, mit aller Ueppigkeit und den Reichthümern der Erde geschmückt. Sie winkte ihm mit anlockenden Lächeln zu. „Verweile einen Augenblick, Mohammed, daß ich mit Dir sprechen kann, ich, die ich von allen Wesen Dir am Meisten ergeben bin." Immer weiter aber eilte Borat, und Mohammed verweilte nicht, denn er gedachte, daß es nicht ihm zustand, seinem Laufe Einhalt zu thun, sondern Gott, dem Allmäch¬ tigen und Herrlichen. Er wendete sich jedoch zu Gabriel. „Was für Stimmen find die, welche ich gehört habe?" fragte er, „und welch ein Mädchen ist das, welches mir zugerufen hat?" „Die erste, Muhammed, war die Stimme eines Juden. Hättest Du ihn angehört, so würde Dein ganzes Volk dem Judenthum gewonnen worden sein." „Die zweite war die Stimme eines Christen. Hättest Du ihn angehört, so würde Dein Volk sich dem Christenthum zugeneigt haben." „Das Mädchen war die Welt mit allen ihren Reichthümern, ihren Eitelkeiten und Lockungen. Hättest Du sie angehört, so würde Dein Volk die Freuden dieses Lebens der ewigen Seligkeit vorgezogen haben, und der Verdammnis; geweiht worden sein." Ihren Flug fortsetzend, gelangten sie zur Pforte des heiligen Tempels zu Jeru¬ salem, wo Mohammed von Al Borak abstieg und ihn an die Ringe band, wo ihn die frühern Propheten befestigt hatten. Dann trat er in den Tempel, und fand dort Abraham und Moses und Jsa (Jesus), und viele andere von den Propheten. Nachdem er eine Zeit lang in Gesellschaft mit ihnen gebetet hatte, wurde aus dem Himmel eine Leiter von Licht niedergelassen, deren unteres Ende auf dem Schakra, oder Grundsteine des Heiligthums, dem Steine Jacobs ruhte. Von dem Engel Gabriel unterstützt, stieg Mohammed diese Leiter mit der Schnellig¬ keit des Blitzes hinaus. Als sie im ersten Himmel anlangten, klopfte Gabriel an die Pforte. „Wer ist da?" wurde von innen gefragt. „Gabriel!" , „Wer ist bei Dir?" „Mohammed!" „Hat er seine Sendung empfangen?" „Ja!" „Dann ist er willkommen!" und die Thür wurde geöffnet. Dieser erste Himmel war von reinem Silber, und an seinem glänzenden Gcwol hingen die Sterne an goldenen Ketten. In jedem Sterne ist ein Engel als Wa ) ausgestellt, um zu verhindern, daß die Dämone zu den geheiligten Wohnungen hinauf¬ steigen. Als Mohammed eintrat, näherte sich ihm ein alter Mann, und Gabriel sagte- „Hier ist Dein Vater Adam; beweise ihm Deine Ehrerbietung."on Mohammed that es, und Adam umarmte ihn und nannte ihn den Größten v seinen Söhnen und den Ersten der Propheten. , tea' In diesem Himmel waren unzählige Thiere jeder Art, die, wie Gabriel sg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/80>, abgerufen am 23.07.2024.