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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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ten durchkreuzen sich nun bei seinem parlamentarischen Auftreten oft so wunderlich,
daß sie dem unbeteiligten Zuhörer sogar mitunter einen komischen Eindruck
machen; ein Eindruck, welcher sich noch dadurch erhöht, daß die ursprünglichen
Gesichtszüge gar nicht dazu passen. Ans einem wohlgestalteten Körper sitzt näm¬
lich ein vollkommner kindlicher Kopf. Die rundgewölbte Stirn,' die klaren
Auge", die srischrotheu Wangen, die kleine Nase, der zierlich geschnittene Mund,
der sauber glatte Haarkranz, der vollkommen mangelnde Bart, die überall runden
Formen erinnern fortwährend an ein Kindergesicht. Aber dies Gesicht ist in die
Vierziger gekommen, und anstatt eines zu erwartende", wohlwollenden Lächelns
sind alle einzelne Züge eifrigst bemüht, tiefsten Ernst, kalte Strenge, finsteres
Würdebewnßtsein auszudrücken. Das haben sie denn wirklich auch vortrefflich ge¬
lernt, und wer Hrn. v. Kleinschrod in den drei Jahren seiner Amtsführung zu
beobachten Gelegenheit hatte, wird nicht verkennen, daß die angeeigneten Eigen¬
schaften allmählich einen immer entschiedenem Sieg über die ursprüngliche Gesichts-
bildung erlangten. Man steht es ihm an, daß er ein wichtiges Amt führt, man
steht es ihm an, daß er dessen Geschäfte nicht blos verwaltet, sondern mit ihnen
bis in das Innerste seines Wesens verwachsen ist. Das thut wohl, selbst wenn
man keineswegs seinen Ansichten huldigt, selbst wen" man urtheilt: die Menschen
seien ihm nur Gcsetzeövbjecte, Strafsnbjecte, und außer Dem sehr wenig. Seine
ganze Anschauung vom Justizwesen hat vielleicht eben darum einen polizeilichen
Beischmack. Man möchte glauben, sie sage nicht nur: das Gesetz muß gehand¬
habt werden, sondern: die Strafe ist der Grundpfeiler des Staates. Das mag
vielleicht daher kommen, weil er selber ein kreuzbraver, durch und durch rechtschaffe¬
ner Manu ist; und wenn er auch the Gesetze sehr streng formulirt, der entschei¬
denden Macht einen sehr weiten Spielraum giebt, so hat dies aus der andern
Seite praktisch deu großen Vortheil gehabt, daß das Justizdepartement die unge¬
heuren organisatorischen Aufgaben, welche es übernahm, im verheißenen Sinne
am Weitesten ausführte. Dies mag Hrn. v. Kleinschrod'ö Persönlichkeit um so
hoher angerechnet werden, als, wenigstens nach dem äußern Anscheine, von ihm da¬
durch eben nur eine übernommene Pflicht ohne selbsteigenen Drang erfüllt wird.
Er hat nicht mehr in dem Programm des 17. Mai 1849 versprochen, als er
Zu leisten bemüht ist; er hat auch nicht am Sinn und Geiste der Verheißungen
gebeutelt. Hätte die Gegenwart mehr derartige Männer, so wären die Dinge,
wenn auch mit harten Kämpfen, zu gutem Ende zu führen. Daß Hr. v. Klein-
schrod gerade Das sagt, was er meint, erhält ihm die volle Achtung, so scharf
Mail auch seinen Principiell opponire. Wie schwer mag's ihm geworden sein,
gerade im Beginnen seiner Amtsführung, solidarisch auch die äußere und höhere Po¬
litik des Ministeriums, oder vielmehr ihre Wege verfechten zu müssen! Und dennoch ward
gerade er damals am Häufigsten aus diese Bresche gestellt, wo er kein Glück hatte.


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ten durchkreuzen sich nun bei seinem parlamentarischen Auftreten oft so wunderlich,
daß sie dem unbeteiligten Zuhörer sogar mitunter einen komischen Eindruck
machen; ein Eindruck, welcher sich noch dadurch erhöht, daß die ursprünglichen
Gesichtszüge gar nicht dazu passen. Ans einem wohlgestalteten Körper sitzt näm¬
lich ein vollkommner kindlicher Kopf. Die rundgewölbte Stirn,' die klaren
Auge», die srischrotheu Wangen, die kleine Nase, der zierlich geschnittene Mund,
der sauber glatte Haarkranz, der vollkommen mangelnde Bart, die überall runden
Formen erinnern fortwährend an ein Kindergesicht. Aber dies Gesicht ist in die
Vierziger gekommen, und anstatt eines zu erwartende», wohlwollenden Lächelns
sind alle einzelne Züge eifrigst bemüht, tiefsten Ernst, kalte Strenge, finsteres
Würdebewnßtsein auszudrücken. Das haben sie denn wirklich auch vortrefflich ge¬
lernt, und wer Hrn. v. Kleinschrod in den drei Jahren seiner Amtsführung zu
beobachten Gelegenheit hatte, wird nicht verkennen, daß die angeeigneten Eigen¬
schaften allmählich einen immer entschiedenem Sieg über die ursprüngliche Gesichts-
bildung erlangten. Man steht es ihm an, daß er ein wichtiges Amt führt, man
steht es ihm an, daß er dessen Geschäfte nicht blos verwaltet, sondern mit ihnen
bis in das Innerste seines Wesens verwachsen ist. Das thut wohl, selbst wenn
man keineswegs seinen Ansichten huldigt, selbst wen» man urtheilt: die Menschen
seien ihm nur Gcsetzeövbjecte, Strafsnbjecte, und außer Dem sehr wenig. Seine
ganze Anschauung vom Justizwesen hat vielleicht eben darum einen polizeilichen
Beischmack. Man möchte glauben, sie sage nicht nur: das Gesetz muß gehand¬
habt werden, sondern: die Strafe ist der Grundpfeiler des Staates. Das mag
vielleicht daher kommen, weil er selber ein kreuzbraver, durch und durch rechtschaffe¬
ner Manu ist; und wenn er auch the Gesetze sehr streng formulirt, der entschei¬
denden Macht einen sehr weiten Spielraum giebt, so hat dies aus der andern
Seite praktisch deu großen Vortheil gehabt, daß das Justizdepartement die unge¬
heuren organisatorischen Aufgaben, welche es übernahm, im verheißenen Sinne
am Weitesten ausführte. Dies mag Hrn. v. Kleinschrod'ö Persönlichkeit um so
hoher angerechnet werden, als, wenigstens nach dem äußern Anscheine, von ihm da¬
durch eben nur eine übernommene Pflicht ohne selbsteigenen Drang erfüllt wird.
Er hat nicht mehr in dem Programm des 17. Mai 1849 versprochen, als er
Zu leisten bemüht ist; er hat auch nicht am Sinn und Geiste der Verheißungen
gebeutelt. Hätte die Gegenwart mehr derartige Männer, so wären die Dinge,
wenn auch mit harten Kämpfen, zu gutem Ende zu führen. Daß Hr. v. Klein-
schrod gerade Das sagt, was er meint, erhält ihm die volle Achtung, so scharf
Mail auch seinen Principiell opponire. Wie schwer mag's ihm geworden sein,
gerade im Beginnen seiner Amtsführung, solidarisch auch die äußere und höhere Po¬
litik des Ministeriums, oder vielmehr ihre Wege verfechten zu müssen! Und dennoch ward
gerade er damals am Häufigsten aus diese Bresche gestellt, wo er kein Glück hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/63>, abgerufen am 24.07.2024.