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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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wie Berthold) Auerbach, obgleich so verschieden in ihren Zielen, sprechende Bei¬
spiele sind.

Aber der tyroler Ausstund hat doch eine ziemliche Anzahl ehrsamer Bauers-
leute zu ruhmreichen Kriegshelden umgeborcn, und es fehlt nicht an einzelnen
sehr anziehenden Charakteren. Diese darf man die Ungunst ihres Unternehmens
nicht entgelten lassen. Der Lebenslauf, die Verrichtungen eines tüchtigen Mannes
haben zu allen Zeiten einen verlässigen Bericht verdient. Die Geschichte wirst
sich'daher auf die Einzelnen, und stellt die Auserwählten biographisch dar. Uu-
eingcnommen für ihre Zwecke schildert sie doch mit Wärme ihre Thaten.

Fast zu gleicher Zeit sind zwei Tyroler, ohne von einander zu wissen, mit
Lebensbeschreibungen der beiden Dioskuren von Anno Neun hervorgetreten. Beda
Weber giebt in seinem Buche über das Thal Passeyer (Innsbruck in der Wagner-
schen Buchhandlung 1852) eine biographische Skizze Andreas Hofer's; Johann Georg
Mähr tritt im selben Herbste mit einer Lebensbeschreibung Speckbacher's hervor.

Johann Georg Mayr ist ein neuer Name in der deutschen Literatur, und
es scheint daher nicht überflüssig zu sagen, woher dieser Schriftsteller stammt.
Er ist zu Brixlegg bei Rattenberg im Jahre 1800 geboren, der jüngste Sohn
eines fröhlichen Tyrolerbanern, der mit Handschuhen im Reich hcrumwandertc,
und dabei gelegentlich die Bekanntschaft des Königs Max von Bayern machte,
der ihn gern in seiner Hofburg sah. Es war eine alte Sitte der bayrischen
Churfürsten, daß sie zu ihrer ErgöMchkcit sich sogenannte Hostyroler als Haus¬
freunde hielten, die alle Jahre ein Paar Mal mit neuen Handschuhen zusprachen, und
dann zur Tafel gezogen wurden, wobei sie die höchsten Herrschaften duzten, und
durch ihre offene Biederkeit Lachen erregen mußten. Als Urban Mayr einst
erfuhr, daß der König aus der Reise nach Mailand an seinem Hause vorüber-
kommen wurde, nahm er sich ein Herz heraus, und lud den Landesvater zum
Frühstück ans Spcckknödel ein. Vater Max ließ sich die Einladung gefallen,
stieg auf dem Wege uach Mailand zu Brixlegg sammt seiner Königin und den
Kindern aus dem Wagen, und genoß mit Dankbarkeit die Speckknödcl und den
Kcltercr-Wein seines tyrolischen Gastfreundes. Persönlich war der alte Max
überhaupt nicht unbeliebt in demi neuerworbenen Lande. "Wenn nur seine Schreiber
besser wären!" sagten die Bauern. --

Urban Mayr's jüngster Sohn war also Johann Georg Mayr, welcher schon,
wie er uns in einer Note S. 330 erzählt, von Jugend auf viele Neigung zur
Kunst, Topographie, Geschichte und Poesie an den Tag legte. Er brachte es
bis zum Inspector der Kupfcrstichsection im topographischen Bureau zu München.
Er hat schon mehr als einen Ruf ins Ausland abgelehnt, und wird solche Anträge
immer ablehnen, "um in seinem Pflegvaterlande Bayern uach Kräften fortzu¬
wirken, und in der Nähe seiner Heimat!) zu sein, die er mit besonderer tyrolischer
Anhänglichkeit liebt."


wie Berthold) Auerbach, obgleich so verschieden in ihren Zielen, sprechende Bei¬
spiele sind.

Aber der tyroler Ausstund hat doch eine ziemliche Anzahl ehrsamer Bauers-
leute zu ruhmreichen Kriegshelden umgeborcn, und es fehlt nicht an einzelnen
sehr anziehenden Charakteren. Diese darf man die Ungunst ihres Unternehmens
nicht entgelten lassen. Der Lebenslauf, die Verrichtungen eines tüchtigen Mannes
haben zu allen Zeiten einen verlässigen Bericht verdient. Die Geschichte wirst
sich'daher auf die Einzelnen, und stellt die Auserwählten biographisch dar. Uu-
eingcnommen für ihre Zwecke schildert sie doch mit Wärme ihre Thaten.

Fast zu gleicher Zeit sind zwei Tyroler, ohne von einander zu wissen, mit
Lebensbeschreibungen der beiden Dioskuren von Anno Neun hervorgetreten. Beda
Weber giebt in seinem Buche über das Thal Passeyer (Innsbruck in der Wagner-
schen Buchhandlung 1852) eine biographische Skizze Andreas Hofer's; Johann Georg
Mähr tritt im selben Herbste mit einer Lebensbeschreibung Speckbacher's hervor.

Johann Georg Mayr ist ein neuer Name in der deutschen Literatur, und
es scheint daher nicht überflüssig zu sagen, woher dieser Schriftsteller stammt.
Er ist zu Brixlegg bei Rattenberg im Jahre 1800 geboren, der jüngste Sohn
eines fröhlichen Tyrolerbanern, der mit Handschuhen im Reich hcrumwandertc,
und dabei gelegentlich die Bekanntschaft des Königs Max von Bayern machte,
der ihn gern in seiner Hofburg sah. Es war eine alte Sitte der bayrischen
Churfürsten, daß sie zu ihrer ErgöMchkcit sich sogenannte Hostyroler als Haus¬
freunde hielten, die alle Jahre ein Paar Mal mit neuen Handschuhen zusprachen, und
dann zur Tafel gezogen wurden, wobei sie die höchsten Herrschaften duzten, und
durch ihre offene Biederkeit Lachen erregen mußten. Als Urban Mayr einst
erfuhr, daß der König aus der Reise nach Mailand an seinem Hause vorüber-
kommen wurde, nahm er sich ein Herz heraus, und lud den Landesvater zum
Frühstück ans Spcckknödel ein. Vater Max ließ sich die Einladung gefallen,
stieg auf dem Wege uach Mailand zu Brixlegg sammt seiner Königin und den
Kindern aus dem Wagen, und genoß mit Dankbarkeit die Speckknödcl und den
Kcltercr-Wein seines tyrolischen Gastfreundes. Persönlich war der alte Max
überhaupt nicht unbeliebt in demi neuerworbenen Lande. „Wenn nur seine Schreiber
besser wären!" sagten die Bauern. —

Urban Mayr's jüngster Sohn war also Johann Georg Mayr, welcher schon,
wie er uns in einer Note S. 330 erzählt, von Jugend auf viele Neigung zur
Kunst, Topographie, Geschichte und Poesie an den Tag legte. Er brachte es
bis zum Inspector der Kupfcrstichsection im topographischen Bureau zu München.
Er hat schon mehr als einen Ruf ins Ausland abgelehnt, und wird solche Anträge
immer ablehnen, „um in seinem Pflegvaterlande Bayern uach Kräften fortzu¬
wirken, und in der Nähe seiner Heimat!) zu sein, die er mit besonderer tyrolischer
Anhänglichkeit liebt."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/488>, abgerufen am 23.07.2024.