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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Diese lange Dienstzeit ist für ein Volk, das so viele natürliche kriegerische Anla¬
gen besitzt, entschieden zu lange. Der Soldat wird unnütz seinem frühern Ge¬
schäft entfremdet, und findet später nur mit Mühe ein Unterkommen. Die
lange Dienstzeit wird deshalb auch von der anarchischen Partei als wirksamer Hebel
benutzt, um die Armee für sich zu gewinnen. Mau kann häusig von den Sol¬
daten die Worte hören: "Wenn die wahren Republikaner an die Herrschaft kom¬
men, hat man uns gesagt, brauchen wir nur 2 --Z Jahre zu dienen." Daß
übrigens diese lange Dienstzeit, welche die Leute gerade in dem besten Alter von
22--27 Jahren im Gliede hält, die Soldaten abgehärteter macht und an das
Ertragen von Strapazen aller Art gewöhnt, ist nicht zu läugnen. Das
französische Regiment ist fast stets ans dem Marsch, "ud führt ein wahres No¬
madenleben. Heute steht es z. B. in Straßbnrg, und nimmt seinen Ersatz aus
derben Elsassern, morgen marschirt es nach Paris, wo es vielleicht -1--2 Jahre
bleibt und sich ans Parisern rccrutirt; daun geht es nach Perpignan, und erhält
dort Basken, und von dort vielleicht nach Algerien oder Rom. So findet man
in derselben Compagnie häufig Söhne der verschiedensten Provinzen Frankreichs,
und die provinzielle Eigenthümlichkeit der Truppenkörper wird dadurch gänzlich
verwischt. Ob dies in Preußen auch der Fall sei, fragten die französischen Sol¬
daten viel, nud wenn ich ihnen sagte, daß dort dieselben Regimenter sich dauernd
aus denselben Provinzen recrutiren, in der Regel aus deu Provinzen ihrer festen
Garnison, so meinten sie, "das müsse sehr beqnem für die Soldaten sein."

Uebrigens darf ich nicht verhehlen, daß ich Antheil und Achtung vor dem
preußischen Heere bei meiner letzten Reise durch Frankreich im Sommer 18ö-I
sehr verringert faud, und namentlich von den höheren Officieren viele Scherze und
Sarkasmen zu hören hatte über die unglücklichen Kriegsversnche und die nor¬
dische Allianz u. s. w. Indeß galten diese Bemerkungen immer mehr dein
Staate, der in Frankreich jetzt alles Ansehen verloren hat, alö dem preußische"
Heere. Und merkwürdig, obgleich der französische Militair von dem östreichische"
Staate mit viel größerer Achtung spricht, so hat mau gegen das östreichische
Heer doch uur tiefe Abneigung. Der Soldat selbst erkennt den preußischen als
seinen Kameraden an, nicht aber den östreichischen, da man ja nicht wisse"
könne, ob dieser nicht schon gestohlen oder Stockschläge erhalten habe. Daß ">
den östreichischen Regimentern Diebe svrtdienen können, und die Soldaten der¬
selben mit Schlägen und Spießrnthenlaufeu bestraft werden, weiß der Franzose,
und da er die verschiedenen Nationalitäten Oestreichs kaum dem Namen nach kennt,
so nimmt er sich die Freiheit, sie für barbarischer zu halten, als die Kabylen w
Algerien.

Ein großer Hebel, Disciplin und militärisches Ehrgefühl im Heere aufrecht
zu erhalten, ist die Aussicht, die jedem Soldaten offen steht, sich durch untadel-
hafteS Benehmen zu deu höchsten militairischen Würden emporzuschwingen-


Diese lange Dienstzeit ist für ein Volk, das so viele natürliche kriegerische Anla¬
gen besitzt, entschieden zu lange. Der Soldat wird unnütz seinem frühern Ge¬
schäft entfremdet, und findet später nur mit Mühe ein Unterkommen. Die
lange Dienstzeit wird deshalb auch von der anarchischen Partei als wirksamer Hebel
benutzt, um die Armee für sich zu gewinnen. Mau kann häusig von den Sol¬
daten die Worte hören: „Wenn die wahren Republikaner an die Herrschaft kom¬
men, hat man uns gesagt, brauchen wir nur 2 —Z Jahre zu dienen." Daß
übrigens diese lange Dienstzeit, welche die Leute gerade in dem besten Alter von
22—27 Jahren im Gliede hält, die Soldaten abgehärteter macht und an das
Ertragen von Strapazen aller Art gewöhnt, ist nicht zu läugnen. Das
französische Regiment ist fast stets ans dem Marsch, »ud führt ein wahres No¬
madenleben. Heute steht es z. B. in Straßbnrg, und nimmt seinen Ersatz aus
derben Elsassern, morgen marschirt es nach Paris, wo es vielleicht -1—2 Jahre
bleibt und sich ans Parisern rccrutirt; daun geht es nach Perpignan, und erhält
dort Basken, und von dort vielleicht nach Algerien oder Rom. So findet man
in derselben Compagnie häufig Söhne der verschiedensten Provinzen Frankreichs,
und die provinzielle Eigenthümlichkeit der Truppenkörper wird dadurch gänzlich
verwischt. Ob dies in Preußen auch der Fall sei, fragten die französischen Sol¬
daten viel, nud wenn ich ihnen sagte, daß dort dieselben Regimenter sich dauernd
aus denselben Provinzen recrutiren, in der Regel aus deu Provinzen ihrer festen
Garnison, so meinten sie, „das müsse sehr beqnem für die Soldaten sein."

Uebrigens darf ich nicht verhehlen, daß ich Antheil und Achtung vor dem
preußischen Heere bei meiner letzten Reise durch Frankreich im Sommer 18ö-I
sehr verringert faud, und namentlich von den höheren Officieren viele Scherze und
Sarkasmen zu hören hatte über die unglücklichen Kriegsversnche und die nor¬
dische Allianz u. s. w. Indeß galten diese Bemerkungen immer mehr dein
Staate, der in Frankreich jetzt alles Ansehen verloren hat, alö dem preußische»
Heere. Und merkwürdig, obgleich der französische Militair von dem östreichische»
Staate mit viel größerer Achtung spricht, so hat mau gegen das östreichische
Heer doch uur tiefe Abneigung. Der Soldat selbst erkennt den preußischen als
seinen Kameraden an, nicht aber den östreichischen, da man ja nicht wisse»
könne, ob dieser nicht schon gestohlen oder Stockschläge erhalten habe. Daß «>
den östreichischen Regimentern Diebe svrtdienen können, und die Soldaten der¬
selben mit Schlägen und Spießrnthenlaufeu bestraft werden, weiß der Franzose,
und da er die verschiedenen Nationalitäten Oestreichs kaum dem Namen nach kennt,
so nimmt er sich die Freiheit, sie für barbarischer zu halten, als die Kabylen w
Algerien.

Ein großer Hebel, Disciplin und militärisches Ehrgefühl im Heere aufrecht
zu erhalten, ist die Aussicht, die jedem Soldaten offen steht, sich durch untadel-
hafteS Benehmen zu deu höchsten militairischen Würden emporzuschwingen-


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[0418] Diese lange Dienstzeit ist für ein Volk, das so viele natürliche kriegerische Anla¬ gen besitzt, entschieden zu lange. Der Soldat wird unnütz seinem frühern Ge¬ schäft entfremdet, und findet später nur mit Mühe ein Unterkommen. Die lange Dienstzeit wird deshalb auch von der anarchischen Partei als wirksamer Hebel benutzt, um die Armee für sich zu gewinnen. Mau kann häusig von den Sol¬ daten die Worte hören: „Wenn die wahren Republikaner an die Herrschaft kom¬ men, hat man uns gesagt, brauchen wir nur 2 —Z Jahre zu dienen." Daß übrigens diese lange Dienstzeit, welche die Leute gerade in dem besten Alter von 22—27 Jahren im Gliede hält, die Soldaten abgehärteter macht und an das Ertragen von Strapazen aller Art gewöhnt, ist nicht zu läugnen. Das französische Regiment ist fast stets ans dem Marsch, »ud führt ein wahres No¬ madenleben. Heute steht es z. B. in Straßbnrg, und nimmt seinen Ersatz aus derben Elsassern, morgen marschirt es nach Paris, wo es vielleicht -1—2 Jahre bleibt und sich ans Parisern rccrutirt; daun geht es nach Perpignan, und erhält dort Basken, und von dort vielleicht nach Algerien oder Rom. So findet man in derselben Compagnie häufig Söhne der verschiedensten Provinzen Frankreichs, und die provinzielle Eigenthümlichkeit der Truppenkörper wird dadurch gänzlich verwischt. Ob dies in Preußen auch der Fall sei, fragten die französischen Sol¬ daten viel, nud wenn ich ihnen sagte, daß dort dieselben Regimenter sich dauernd aus denselben Provinzen recrutiren, in der Regel aus deu Provinzen ihrer festen Garnison, so meinten sie, „das müsse sehr beqnem für die Soldaten sein." Uebrigens darf ich nicht verhehlen, daß ich Antheil und Achtung vor dem preußischen Heere bei meiner letzten Reise durch Frankreich im Sommer 18ö-I sehr verringert faud, und namentlich von den höheren Officieren viele Scherze und Sarkasmen zu hören hatte über die unglücklichen Kriegsversnche und die nor¬ dische Allianz u. s. w. Indeß galten diese Bemerkungen immer mehr dein Staate, der in Frankreich jetzt alles Ansehen verloren hat, alö dem preußische» Heere. Und merkwürdig, obgleich der französische Militair von dem östreichische» Staate mit viel größerer Achtung spricht, so hat mau gegen das östreichische Heer doch uur tiefe Abneigung. Der Soldat selbst erkennt den preußischen als seinen Kameraden an, nicht aber den östreichischen, da man ja nicht wisse» könne, ob dieser nicht schon gestohlen oder Stockschläge erhalten habe. Daß «> den östreichischen Regimentern Diebe svrtdienen können, und die Soldaten der¬ selben mit Schlägen und Spießrnthenlaufeu bestraft werden, weiß der Franzose, und da er die verschiedenen Nationalitäten Oestreichs kaum dem Namen nach kennt, so nimmt er sich die Freiheit, sie für barbarischer zu halten, als die Kabylen w Algerien. Ein großer Hebel, Disciplin und militärisches Ehrgefühl im Heere aufrecht zu erhalten, ist die Aussicht, die jedem Soldaten offen steht, sich durch untadel- hafteS Benehmen zu deu höchsten militairischen Würden emporzuschwingen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/418>, abgerufen am 23.07.2024.