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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Wohnung comfortable einzurichten. Er hatte eine ganz merkwürdige Leidenschaft
für Buhlmöbleö, und ließ sich dieselben durch einen Agenten von Paris kommen,
der in 12 Jahren dabei 30,000 Fr. verdiente. Brummell hatte von London
-1000 Pfd. mitgebracht; er verwendete die ganze Summe auf die Möblirung
seiner Zimmer. Non da an bis zu seinem Tode lebte er nnr von den Geschenken
seiner Freunde, denn mit dem Consulatsgehalt, den er später empfing, war er
stets im Vorschuß. Die Herzogin von ni'rk schickte ihm häufig kleine Souvenirs,
eine Börse, eine Brieftasche, die immer einige Banknoten enthielten. Aehnliche Unter¬
stützung erhielt er von den Herzögen von Wellington, Nntland, Beaufort, Richmond,
Bedford und anderen Mitgliedern der hohen Aristokratie. Lord Alvanley war von
Allen der getreueste. Wenn Brnmmells Freunde durch Calais reisten, versäumten
sie nie, ihn zur Tafel zu laden. Er lebte übrigens mit der Regelmäßigkeit eines
Uhrwerks. Um neun Uhr stand er auf, nahm zum Frühstück Milchkaffee, und las
die Morning Chronicle. Zu Mittag fing er seine Toilette an, welche zwei Stunden
dauerte; dann hielt er sein Lever. Um vier Uhr ging er in der Iiu<z i-oMo
spazieren, wie früher in 8>" ^rav" slrvvl, um fünf Uhr begab er sich wieder
nach Hause, um sich zum Diner anzukleiden, und um 7 '/ji Uhr ging er ins Theater,
wo er eine Loge hatte. Ein wichtiges Ereignis) unterbrach die Einförmigkeit
dieses Lebens: die Ankunft seines frühern Gönners, nun König Georgs IV. in
Calais. Er berührte diese Stadt im September 1821 auf einer Reise nach Hannover,
und wurde vou dem Herzog von Angonlöme empfangen. Brnmmell schrieb seinen
Namen im Hotel Dessin ein, wo sein Landesherr abgestiegen war, wagte aber
nicht, sich vorzustellen, und Georg IV. reiste ab, ohne seinen frühern Günstling
gesehen zu habe". Nach einem andern Gewährsmann, dem Wirth Brummell'ö,
sahen sich die Beiden, ohne daß ihr Zusammentreffen weitere Folgen hatte.
Brummell konnte wegen der Menge Menschen, die sich versammelt hatten, nicht
in sein Haus treten. Der König fuhr vorbei, Jedermann nahm den Hut ab,
und Georg sagte ganz laut: "Mein Gott! Brnmmell!" Als Brummell nun in das
Haus trat, war er blaß wie eine Leiche, und sagte kein Wort. Ein Aussöhnung
hat nie stattgefunden.

Das Leben, welches Brummell zu führen gewohnt war, kostete viel Geld,
und die Geschenke seiner Freunde genügten uicht, ihn schuldenfrei zu erhalten.
Endlich gelang es seinen Gönnern, ihm das englische Consulat in Caen zu ver¬
schaffen. Vor der Abreise von Calais ordnete Brnmmell seine Finanzen. Um
seine Schulden zu decken, verkaufte er seine Buhlmöbel und sein altes Sövres-
pvrzellan. Der Ertrag reichte uoch nicht, und Brummell blieb seinem Banquier
lnuuer noch 12000 Fr. schuldig. seinem Kammerdiener schuldete er mehr als
"000 Fr., und im Hotel für Mittagessen 3400 Fr. Er hatte alle seine Beredt-
samkeit nöthig, um seinen Banquier zu bewegen, ihm noch 12000 Fr. vorzu¬
schießen, wofür er ihm 8000 Fr. jährlich von seinem Gehalt verschrieb, der nnr


Wohnung comfortable einzurichten. Er hatte eine ganz merkwürdige Leidenschaft
für Buhlmöbleö, und ließ sich dieselben durch einen Agenten von Paris kommen,
der in 12 Jahren dabei 30,000 Fr. verdiente. Brummell hatte von London
-1000 Pfd. mitgebracht; er verwendete die ganze Summe auf die Möblirung
seiner Zimmer. Non da an bis zu seinem Tode lebte er nnr von den Geschenken
seiner Freunde, denn mit dem Consulatsgehalt, den er später empfing, war er
stets im Vorschuß. Die Herzogin von ni'rk schickte ihm häufig kleine Souvenirs,
eine Börse, eine Brieftasche, die immer einige Banknoten enthielten. Aehnliche Unter¬
stützung erhielt er von den Herzögen von Wellington, Nntland, Beaufort, Richmond,
Bedford und anderen Mitgliedern der hohen Aristokratie. Lord Alvanley war von
Allen der getreueste. Wenn Brnmmells Freunde durch Calais reisten, versäumten
sie nie, ihn zur Tafel zu laden. Er lebte übrigens mit der Regelmäßigkeit eines
Uhrwerks. Um neun Uhr stand er auf, nahm zum Frühstück Milchkaffee, und las
die Morning Chronicle. Zu Mittag fing er seine Toilette an, welche zwei Stunden
dauerte; dann hielt er sein Lever. Um vier Uhr ging er in der Iiu<z i-oMo
spazieren, wie früher in 8>„ ^rav« slrvvl, um fünf Uhr begab er sich wieder
nach Hause, um sich zum Diner anzukleiden, und um 7 '/ji Uhr ging er ins Theater,
wo er eine Loge hatte. Ein wichtiges Ereignis) unterbrach die Einförmigkeit
dieses Lebens: die Ankunft seines frühern Gönners, nun König Georgs IV. in
Calais. Er berührte diese Stadt im September 1821 auf einer Reise nach Hannover,
und wurde vou dem Herzog von Angonlöme empfangen. Brnmmell schrieb seinen
Namen im Hotel Dessin ein, wo sein Landesherr abgestiegen war, wagte aber
nicht, sich vorzustellen, und Georg IV. reiste ab, ohne seinen frühern Günstling
gesehen zu habe». Nach einem andern Gewährsmann, dem Wirth Brummell'ö,
sahen sich die Beiden, ohne daß ihr Zusammentreffen weitere Folgen hatte.
Brummell konnte wegen der Menge Menschen, die sich versammelt hatten, nicht
in sein Haus treten. Der König fuhr vorbei, Jedermann nahm den Hut ab,
und Georg sagte ganz laut: „Mein Gott! Brnmmell!" Als Brummell nun in das
Haus trat, war er blaß wie eine Leiche, und sagte kein Wort. Ein Aussöhnung
hat nie stattgefunden.

Das Leben, welches Brummell zu führen gewohnt war, kostete viel Geld,
und die Geschenke seiner Freunde genügten uicht, ihn schuldenfrei zu erhalten.
Endlich gelang es seinen Gönnern, ihm das englische Consulat in Caen zu ver¬
schaffen. Vor der Abreise von Calais ordnete Brnmmell seine Finanzen. Um
seine Schulden zu decken, verkaufte er seine Buhlmöbel und sein altes Sövres-
pvrzellan. Der Ertrag reichte uoch nicht, und Brummell blieb seinem Banquier
lnuuer noch 12000 Fr. schuldig. seinem Kammerdiener schuldete er mehr als
"000 Fr., und im Hotel für Mittagessen 3400 Fr. Er hatte alle seine Beredt-
samkeit nöthig, um seinen Banquier zu bewegen, ihm noch 12000 Fr. vorzu¬
schießen, wofür er ihm 8000 Fr. jährlich von seinem Gehalt verschrieb, der nnr


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[0427] Wohnung comfortable einzurichten. Er hatte eine ganz merkwürdige Leidenschaft für Buhlmöbleö, und ließ sich dieselben durch einen Agenten von Paris kommen, der in 12 Jahren dabei 30,000 Fr. verdiente. Brummell hatte von London -1000 Pfd. mitgebracht; er verwendete die ganze Summe auf die Möblirung seiner Zimmer. Non da an bis zu seinem Tode lebte er nnr von den Geschenken seiner Freunde, denn mit dem Consulatsgehalt, den er später empfing, war er stets im Vorschuß. Die Herzogin von ni'rk schickte ihm häufig kleine Souvenirs, eine Börse, eine Brieftasche, die immer einige Banknoten enthielten. Aehnliche Unter¬ stützung erhielt er von den Herzögen von Wellington, Nntland, Beaufort, Richmond, Bedford und anderen Mitgliedern der hohen Aristokratie. Lord Alvanley war von Allen der getreueste. Wenn Brnmmells Freunde durch Calais reisten, versäumten sie nie, ihn zur Tafel zu laden. Er lebte übrigens mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks. Um neun Uhr stand er auf, nahm zum Frühstück Milchkaffee, und las die Morning Chronicle. Zu Mittag fing er seine Toilette an, welche zwei Stunden dauerte; dann hielt er sein Lever. Um vier Uhr ging er in der Iiu<z i-oMo spazieren, wie früher in 8>„ ^rav« slrvvl, um fünf Uhr begab er sich wieder nach Hause, um sich zum Diner anzukleiden, und um 7 '/ji Uhr ging er ins Theater, wo er eine Loge hatte. Ein wichtiges Ereignis) unterbrach die Einförmigkeit dieses Lebens: die Ankunft seines frühern Gönners, nun König Georgs IV. in Calais. Er berührte diese Stadt im September 1821 auf einer Reise nach Hannover, und wurde vou dem Herzog von Angonlöme empfangen. Brnmmell schrieb seinen Namen im Hotel Dessin ein, wo sein Landesherr abgestiegen war, wagte aber nicht, sich vorzustellen, und Georg IV. reiste ab, ohne seinen frühern Günstling gesehen zu habe». Nach einem andern Gewährsmann, dem Wirth Brummell'ö, sahen sich die Beiden, ohne daß ihr Zusammentreffen weitere Folgen hatte. Brummell konnte wegen der Menge Menschen, die sich versammelt hatten, nicht in sein Haus treten. Der König fuhr vorbei, Jedermann nahm den Hut ab, und Georg sagte ganz laut: „Mein Gott! Brnmmell!" Als Brummell nun in das Haus trat, war er blaß wie eine Leiche, und sagte kein Wort. Ein Aussöhnung hat nie stattgefunden. Das Leben, welches Brummell zu führen gewohnt war, kostete viel Geld, und die Geschenke seiner Freunde genügten uicht, ihn schuldenfrei zu erhalten. Endlich gelang es seinen Gönnern, ihm das englische Consulat in Caen zu ver¬ schaffen. Vor der Abreise von Calais ordnete Brnmmell seine Finanzen. Um seine Schulden zu decken, verkaufte er seine Buhlmöbel und sein altes Sövres- pvrzellan. Der Ertrag reichte uoch nicht, und Brummell blieb seinem Banquier lnuuer noch 12000 Fr. schuldig. seinem Kammerdiener schuldete er mehr als "000 Fr., und im Hotel für Mittagessen 3400 Fr. Er hatte alle seine Beredt- samkeit nöthig, um seinen Banquier zu bewegen, ihm noch 12000 Fr. vorzu¬ schießen, wofür er ihm 8000 Fr. jährlich von seinem Gehalt verschrieb, der nnr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/427>, abgerufen am 23.07.2024.