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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Heimreise wurde sie übrigens von der bayerischen Polizei in Salzburg aufgegriffen
und nach München geschickt, wo sie dreizehn Wochen im Taschcnthurm sitzen
mußte, ohne zu wissen warum.

Ihr Sohn Ändert war zur selben Zeit, fast als königlicher Günstling, noch
in derselben Stadt, und, wie oben bemerkt, in, einer Erziehungsanstalt.

Speckbacher konnte aber das Gut in dem Dorf bei Wien uicht halten, und
war bald gezwungen, es mit vielem Schaden zu verkaufen. Er gerieth dadurch
in so .mißliche Umstände, daß er seine goldene Medaille versetzen mußte, ja zuletzt
verrichtete er in Wien die gemeinsten Tagclvhncrarbeiteu, um sich seines Lebens
Nothdurft zu erhalten. Er soll dabei wahrend des Holzhackens oft über die
Dankbarkeit nachgedacht haben, welche die Herren dieser Erde Denen zollen, die
sich für sie geopfert -- ein Thema, welchem zu Liebe bekanntlich Berthold Auer-
bach seinen Andreas Hofer geschrieben hat.

Indessen kam auch wieder die Zeit, wo man den Helden benutzen konnte.
Man hatte 1813 in Wien zum zweite" Male den Plan gefaßt, die Tyroler aus¬
zurufen, und eine strategische Diversion zu versuchen. So steckten sie den Mann
von Nimm in eine Jageruniform, gaben ihm den Majvrstitel, und sandten ihn in
seine Heimath, wo er wegelagcrud, abenteuernd sich bald da bald dort erblicken
ließ. Diese alberne Hetzerei vom Jahre 1813 steht aber in Tyrol in so üblem
Gerüche, daß die Betheiligung daran selbst auf Speckbacher's Namen einen Flecken
warf. Die Tyroler hatten alle Lust zu einem Volkskriege verloren, und belegten
ihren Helden, wenn er sich am unrechten Orte zeigte, mit Spott und derben
Schimpfnamen. Ms er nichts ausrichtete, wurde er auch von Wien aus des-
-avouirt; die bayerischen Behörden setzten einen Preis von tausend Gulden aus
seinen Kopf. --

Am 8. October schloß Bayern zu Nind das Bündniß mit Oestreich, und
somit wäre denn einstweilen alle Ursache zu neuen tyrolischen Händeln gehoben
gewesen; allein wie die biedern Landleute immer zu spät erfuhren, was mit ihnen
vorgegangen, so kam es auch dieses Mal, daß noch am neblichten Morgen des
10. Decembers eine aufständische Rotte unter kaiserlicher Fahne die schwache
Garnison von Innsbruck, die wegen des abgeschlossenen Bundes an keinen Unfrieden
mehr dachte, überfiel und zum Weichen nöthigte.

Im Pariser Vertrag vom 30. Mai 181i fixl Tyrol und Vorarlberg wieder
an Oestreich zurück, und so hatte Speckbacher denn auch deu Tag erlebt, wo er
sein Vaterland, sein Hans in Ehren wiedersehen, seine Fran und seine Kinder
wieder am eigenen Herde umarmen konnte. So bezog er denn wieder seinen
Hof zu Rinn und lebte etliche Jahre als schlichter Bauer. Der Kaiser verlieh
ihm zum zweiten Male eine goldene Medaille, die ihm in der altehrwürdigen
Pfarrkirche zu Schwaz um deu Hals gehängt wurde. Zu gleicher Zeit wurde
ihm eine jährliche Gnadengabe von 1000 Gulden ausgesetzt. Um diese Zeit er-


Heimreise wurde sie übrigens von der bayerischen Polizei in Salzburg aufgegriffen
und nach München geschickt, wo sie dreizehn Wochen im Taschcnthurm sitzen
mußte, ohne zu wissen warum.

Ihr Sohn Ändert war zur selben Zeit, fast als königlicher Günstling, noch
in derselben Stadt, und, wie oben bemerkt, in, einer Erziehungsanstalt.

Speckbacher konnte aber das Gut in dem Dorf bei Wien uicht halten, und
war bald gezwungen, es mit vielem Schaden zu verkaufen. Er gerieth dadurch
in so .mißliche Umstände, daß er seine goldene Medaille versetzen mußte, ja zuletzt
verrichtete er in Wien die gemeinsten Tagclvhncrarbeiteu, um sich seines Lebens
Nothdurft zu erhalten. Er soll dabei wahrend des Holzhackens oft über die
Dankbarkeit nachgedacht haben, welche die Herren dieser Erde Denen zollen, die
sich für sie geopfert — ein Thema, welchem zu Liebe bekanntlich Berthold Auer-
bach seinen Andreas Hofer geschrieben hat.

Indessen kam auch wieder die Zeit, wo man den Helden benutzen konnte.
Man hatte 1813 in Wien zum zweite» Male den Plan gefaßt, die Tyroler aus¬
zurufen, und eine strategische Diversion zu versuchen. So steckten sie den Mann
von Nimm in eine Jageruniform, gaben ihm den Majvrstitel, und sandten ihn in
seine Heimath, wo er wegelagcrud, abenteuernd sich bald da bald dort erblicken
ließ. Diese alberne Hetzerei vom Jahre 1813 steht aber in Tyrol in so üblem
Gerüche, daß die Betheiligung daran selbst auf Speckbacher's Namen einen Flecken
warf. Die Tyroler hatten alle Lust zu einem Volkskriege verloren, und belegten
ihren Helden, wenn er sich am unrechten Orte zeigte, mit Spott und derben
Schimpfnamen. Ms er nichts ausrichtete, wurde er auch von Wien aus des-
-avouirt; die bayerischen Behörden setzten einen Preis von tausend Gulden aus
seinen Kopf. —

Am 8. October schloß Bayern zu Nind das Bündniß mit Oestreich, und
somit wäre denn einstweilen alle Ursache zu neuen tyrolischen Händeln gehoben
gewesen; allein wie die biedern Landleute immer zu spät erfuhren, was mit ihnen
vorgegangen, so kam es auch dieses Mal, daß noch am neblichten Morgen des
10. Decembers eine aufständische Rotte unter kaiserlicher Fahne die schwache
Garnison von Innsbruck, die wegen des abgeschlossenen Bundes an keinen Unfrieden
mehr dachte, überfiel und zum Weichen nöthigte.

Im Pariser Vertrag vom 30. Mai 181i fixl Tyrol und Vorarlberg wieder
an Oestreich zurück, und so hatte Speckbacher denn auch deu Tag erlebt, wo er
sein Vaterland, sein Hans in Ehren wiedersehen, seine Fran und seine Kinder
wieder am eigenen Herde umarmen konnte. So bezog er denn wieder seinen
Hof zu Rinn und lebte etliche Jahre als schlichter Bauer. Der Kaiser verlieh
ihm zum zweiten Male eine goldene Medaille, die ihm in der altehrwürdigen
Pfarrkirche zu Schwaz um deu Hals gehängt wurde. Zu gleicher Zeit wurde
ihm eine jährliche Gnadengabe von 1000 Gulden ausgesetzt. Um diese Zeit er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/496>, abgerufen am 23.07.2024.