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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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aber während man die zerschmetterte Armee von Oestreich dem Feinde sorgsam
aus den Angen zog, ließ man den Tyrvlcrn ans dem kaiserlichen Hauptquartier
vermelden: das Heer der Erzherzoge rücke siegreich an der Donau heraus, und
Napoleon fliehe bereits, aus allen Seiten geschlagen, über deu Rhein. Der Ca-
puciner Haspiugcr verfolgte mit fanatischer Wuth alle kaltblütigen Leute, die dar¬
an nicht glauben wollten. Gegen Ende Septembers kamen auch wirklich drei
tyrvlische Häuptlinge, die früher ans die Nachricht von dem Zuaimer Waffen¬
stillstand sich nach Oestreich geflüchtet hatten, ans dem kaiserlichen Hoflager nach
Innsbruck, und überreichten dem Sandwirth als Zeichen kaiserlicher Gnade eine
goldene Kette und drei tausend Stück Ducaten in Gold, das Einzige, was bis¬
her ans Oestreich geflossen war. Auch ein kaiserliches Schreiben stellten sie dem
Obercommandanten zu Händen, worin er zum fernern Widerstande aufgefordert
wurde. An diesen Gaben hängt Hofer's Tod zu Mantua -- ohne diesen letzten
feierlichen Zuspruch hätte der Sandwirth seine Waffen niedergelegt. Uebrigens
wußte mau damals nirgends besser als im kaiserlichen Hauptquartier, daß Alles
verloren war. Man meinte nur, wenn das Kricgsftuer in Tyrol noch etwas
länger unterhalten würde, möchte es vielleicht nicht ungünstig auf die Friedens-
unterhandlungen wirken. Napoleon hatte aber jetzt 30,000 Mann zur Nerfügnng,
und schickte sie von'drei Seiten ins Herz von Tyrol.

Mitte October griffen die Bayern bei Melleck an, schlugen die Tyroler und
nahmen Speckbacher's Sohn, den tapfern Ändert, gefangen. Er selbst, der Va¬
ter, konnte mit genauer Noth entrinnen, und hatte sein Leben lang an einem Kol¬
benstoß zu leiden, den er damals im Gewühl erhielt.

Am 19. October verkündete der Kanonendonner ans der ganzen bayerischen
Heerlinie im Innthal den zu Wien am 1i. October abgeschlossenen Frieden. Die
Tyroler glaubten aber nicht daran, weil sie erst vierzehn Tage vorher von dem
Kaiser die Nachricht erhalten hatten, daß der Krieg vou Neuem losbreche.

Endlich am 29. October erschien im Wirthshause am Schönberg, in welches
Hofer gern sein Hauptquartier verlegte, der Freiherr von Lichtcnthurn als Cou¬
rier ans dem kaiserlichen Hauptquartiere zu Kezthely in Ungarn. Das war die
erste officielle Nachricht, daß der Friede geschlossen worden sei; die Tyroler möch¬
ten nnn Ruhe halten und sich nicht mehr zwecklos aufopfern.

Hofer wollte die Echtheit der Botschaft nicht anerkennen, denn der Brief war
nicht gesiegelt. "Bringt's Sigill" -- rief er zweifelnd aus, -- "nachher will i's
glauben -- so aber is Alles Lug und Trug." Als der Freiherr von Lichten-,
thurn, vou Jugend auf epileptisch, sein Schreiben übergeben, befiel ihn plötzlich
seine Krankheit; er stürzte mit einem furchtbaren Schrei in der Stube zusammen,
und lag winselnd ans dem Boden.

Die Umstehenden hielten dies für den Finger Gottes, der den Lügner auf
der That bestraft habe.


aber während man die zerschmetterte Armee von Oestreich dem Feinde sorgsam
aus den Angen zog, ließ man den Tyrvlcrn ans dem kaiserlichen Hauptquartier
vermelden: das Heer der Erzherzoge rücke siegreich an der Donau heraus, und
Napoleon fliehe bereits, aus allen Seiten geschlagen, über deu Rhein. Der Ca-
puciner Haspiugcr verfolgte mit fanatischer Wuth alle kaltblütigen Leute, die dar¬
an nicht glauben wollten. Gegen Ende Septembers kamen auch wirklich drei
tyrvlische Häuptlinge, die früher ans die Nachricht von dem Zuaimer Waffen¬
stillstand sich nach Oestreich geflüchtet hatten, ans dem kaiserlichen Hoflager nach
Innsbruck, und überreichten dem Sandwirth als Zeichen kaiserlicher Gnade eine
goldene Kette und drei tausend Stück Ducaten in Gold, das Einzige, was bis¬
her ans Oestreich geflossen war. Auch ein kaiserliches Schreiben stellten sie dem
Obercommandanten zu Händen, worin er zum fernern Widerstande aufgefordert
wurde. An diesen Gaben hängt Hofer's Tod zu Mantua — ohne diesen letzten
feierlichen Zuspruch hätte der Sandwirth seine Waffen niedergelegt. Uebrigens
wußte mau damals nirgends besser als im kaiserlichen Hauptquartier, daß Alles
verloren war. Man meinte nur, wenn das Kricgsftuer in Tyrol noch etwas
länger unterhalten würde, möchte es vielleicht nicht ungünstig auf die Friedens-
unterhandlungen wirken. Napoleon hatte aber jetzt 30,000 Mann zur Nerfügnng,
und schickte sie von'drei Seiten ins Herz von Tyrol.

Mitte October griffen die Bayern bei Melleck an, schlugen die Tyroler und
nahmen Speckbacher's Sohn, den tapfern Ändert, gefangen. Er selbst, der Va¬
ter, konnte mit genauer Noth entrinnen, und hatte sein Leben lang an einem Kol¬
benstoß zu leiden, den er damals im Gewühl erhielt.

Am 19. October verkündete der Kanonendonner ans der ganzen bayerischen
Heerlinie im Innthal den zu Wien am 1i. October abgeschlossenen Frieden. Die
Tyroler glaubten aber nicht daran, weil sie erst vierzehn Tage vorher von dem
Kaiser die Nachricht erhalten hatten, daß der Krieg vou Neuem losbreche.

Endlich am 29. October erschien im Wirthshause am Schönberg, in welches
Hofer gern sein Hauptquartier verlegte, der Freiherr von Lichtcnthurn als Cou¬
rier ans dem kaiserlichen Hauptquartiere zu Kezthely in Ungarn. Das war die
erste officielle Nachricht, daß der Friede geschlossen worden sei; die Tyroler möch¬
ten nnn Ruhe halten und sich nicht mehr zwecklos aufopfern.

Hofer wollte die Echtheit der Botschaft nicht anerkennen, denn der Brief war
nicht gesiegelt. „Bringt's Sigill" — rief er zweifelnd aus, — „nachher will i's
glauben — so aber is Alles Lug und Trug." Als der Freiherr von Lichten-,
thurn, vou Jugend auf epileptisch, sein Schreiben übergeben, befiel ihn plötzlich
seine Krankheit; er stürzte mit einem furchtbaren Schrei in der Stube zusammen,
und lag winselnd ans dem Boden.

Die Umstehenden hielten dies für den Finger Gottes, der den Lügner auf
der That bestraft habe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/492>, abgerufen am 23.07.2024.