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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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engellsche ist, wird er bemüssiget, von hier "ach drüben nix als philosophische
Floskeln und Aufschneidereien zu schreiben; zum Beispiel, daß die Königin Victoria
die fortwährende Constitution so gut anschlagen thut, daß der Prinz Albert
prächtig aussieht und "seine Ordnung hat" trotz einen Erzherzog, und wies
alle Wochen die schweren Kisten Gold ans Amerika kriegen -- merkenS die grobe
Anspielung nit? -- Alles aus puren Gist gegen ein Allerhöchstes Kaiserhaus.
Kurz, dor Kerl ist abgricht, und lügt wie ein Diplomat, mit Respect zu sagen.
Wann aber der Jvrgl in seiner schlichten östreichischen Ehrlichkeit ihm ein Brief
aufgeben wollt, wo dö Wahrheit, dös heißt, keine Utopiephrasen und Theorien
nit, sondern die wahre östreichische Wahrheit drin geschrieben ist, so könnens
Ihnen von selber vorstellen, wie der heimliche Korrespondent unterm Wasser dös
Schreiben verhunzen thät. Also hat der Jörgl befunden, auf den anonymen
Tvlegraphcnschreiber, der so unsinnig theuer ist, gar uit mehr zu reflektiren.

Jetzt kommen wir zu dem miserablen Kossuthschwindel, wo man von Neuen
gsehen hat, was die Engelländer im Grund vor vernagelte Querkvpp sein; denn
dö sogenannte Freiheit, lieber Freund, macht kein Menschen nit gescheidt. Von
denen langen Zeituugsbvgen, was son Engelländer aufn nüchternen Magen gleich
auslösen muß, gehts ihm den ganzen Tag wier Mühlrad im Kopp rum, und
weils hier gar nit wissen, was eine Censur ist, so nehmens ein jcderes Wort wie
baare Conventionsmünz an. Und bei die vielen Zeitungen Habens noch immer
keine Polizei nit. Do sogenannte Pvliccmen hier Werdens doch nit Polizei
schimpfen wollen? Schaums Ihnen nur dö Carrikatur recht an. Kein Säbel
nit, kein Helm nit, kein Autorität nit; kurz so gar Nix vom Bhompten")! Ein
Mar weiße Handschuh hat der Kerl an, als wann er brautführcn sollte, und
wann er nit grad ein ausgemachten Dieben vor sich hat, -- was hat er dann
zu bfehlen? Nix hat er zu bfehlen, den ghvrschamsten Diener muß er machen,
ein jedem bürgerlichen Lumpen muß er aufwarten, als wann er ein Eckensteher
wär: Weg zeigen, Gang laufen, denen Fräuleus die Schuupptücher vom Boden
aufheben, und die Fratzen von Kiudermadl übern Kihrweg tragen. Verstehens?
Dös soll den Zeitgeist vorstellen, und die Liberalität, aber der Jvrgl sagt, 's ist
eine Sünd und Schand, mit so ner Kriecherei den Respekt vor Gesetz und Obrig¬
keit zu untergraben. Und was Habens am End davon? Daß die Polizei keine
Spur von einer politischen Bildung nit besitzen thut; sie hat gar kein Umgang
uit als mit gemeine Spitzbuben; mit denen Redacteurs, denen Deputirten und
Demagogen kommts niemals zsammen, wie anderswo. Und davon ist die Folgerung,
dat Kameel schlucken und Mücken feigen. Wann ein armer Teufel ein paar Gul¬
den gmaust hat, seins gleich hinterher, aber wann Einer am hellen lichten Gottes¬
tag auf offenem Markt denen Tausenden von Menschen ihren Glauben ans den



") Deutsch: Beamten.

engellsche ist, wird er bemüssiget, von hier »ach drüben nix als philosophische
Floskeln und Aufschneidereien zu schreiben; zum Beispiel, daß die Königin Victoria
die fortwährende Constitution so gut anschlagen thut, daß der Prinz Albert
prächtig aussieht und „seine Ordnung hat" trotz einen Erzherzog, und wies
alle Wochen die schweren Kisten Gold ans Amerika kriegen — merkenS die grobe
Anspielung nit? — Alles aus puren Gist gegen ein Allerhöchstes Kaiserhaus.
Kurz, dor Kerl ist abgricht, und lügt wie ein Diplomat, mit Respect zu sagen.
Wann aber der Jvrgl in seiner schlichten östreichischen Ehrlichkeit ihm ein Brief
aufgeben wollt, wo dö Wahrheit, dös heißt, keine Utopiephrasen und Theorien
nit, sondern die wahre östreichische Wahrheit drin geschrieben ist, so könnens
Ihnen von selber vorstellen, wie der heimliche Korrespondent unterm Wasser dös
Schreiben verhunzen thät. Also hat der Jörgl befunden, auf den anonymen
Tvlegraphcnschreiber, der so unsinnig theuer ist, gar uit mehr zu reflektiren.

Jetzt kommen wir zu dem miserablen Kossuthschwindel, wo man von Neuen
gsehen hat, was die Engelländer im Grund vor vernagelte Querkvpp sein; denn
dö sogenannte Freiheit, lieber Freund, macht kein Menschen nit gescheidt. Von
denen langen Zeituugsbvgen, was son Engelländer aufn nüchternen Magen gleich
auslösen muß, gehts ihm den ganzen Tag wier Mühlrad im Kopp rum, und
weils hier gar nit wissen, was eine Censur ist, so nehmens ein jcderes Wort wie
baare Conventionsmünz an. Und bei die vielen Zeitungen Habens noch immer
keine Polizei nit. Do sogenannte Pvliccmen hier Werdens doch nit Polizei
schimpfen wollen? Schaums Ihnen nur dö Carrikatur recht an. Kein Säbel
nit, kein Helm nit, kein Autorität nit; kurz so gar Nix vom Bhompten")! Ein
Mar weiße Handschuh hat der Kerl an, als wann er brautführcn sollte, und
wann er nit grad ein ausgemachten Dieben vor sich hat, — was hat er dann
zu bfehlen? Nix hat er zu bfehlen, den ghvrschamsten Diener muß er machen,
ein jedem bürgerlichen Lumpen muß er aufwarten, als wann er ein Eckensteher
wär: Weg zeigen, Gang laufen, denen Fräuleus die Schuupptücher vom Boden
aufheben, und die Fratzen von Kiudermadl übern Kihrweg tragen. Verstehens?
Dös soll den Zeitgeist vorstellen, und die Liberalität, aber der Jvrgl sagt, 's ist
eine Sünd und Schand, mit so ner Kriecherei den Respekt vor Gesetz und Obrig¬
keit zu untergraben. Und was Habens am End davon? Daß die Polizei keine
Spur von einer politischen Bildung nit besitzen thut; sie hat gar kein Umgang
uit als mit gemeine Spitzbuben; mit denen Redacteurs, denen Deputirten und
Demagogen kommts niemals zsammen, wie anderswo. Und davon ist die Folgerung,
dat Kameel schlucken und Mücken feigen. Wann ein armer Teufel ein paar Gul¬
den gmaust hat, seins gleich hinterher, aber wann Einer am hellen lichten Gottes¬
tag auf offenem Markt denen Tausenden von Menschen ihren Glauben ans den



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/476>, abgerufen am 23.07.2024.