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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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treffliche, an Jahren noch junge und thatkräftige, aber durch mannichfache militairi-
sche Erfahrungen bewährte höhere Officiere.,

Diese große Sucht uach Ruhm und Ehre gegen einen auswärtigen Feind
macht auch, daß im Heere die Erwählung von Louis Napoleon zum Präsidenten
mit so großem Jubel aufgenommen wurde. War er doch ein Neffe des Mannes,
von dem an sich die Geschichte der jetzigen französischen Armee datirt. Ich war
zufällig im Alpenlager unweit Lyon, als diese Erwählung erfolgte, und Zeuge
des allgemeinen Enthusiasmus. Allgemein glaubte man, daß der Krieg bald be¬
ginnen werde, hoffte auf deu Einmarsch in Italien, aus Kampf gegen die Oest¬
reicher. Ganz Italien zu erobern, und ein einziges Reich unter dem Schutze
Frankreichs daraus zu bilden, war der Hauptgedanke der Soldaten; an die
Nheingrenze, dieses frühere Steckenpferd der Franzosen, dachten sie wenig mehr.
Es ist auffallend, welche Sympathie gerade jetzt im französischen Heere für die
Italiener herrscht. Der Franzose betrachtet die Italiener als seine halben Lands-
leute, und ist wüthend darüber, daß diese unter dem Haslinger sich beugen
müssen. Ich war z. B. Zeuge, wie unter den Officieren eines französische"
Bataillons in Algier eine Zeitungsnachricht vorgelesen wurde, daß in Mailand
auf Befehl der östreichischen Commandanten auch Frauen mit Stockschlägen be¬
handelt würden. Die Erbitterung der lebhaften Franzosen äußerte sich bei Ein¬
zelnen in wahren Wuthausbrüchen.

Die anfängliche Begeisterung im Heere für den Präsidenten ist jetzt sehr
geschwunden, und vielfach hört man ein Bedauern darüber äußern, daß man
gerade ihn und nicht einen der Generale -- am häusigsten hörte ich Cavaignac
nennen --^ gewählt habe. Sein Name übt aber dennoch immer nicht geringen
Zauber aus, und sichert ihm auf lange eine nicht unbedeutende Partei. Diese An¬
hänglichkeit an den Kaiser und seine Zeit ist im französischen Heere förmlich ein
Cultus geworden. Seine gewaltige Erscheinung, der Artillerielieutenant durch
den Willen des französischen Volkes Kaiser der Franzosen, durch die Kraft seines
Degens und den Muth seiner Soldaten Gebieter von Europa, hat den Legitt-
mismus, nach unsrem deutschen Begriff, bis aus die letzte Spur im französische"
Heere ausgerottet, und nie wird derselbe wieder Wurzel in derselben schlagen-
Einige vou Geburt vornehme Officiere denken wol noch mit Schmerz an die
"gute, alte Zeit", wo ihre Ahnen ihnen das Hauptmannspatent schon in der
Wiege verschafften, während jetzt der Sohn des ärmsten Korporals gleiches Anrecht
darauf hat, und wünschen den Grafen von Chambord als Henri V. zurück; der un¬
geheuren Mehrheit des Heeres ist derselbe aber eine höchst gleichgiltige,- ja komische
Persönlichkeit. Wollte heilte Henri V. in Frankreich das Lilicnbanner der Bourbons
aufpflanzen, ich fürchte, allgemeines Gelächter im Heere würde ihm antworten.-

Obgleich die Strafen für Vergehen sehr streug siud, und bei Jnsubordina
tiouSfällen ein französisches Kriegsgericht schon auf Tod erkennt, wo ein deutsches


treffliche, an Jahren noch junge und thatkräftige, aber durch mannichfache militairi-
sche Erfahrungen bewährte höhere Officiere.,

Diese große Sucht uach Ruhm und Ehre gegen einen auswärtigen Feind
macht auch, daß im Heere die Erwählung von Louis Napoleon zum Präsidenten
mit so großem Jubel aufgenommen wurde. War er doch ein Neffe des Mannes,
von dem an sich die Geschichte der jetzigen französischen Armee datirt. Ich war
zufällig im Alpenlager unweit Lyon, als diese Erwählung erfolgte, und Zeuge
des allgemeinen Enthusiasmus. Allgemein glaubte man, daß der Krieg bald be¬
ginnen werde, hoffte auf deu Einmarsch in Italien, aus Kampf gegen die Oest¬
reicher. Ganz Italien zu erobern, und ein einziges Reich unter dem Schutze
Frankreichs daraus zu bilden, war der Hauptgedanke der Soldaten; an die
Nheingrenze, dieses frühere Steckenpferd der Franzosen, dachten sie wenig mehr.
Es ist auffallend, welche Sympathie gerade jetzt im französischen Heere für die
Italiener herrscht. Der Franzose betrachtet die Italiener als seine halben Lands-
leute, und ist wüthend darüber, daß diese unter dem Haslinger sich beugen
müssen. Ich war z. B. Zeuge, wie unter den Officieren eines französische»
Bataillons in Algier eine Zeitungsnachricht vorgelesen wurde, daß in Mailand
auf Befehl der östreichischen Commandanten auch Frauen mit Stockschlägen be¬
handelt würden. Die Erbitterung der lebhaften Franzosen äußerte sich bei Ein¬
zelnen in wahren Wuthausbrüchen.

Die anfängliche Begeisterung im Heere für den Präsidenten ist jetzt sehr
geschwunden, und vielfach hört man ein Bedauern darüber äußern, daß man
gerade ihn und nicht einen der Generale — am häusigsten hörte ich Cavaignac
nennen —^ gewählt habe. Sein Name übt aber dennoch immer nicht geringen
Zauber aus, und sichert ihm auf lange eine nicht unbedeutende Partei. Diese An¬
hänglichkeit an den Kaiser und seine Zeit ist im französischen Heere förmlich ein
Cultus geworden. Seine gewaltige Erscheinung, der Artillerielieutenant durch
den Willen des französischen Volkes Kaiser der Franzosen, durch die Kraft seines
Degens und den Muth seiner Soldaten Gebieter von Europa, hat den Legitt-
mismus, nach unsrem deutschen Begriff, bis aus die letzte Spur im französische"
Heere ausgerottet, und nie wird derselbe wieder Wurzel in derselben schlagen-
Einige vou Geburt vornehme Officiere denken wol noch mit Schmerz an die
„gute, alte Zeit", wo ihre Ahnen ihnen das Hauptmannspatent schon in der
Wiege verschafften, während jetzt der Sohn des ärmsten Korporals gleiches Anrecht
darauf hat, und wünschen den Grafen von Chambord als Henri V. zurück; der un¬
geheuren Mehrheit des Heeres ist derselbe aber eine höchst gleichgiltige,- ja komische
Persönlichkeit. Wollte heilte Henri V. in Frankreich das Lilicnbanner der Bourbons
aufpflanzen, ich fürchte, allgemeines Gelächter im Heere würde ihm antworten.-

Obgleich die Strafen für Vergehen sehr streug siud, und bei Jnsubordina
tiouSfällen ein französisches Kriegsgericht schon auf Tod erkennt, wo ein deutsches


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[0416] treffliche, an Jahren noch junge und thatkräftige, aber durch mannichfache militairi- sche Erfahrungen bewährte höhere Officiere., Diese große Sucht uach Ruhm und Ehre gegen einen auswärtigen Feind macht auch, daß im Heere die Erwählung von Louis Napoleon zum Präsidenten mit so großem Jubel aufgenommen wurde. War er doch ein Neffe des Mannes, von dem an sich die Geschichte der jetzigen französischen Armee datirt. Ich war zufällig im Alpenlager unweit Lyon, als diese Erwählung erfolgte, und Zeuge des allgemeinen Enthusiasmus. Allgemein glaubte man, daß der Krieg bald be¬ ginnen werde, hoffte auf deu Einmarsch in Italien, aus Kampf gegen die Oest¬ reicher. Ganz Italien zu erobern, und ein einziges Reich unter dem Schutze Frankreichs daraus zu bilden, war der Hauptgedanke der Soldaten; an die Nheingrenze, dieses frühere Steckenpferd der Franzosen, dachten sie wenig mehr. Es ist auffallend, welche Sympathie gerade jetzt im französischen Heere für die Italiener herrscht. Der Franzose betrachtet die Italiener als seine halben Lands- leute, und ist wüthend darüber, daß diese unter dem Haslinger sich beugen müssen. Ich war z. B. Zeuge, wie unter den Officieren eines französische» Bataillons in Algier eine Zeitungsnachricht vorgelesen wurde, daß in Mailand auf Befehl der östreichischen Commandanten auch Frauen mit Stockschlägen be¬ handelt würden. Die Erbitterung der lebhaften Franzosen äußerte sich bei Ein¬ zelnen in wahren Wuthausbrüchen. Die anfängliche Begeisterung im Heere für den Präsidenten ist jetzt sehr geschwunden, und vielfach hört man ein Bedauern darüber äußern, daß man gerade ihn und nicht einen der Generale — am häusigsten hörte ich Cavaignac nennen —^ gewählt habe. Sein Name übt aber dennoch immer nicht geringen Zauber aus, und sichert ihm auf lange eine nicht unbedeutende Partei. Diese An¬ hänglichkeit an den Kaiser und seine Zeit ist im französischen Heere förmlich ein Cultus geworden. Seine gewaltige Erscheinung, der Artillerielieutenant durch den Willen des französischen Volkes Kaiser der Franzosen, durch die Kraft seines Degens und den Muth seiner Soldaten Gebieter von Europa, hat den Legitt- mismus, nach unsrem deutschen Begriff, bis aus die letzte Spur im französische" Heere ausgerottet, und nie wird derselbe wieder Wurzel in derselben schlagen- Einige vou Geburt vornehme Officiere denken wol noch mit Schmerz an die „gute, alte Zeit", wo ihre Ahnen ihnen das Hauptmannspatent schon in der Wiege verschafften, während jetzt der Sohn des ärmsten Korporals gleiches Anrecht darauf hat, und wünschen den Grafen von Chambord als Henri V. zurück; der un¬ geheuren Mehrheit des Heeres ist derselbe aber eine höchst gleichgiltige,- ja komische Persönlichkeit. Wollte heilte Henri V. in Frankreich das Lilicnbanner der Bourbons aufpflanzen, ich fürchte, allgemeines Gelächter im Heere würde ihm antworten.- Obgleich die Strafen für Vergehen sehr streug siud, und bei Jnsubordina tiouSfällen ein französisches Kriegsgericht schon auf Tod erkennt, wo ein deutsches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/416>, abgerufen am 23.07.2024.