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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Im Jahre 4 797, als die Franzosen unter Jaubert von Süden her verheerend
in Tyrol eingebrochen, zog Speckbacher zum ersten Male als Landesvertheidiger
ans, und stand auf dem Berge bei Meranscn im Gefechte. In den Jahren 1800
und 180S war er abermals beim Landsturm.

Um diese Zeit auf einem Pferdemarkt zu Sterzing sah Speckbacher zum
ersten Male den Passeyrer Sandwirth, Andreas Hofer, und lernte ihn bei einem
Krug Wein auch etwas näher kennen. Beide waren damals gleich alt, 37 Jahre,
und träumten noch nicht, was sie bald darnach mit einander für Heide'nthaten
ausführen würden.

Im Frühjahr 1808, als König Max, wie oben erzählt, zu Urban Mayr
kam, und in feierlichem Zuge gegen Innsbruck weiter fuhr, stand Speckbacher an
der Spitze seiner Gemeinde ans der Brücke bei Volders und begrüßte seinen gnä¬
digen Fürsten.

Im Hornung 1809 kam aber der Sandwirth, der in diplomatischen Ge¬
schäften zu Wien gewesen war, mit Speckbacher in Hall zusammen, und sagte die¬
sem und dem Kronen-Wirth Joseph Strand, was er unter beim Kaiser gehört
hatte. Sie schlugen ihren Rath, und gaben das Geheimniß weiter an die ver¬
trauten Wirthe im Innthale.

Im Aprilmond sollte es losgehen. Tausende wußten bald von dem, was
kommen sollte, aber wunderbarer Weise wurde den Bayern nicht ein verlässiges
Wort zugetragen.

Am 7. April erhielt Speckbacher von dem Sandwirth die Botschaft: es sei
Zeit. Jetzt wurden die verabredeten Signale ausgeführt und Hormayrs Pro¬
klamation verbreitet. Am 8. schwamm ein von den Verschworenen in den Jnn
geworfenes Bret mit einem kleinen rothen Fähnlein den Jnnfluß hinab, um die
Dörfer an den beiden Ufern und die aufgestellten Wächter zu benachrichtigen.

Auf mehreren Bergspitzen des Innthals loderten in der Nacht des 9. Flam¬
menzeichen (Kreiden-Feuer) auf. Ferner warf man Blut, Mehl und Sägespäne
in die Wellen des Inns, damit diese verabredeten Zeichen den Landverthcidigern
des untern Innthals die Botschaft brächten: "eS sei Zeit."

Am 12. April überrumpelte Speckbacher das schlecht besetzte Hall, und am
nämlichen Tage zogen die Oberinnthaler Bauern in Innsbruck ein.

Von diesem Tage an bis zum letzten Verglimmen des Krieges in Tyrol war
Speckbacher fast überall dabei, wo geschlagen wurde, fast überall stegreich. Die
anziehenden Einzelnheiten in dem Buche zu verfolgen, wollen wir aber dem ge¬
neigten Leser überlassen.

In den letzten Zeiten im Herbst, als von allen Seiten die Gewitter aufzo¬
gen, stand Speckbacher mit einem kleinen Häuflein bei Melleck in der Gegend
von Reichenhall. Sein Herz war trübe und er ahnte, daß alles Blut umsonst
geflossen. Der Waffenstillstand von Znaim war am 12. Juni geschlossen worden,


Im Jahre 4 797, als die Franzosen unter Jaubert von Süden her verheerend
in Tyrol eingebrochen, zog Speckbacher zum ersten Male als Landesvertheidiger
ans, und stand auf dem Berge bei Meranscn im Gefechte. In den Jahren 1800
und 180S war er abermals beim Landsturm.

Um diese Zeit auf einem Pferdemarkt zu Sterzing sah Speckbacher zum
ersten Male den Passeyrer Sandwirth, Andreas Hofer, und lernte ihn bei einem
Krug Wein auch etwas näher kennen. Beide waren damals gleich alt, 37 Jahre,
und träumten noch nicht, was sie bald darnach mit einander für Heide'nthaten
ausführen würden.

Im Frühjahr 1808, als König Max, wie oben erzählt, zu Urban Mayr
kam, und in feierlichem Zuge gegen Innsbruck weiter fuhr, stand Speckbacher an
der Spitze seiner Gemeinde ans der Brücke bei Volders und begrüßte seinen gnä¬
digen Fürsten.

Im Hornung 1809 kam aber der Sandwirth, der in diplomatischen Ge¬
schäften zu Wien gewesen war, mit Speckbacher in Hall zusammen, und sagte die¬
sem und dem Kronen-Wirth Joseph Strand, was er unter beim Kaiser gehört
hatte. Sie schlugen ihren Rath, und gaben das Geheimniß weiter an die ver¬
trauten Wirthe im Innthale.

Im Aprilmond sollte es losgehen. Tausende wußten bald von dem, was
kommen sollte, aber wunderbarer Weise wurde den Bayern nicht ein verlässiges
Wort zugetragen.

Am 7. April erhielt Speckbacher von dem Sandwirth die Botschaft: es sei
Zeit. Jetzt wurden die verabredeten Signale ausgeführt und Hormayrs Pro¬
klamation verbreitet. Am 8. schwamm ein von den Verschworenen in den Jnn
geworfenes Bret mit einem kleinen rothen Fähnlein den Jnnfluß hinab, um die
Dörfer an den beiden Ufern und die aufgestellten Wächter zu benachrichtigen.

Auf mehreren Bergspitzen des Innthals loderten in der Nacht des 9. Flam¬
menzeichen (Kreiden-Feuer) auf. Ferner warf man Blut, Mehl und Sägespäne
in die Wellen des Inns, damit diese verabredeten Zeichen den Landverthcidigern
des untern Innthals die Botschaft brächten: „eS sei Zeit."

Am 12. April überrumpelte Speckbacher das schlecht besetzte Hall, und am
nämlichen Tage zogen die Oberinnthaler Bauern in Innsbruck ein.

Von diesem Tage an bis zum letzten Verglimmen des Krieges in Tyrol war
Speckbacher fast überall dabei, wo geschlagen wurde, fast überall stegreich. Die
anziehenden Einzelnheiten in dem Buche zu verfolgen, wollen wir aber dem ge¬
neigten Leser überlassen.

In den letzten Zeiten im Herbst, als von allen Seiten die Gewitter aufzo¬
gen, stand Speckbacher mit einem kleinen Häuflein bei Melleck in der Gegend
von Reichenhall. Sein Herz war trübe und er ahnte, daß alles Blut umsonst
geflossen. Der Waffenstillstand von Znaim war am 12. Juni geschlossen worden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/491>, abgerufen am 23.07.2024.