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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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nie ganz müßig, aber auch nie von ausdauernd anstrengender Arbeitsamkeit,
unbekümmert um das Morgen, so lange noch ein Kreuzer in der Tasche ist, mehr
höflich und versprechend als zuverlässig, sinnlich und bigott -- liebt es, so viel
als möglich im Freien, ohne Sorgen seine Tage hinzubringen. Auf den Markt¬
plätzen, wo Dieser seine Wassermelonen, Jener seine Schuhe oder Bänder, Der
seine Früchte, Diese ihre Blumen, ein Anderer seine Heiligenbilder mit unermüd¬
licher Zungenfertigkeit und unendlichem Wortschwall anpreist; in den Osterien,
wo die Arbeiter bei ihrer Polenta und dem schwarzen Rebensaft sich erholen,
unter einem fürchterlichen Geschrei die bekannte Mora spielen -- im Hafen, auf
den Molos, wo fünf, sechs Bootsführer Dir ihr Commando barolivtto "issnun:
cutgegeurnfen, und malerische Gestalten ausgestreckt in der Sonne liegen -- da
findest du auch in Trieft schon wahres Italisches Leben.

Allein dasselbe ist keineswegs daraus beschränkt, denn unter den höheren Ständen,
unter den Kaufleuten zumal, sind eine große Anzahl rein Italienischer Familien, theils
erst in jüngerer Zeit aus dem eigentlichen Vaterlande übersiedelt, theils lange schon an¬
sässig, aber darum dem Deutschen Wesen nicht minder fremd, ja seit den letzten Jahren
fast feindlich gegeuübertrctend. In diesen Kreisen am Meisten zeigen sich die reinen
Züge Welschlandö, die scharfgcschnittenen Gesichter mit gelblich bleicher gespannter Ge¬
sichtsfarbe, mit dem schwarzen Haar und dem feurigen dunklen Auge, das eben so viel
geistige Gewandtheit als Sinnlichkeit verräth, mit der gebogenen Nase und dem
spöttischen Zuge eitler Selbstgefälligkeit um den enggeschlossenen Mund. Sie
leben im Ganzen eingezogen und von den Deutschen abgeschlossen, in ihrem Fa¬
milienkreis wenigstens dem Fremden kaum zugänglich. In jeder Hinsicht trachte"
sie ihre Nationalität zur Schau zu tragen und zur Geltung zu bringen; zu seiner Zeit,
und so weit das in Trieft möglich, haben sie eine politische Partei gebildet; noch
immer murren sie über die Vorzüge, die der Staat dem Deutschen Wesen gebe;
ihre Zeitungen möchten gern eine Art Opposition bilden; ihre Anhänglichkeit an
südliche Sitten und Gebräuche grenzt zuweilen an's Lächerliche; sie sitzen lieber un
Mantel und frieren, als daß sie Oefen in ihre Zimmer brächten, um dem h!"
und wieder recht Deutschen Winter besser zu trotzen.

Nach dem Gesagten kann es nicht auffallen, daß das Italienische die Sprache
des allgemeinen Verkehrs, des öffentlichen Lebens, des Handels und Wandels ist.
Oper und Schauspiele gehören ihm an; nur in dem kleinsten der vier Häuser pflegt
während des Sommers eine Deutsche Truppe des untersten Ranges Vorstellungen
zu gebe"; die Presse zeigt neben einem <)i>t>vrvalx>rv '1'rio"i.i,to, einer Külü-ü"
!i!^/ii>n^l<!, einem !>i!lvvli:U.n, einem <)wiübu8 und anderen Italienischen Blättern
nur die einzige "Deutsche Triester Zeitung" und erst seit wenigen Monaten; w
den katholischen Kirchen wird nur ausnahmsweise während der Fastenzeit auch
Deutsch gepredigt, in der reformirten abwechsend in beiden Sprachen; die Luthe-
ristbe allein kennt nur die Sprache Luther'S; von den Verhandlungen der Gerichte,


nie ganz müßig, aber auch nie von ausdauernd anstrengender Arbeitsamkeit,
unbekümmert um das Morgen, so lange noch ein Kreuzer in der Tasche ist, mehr
höflich und versprechend als zuverlässig, sinnlich und bigott — liebt es, so viel
als möglich im Freien, ohne Sorgen seine Tage hinzubringen. Auf den Markt¬
plätzen, wo Dieser seine Wassermelonen, Jener seine Schuhe oder Bänder, Der
seine Früchte, Diese ihre Blumen, ein Anderer seine Heiligenbilder mit unermüd¬
licher Zungenfertigkeit und unendlichem Wortschwall anpreist; in den Osterien,
wo die Arbeiter bei ihrer Polenta und dem schwarzen Rebensaft sich erholen,
unter einem fürchterlichen Geschrei die bekannte Mora spielen — im Hafen, auf
den Molos, wo fünf, sechs Bootsführer Dir ihr Commando barolivtto «issnun:
cutgegeurnfen, und malerische Gestalten ausgestreckt in der Sonne liegen — da
findest du auch in Trieft schon wahres Italisches Leben.

Allein dasselbe ist keineswegs daraus beschränkt, denn unter den höheren Ständen,
unter den Kaufleuten zumal, sind eine große Anzahl rein Italienischer Familien, theils
erst in jüngerer Zeit aus dem eigentlichen Vaterlande übersiedelt, theils lange schon an¬
sässig, aber darum dem Deutschen Wesen nicht minder fremd, ja seit den letzten Jahren
fast feindlich gegeuübertrctend. In diesen Kreisen am Meisten zeigen sich die reinen
Züge Welschlandö, die scharfgcschnittenen Gesichter mit gelblich bleicher gespannter Ge¬
sichtsfarbe, mit dem schwarzen Haar und dem feurigen dunklen Auge, das eben so viel
geistige Gewandtheit als Sinnlichkeit verräth, mit der gebogenen Nase und dem
spöttischen Zuge eitler Selbstgefälligkeit um den enggeschlossenen Mund. Sie
leben im Ganzen eingezogen und von den Deutschen abgeschlossen, in ihrem Fa¬
milienkreis wenigstens dem Fremden kaum zugänglich. In jeder Hinsicht trachte»
sie ihre Nationalität zur Schau zu tragen und zur Geltung zu bringen; zu seiner Zeit,
und so weit das in Trieft möglich, haben sie eine politische Partei gebildet; noch
immer murren sie über die Vorzüge, die der Staat dem Deutschen Wesen gebe;
ihre Zeitungen möchten gern eine Art Opposition bilden; ihre Anhänglichkeit an
südliche Sitten und Gebräuche grenzt zuweilen an's Lächerliche; sie sitzen lieber un
Mantel und frieren, als daß sie Oefen in ihre Zimmer brächten, um dem h!»
und wieder recht Deutschen Winter besser zu trotzen.

Nach dem Gesagten kann es nicht auffallen, daß das Italienische die Sprache
des allgemeinen Verkehrs, des öffentlichen Lebens, des Handels und Wandels ist.
Oper und Schauspiele gehören ihm an; nur in dem kleinsten der vier Häuser pflegt
während des Sommers eine Deutsche Truppe des untersten Ranges Vorstellungen
zu gebe»; die Presse zeigt neben einem <)i>t>vrvalx>rv '1'rio«i.i,to, einer Külü-ü«
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nur die einzige „Deutsche Triester Zeitung" und erst seit wenigen Monaten; w
den katholischen Kirchen wird nur ausnahmsweise während der Fastenzeit auch
Deutsch gepredigt, in der reformirten abwechsend in beiden Sprachen; die Luthe-
ristbe allein kennt nur die Sprache Luther'S; von den Verhandlungen der Gerichte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/70>, abgerufen am 23.07.2024.