Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.Hölle ist glühender und energischer gemalt, als in Goethe'S Gedicht. Dabei Ich übergehe die lediglich reflectirenden Gedichte, die Klage Lasso's, die Wenn ich zum Schluß mich über die Stellung aussprechen soll, die Byron Aus dem Münchener Ständehaus" 4- Das M i n i se e r i u in. "Nur aufrichtiges, rückhaltloses Eingehen ans den neu erwachten Zeitgeist, Hölle ist glühender und energischer gemalt, als in Goethe'S Gedicht. Dabei Ich übergehe die lediglich reflectirenden Gedichte, die Klage Lasso's, die Wenn ich zum Schluß mich über die Stellung aussprechen soll, die Byron Aus dem Münchener Ständehaus« 4- Das M i n i se e r i u in. „Nur aufrichtiges, rückhaltloses Eingehen ans den neu erwachten Zeitgeist, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280675"/> <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> Hölle ist glühender und energischer gemalt, als in Goethe'S Gedicht. Dabei<lb/> geht seine Phantasie nie so ins Wüste, als z. B. in Shelley's „entfesselten Pro¬<lb/> metheus", auf den wir noch später zurückkommen, und der geradezu aus Gott<lb/> einen Teufel macht.</p><lb/> <p xml:id="ID_143"> Ich übergehe die lediglich reflectirenden Gedichte, die Klage Lasso's, die<lb/> Prophezeihung Dante's, die Ode an Venedig u, s. w. Byrons wirkliches Talent<lb/> liegt nur in der Schilderung und Empfindung, nicht in der Reflexion. In dem<lb/> reflectirenden Gedicht haben wir in Schiller ein Muster, mit dem sich kein Dichter<lb/> irgend einer Nation messen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_144"> Wenn ich zum Schluß mich über die Stellung aussprechen soll, die Byron<lb/> in der Weltliteratur einnimmt, so darf ich freilich das Krankhafte und Unvoll¬<lb/> kommene seiner Richtung nicht verkeimen; ich darf nicht verkennen, daß ein großer<lb/> Theil des Ruhmes, der ihm zu Theil geworden ist, seinen Schwächen angehört,<lb/> welche zugleich die Schwächen seines Zeitalters waren; aber er hat nicht nur diesem<lb/> Geist des Zeitalters, diesem irren, ängstlichen Suchen in dem glaubenlosen Laby¬<lb/> rinth des Gedankens, das wir verdammen können, das wir aber in seiner Existenz<lb/> und folglich in seiner Berechtigung zur Darstellung anerkennen müssen/ einen<lb/> Ausdruck gegeben, wie er seines Gleichen in der neuern Poesie nicht wiederfindet,<lb/> sondern er hat auch mehr gethan: er hat durch die Kühnheit und Energie seines<lb/> Geistes die zerstreuten Verirrungen seines Zeitalters gewaltsam zusammengefaßt/<lb/> und sie dadurch ihrer Heilung zugeführt. Die Masse der Epigonen, die ihre<lb/> kärgliche Lampe an seinem Feuer entzündet haben, wird bald vergessen sein, der<lb/> neue Heros der Poesie dagegen, der ihn in der Entwickelung der Weltliteratur<lb/> zu ersetzen bestimmt ist, kann nicht mehr in seine Irrthümer verfallen, denn sie<lb/><note type="byline"> I. S></note> sind in ihm in einem classischen Bilde zum Abschluß gekommen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus dem Münchener Ständehaus«<lb/> 4-<lb/> Das M i n i se e r i u in. </head><lb/> <p xml:id="ID_145" next="#ID_146"> „Nur aufrichtiges, rückhaltloses Eingehen ans den neu erwachten Zeitgeist,<lb/> welcher alle Schichten der bürgerlichen Gesellschaft durchdringt, nur bereitwillig<lb/> Unterordnung »meer die Beschlüsse der constituirenden Nationalversammlung<lb/> der Centralgewalt vermag die Mittel zu gewähren, dauernde Ruhe und na<lb/> baldigen Wohlstand dem Deutschen Volke zu sichern; die Kammer der Abgeor '<lb/> unter erkennt daher auch insbesondere die Gesetzeskraft der Deutschen Grnndrcch e,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Hölle ist glühender und energischer gemalt, als in Goethe'S Gedicht. Dabei
geht seine Phantasie nie so ins Wüste, als z. B. in Shelley's „entfesselten Pro¬
metheus", auf den wir noch später zurückkommen, und der geradezu aus Gott
einen Teufel macht.
Ich übergehe die lediglich reflectirenden Gedichte, die Klage Lasso's, die
Prophezeihung Dante's, die Ode an Venedig u, s. w. Byrons wirkliches Talent
liegt nur in der Schilderung und Empfindung, nicht in der Reflexion. In dem
reflectirenden Gedicht haben wir in Schiller ein Muster, mit dem sich kein Dichter
irgend einer Nation messen kann.
Wenn ich zum Schluß mich über die Stellung aussprechen soll, die Byron
in der Weltliteratur einnimmt, so darf ich freilich das Krankhafte und Unvoll¬
kommene seiner Richtung nicht verkeimen; ich darf nicht verkennen, daß ein großer
Theil des Ruhmes, der ihm zu Theil geworden ist, seinen Schwächen angehört,
welche zugleich die Schwächen seines Zeitalters waren; aber er hat nicht nur diesem
Geist des Zeitalters, diesem irren, ängstlichen Suchen in dem glaubenlosen Laby¬
rinth des Gedankens, das wir verdammen können, das wir aber in seiner Existenz
und folglich in seiner Berechtigung zur Darstellung anerkennen müssen/ einen
Ausdruck gegeben, wie er seines Gleichen in der neuern Poesie nicht wiederfindet,
sondern er hat auch mehr gethan: er hat durch die Kühnheit und Energie seines
Geistes die zerstreuten Verirrungen seines Zeitalters gewaltsam zusammengefaßt/
und sie dadurch ihrer Heilung zugeführt. Die Masse der Epigonen, die ihre
kärgliche Lampe an seinem Feuer entzündet haben, wird bald vergessen sein, der
neue Heros der Poesie dagegen, der ihn in der Entwickelung der Weltliteratur
zu ersetzen bestimmt ist, kann nicht mehr in seine Irrthümer verfallen, denn sie
I. S> sind in ihm in einem classischen Bilde zum Abschluß gekommen.
Aus dem Münchener Ständehaus«
4-
Das M i n i se e r i u in.
„Nur aufrichtiges, rückhaltloses Eingehen ans den neu erwachten Zeitgeist,
welcher alle Schichten der bürgerlichen Gesellschaft durchdringt, nur bereitwillig
Unterordnung »meer die Beschlüsse der constituirenden Nationalversammlung
der Centralgewalt vermag die Mittel zu gewähren, dauernde Ruhe und na
baldigen Wohlstand dem Deutschen Volke zu sichern; die Kammer der Abgeor '
unter erkennt daher auch insbesondere die Gesetzeskraft der Deutschen Grnndrcch e,
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