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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Einen ebenbürtigen Gegner fand unser Dandy einmal, wo er ihn nicht erwartet
hatte. Das Westend von London, die Stadt der Fashion ist streng geschieden
von der City, der Stadt der Geschäfte, und Brummel affectirte über ihre Lage
eine Unwissenheit, die so weit ging, daß er sich erkundigte, wo man unterwegs
die Pferde wechsele. Seinen Charakter als Mann der Fashion wünschte
er so viel als möglich von jeder Berührung mit der philisterhasten und
vulgairen City frei zu erhalten, und als einmal ein reicher Handelsherr ihn
zum Essen einlud, gab er zur Antwort: "Nun ja, ich will kommen, aber
versprechen Sie mir, Niemandem etwas davou zu sagen." Doch nicht immer
war Brnmmell so difficil, denn die reichen Kaufleute der City hatten viel Geld
zu verspielen, und Brummen gewann gern. Einmal spielte er im Club mit dem
berühmten Brauer, Alderman Combes, der hinter einander an ihn 23 Marken, zu
26 Guineen je,de, verlor. Brnmmell strich das Geld ein, stand auf, und sagte mit
einer höflichen Verbeugung: "Ich danke schon, Alderman, in Zukunft werde ich
meinen Porter nnr von Ihnen trinken." -- "Schon gut," erwiderte ruhig der Alder¬
man, "ich wollte nur, alle andere Taugenichtse in London folgten Ihrem Beispiel."
Brnmmell scheint darauf keine passende Autwort gefunden zu haben; wahrschein¬
lich nahm er sich im Stillen vor, sich in Zukunft mit so grobem Bürgerpack nicht
mehr abzugeben. Jedenfalls waren seine gewöhnlichen Kreise ein günstigerer Boden
für die Ausübung seines besondern Talents, das sich manchmal bis zu wahrhaft
genialer Unverschämtheit zu erheben wußte. Eines Morgens trat Brnmmell in
das Zimmer eines seiner hochgebornen Freunde, auf dessen Schlosse er zu Besuch
war, und kündigte ihm mit großer Lebhaftigkeit und allem Anschein der Aufriß
tigkeit an, daß er zu seinem größten Leidwesen genöthigt sei, schleunigst abzureisen.
-- "Sie wollten ja einen ganzen Monat bleiben!" entgegnet der Wirth. -- "Frei¬
lich, freilich, aber ich muß durchaus fort." -- "Aber warum deun?" -- "Hin... weil
ich in Ihre Frau verliebt bin." -- "Was thut das, bester Freund? Das ist mir
auch so gegangen. Ist sie aber in Sie verliebt?" -- Der Dandy schweigt eine
Weile, und sagt dann endlich halblaut: "Das ist's ja eben; ich glaube nicht daran
zweifeln zu können."-- "Ja, dann nehmen Sie Postpferde!" sagt nnn der Ehemann.

Die Leidenschaft auf Brnmmells Seite wird wol nicht sehr stark gewesen
sein. Charaktere seiner Art find viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich
ernstlich verlieben zu können. Einen Dandy von reinem Wasser macht die Liebe
lächerlich, die keine sorgfältige Pflege der Toilette zuläßt, wie sich schon bei Hamlet---


mit ganz aufgerissenem Wams,
Kein Hut ans seinem Kopf, die Strümpfe schmuzig,
Und losgebunden ans den Knöcheln hängend,

zeigt. Seine Feuerfestigkeit gegen die Leidenschaft der Liebe machte Brnmmell
gerade zu einem beliebten Gesellschafter der Damen, mit denen er Verse machte
oder stickte. An dem lebendigen politischen Leben jener Zeit, wo die vornehmstell


Einen ebenbürtigen Gegner fand unser Dandy einmal, wo er ihn nicht erwartet
hatte. Das Westend von London, die Stadt der Fashion ist streng geschieden
von der City, der Stadt der Geschäfte, und Brummel affectirte über ihre Lage
eine Unwissenheit, die so weit ging, daß er sich erkundigte, wo man unterwegs
die Pferde wechsele. Seinen Charakter als Mann der Fashion wünschte
er so viel als möglich von jeder Berührung mit der philisterhasten und
vulgairen City frei zu erhalten, und als einmal ein reicher Handelsherr ihn
zum Essen einlud, gab er zur Antwort: „Nun ja, ich will kommen, aber
versprechen Sie mir, Niemandem etwas davou zu sagen." Doch nicht immer
war Brnmmell so difficil, denn die reichen Kaufleute der City hatten viel Geld
zu verspielen, und Brummen gewann gern. Einmal spielte er im Club mit dem
berühmten Brauer, Alderman Combes, der hinter einander an ihn 23 Marken, zu
26 Guineen je,de, verlor. Brnmmell strich das Geld ein, stand auf, und sagte mit
einer höflichen Verbeugung: „Ich danke schon, Alderman, in Zukunft werde ich
meinen Porter nnr von Ihnen trinken." — „Schon gut," erwiderte ruhig der Alder¬
man, „ich wollte nur, alle andere Taugenichtse in London folgten Ihrem Beispiel."
Brnmmell scheint darauf keine passende Autwort gefunden zu haben; wahrschein¬
lich nahm er sich im Stillen vor, sich in Zukunft mit so grobem Bürgerpack nicht
mehr abzugeben. Jedenfalls waren seine gewöhnlichen Kreise ein günstigerer Boden
für die Ausübung seines besondern Talents, das sich manchmal bis zu wahrhaft
genialer Unverschämtheit zu erheben wußte. Eines Morgens trat Brnmmell in
das Zimmer eines seiner hochgebornen Freunde, auf dessen Schlosse er zu Besuch
war, und kündigte ihm mit großer Lebhaftigkeit und allem Anschein der Aufriß
tigkeit an, daß er zu seinem größten Leidwesen genöthigt sei, schleunigst abzureisen.
— „Sie wollten ja einen ganzen Monat bleiben!" entgegnet der Wirth. — „Frei¬
lich, freilich, aber ich muß durchaus fort." — „Aber warum deun?" — „Hin... weil
ich in Ihre Frau verliebt bin." — „Was thut das, bester Freund? Das ist mir
auch so gegangen. Ist sie aber in Sie verliebt?" — Der Dandy schweigt eine
Weile, und sagt dann endlich halblaut: „Das ist's ja eben; ich glaube nicht daran
zweifeln zu können."— „Ja, dann nehmen Sie Postpferde!" sagt nnn der Ehemann.

Die Leidenschaft auf Brnmmells Seite wird wol nicht sehr stark gewesen
sein. Charaktere seiner Art find viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich
ernstlich verlieben zu können. Einen Dandy von reinem Wasser macht die Liebe
lächerlich, die keine sorgfältige Pflege der Toilette zuläßt, wie sich schon bei Hamlet-—


mit ganz aufgerissenem Wams,
Kein Hut ans seinem Kopf, die Strümpfe schmuzig,
Und losgebunden ans den Knöcheln hängend,

zeigt. Seine Feuerfestigkeit gegen die Leidenschaft der Liebe machte Brnmmell
gerade zu einem beliebten Gesellschafter der Damen, mit denen er Verse machte
oder stickte. An dem lebendigen politischen Leben jener Zeit, wo die vornehmstell


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/424>, abgerufen am 23.07.2024.