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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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möchte, die um alle Schätze der Welt ihre bescheidene Existenz nicht gegen diesen
geistesarmen Reichthum vertauschen möchten.

Klein an Zahl, aber mächtig als Repräsentanten eines der wichtigste"
Momente in dem Leben des WupperthaleS, steht neben, uuter und selbst über
dein Fabrikanten und Kaufmann -- die protestantische Geistlichkeit. Nur im
Vorbeigehen erwähne ich, was vielleicht den Unkundigen befremden wird, daß die
katholische Gemeinde allein in Elberfeld noch die sehr beträchtliche Zahl von
13,000 Köpfen und darüber umfaßt. Dennoch kommt sie wenig in Betracht,
sofern von angeseheneren Kaufleuten kaum ein Paar, von Fabrikanten keiner zu
ihr zählt, während sie in der Mehrzahl ihrer armen Mitglieder protestantischen
Reichthum dienstbar und gleichsam von dessen Gnade nur eMirt. Diesem auch
verdankt sie vorzugsweise ihr ziemlich stattliches Gotteshaus, das protestantischer
Eifer zwar nicht ungern v v r die Stadt exilirt hätte, während ihm das Schicksal
den hübschesten Platz in der Stadt zum Dasein angewiesen hat. Sonst ignorirt
man sie möglichst, obgleich die katholische Gemeinde hier und da ein Gegenstand stiller
Sorge für dieEifrer der herrschenden Religionsparteien wird, besonders seitdem hier
einmal der katholische Eifer durch deu protestantischen zu ganz analogen Be¬
mühungen wie dieser ans dem Gebiete der Volksbearbeitung veranlaßt worden.

Doch wir wende" uns zu den Auserwählten und ihrer Schaar, zu denen,
die da vorzugsweise, nicht ohne schwärmerischen Blick und mit sanft betonter
Stimme sagen: "das Thal", "wir hier im Thale" -- während das Volk nicht
ohne ein gewisses Air von Schalkheit, respective Spott, sagt: "das Wupperthal."

Ein wildes Rollen von Wagen, lange Reihen von Equipagen, mit festtäglich
geputzten Besitzern in seiertäglicher Miene erregt unsere Neugier, und wir
erfahren ans unsere Frage -- "man hole deu Herrn Pastor ein!" Hat die Be¬
grüßung des hohen Herrn mit der gehörigen Devotion etwa eine Stunde vor
dem neuen Orte seiner Bestimmung stattgefunden, so bewegt sich, den Auserwählte"
voran, der feierliche Zug mit möglichstem Geräusch und so viel thunlich durch
die ganze Länge der Stadt nach der Pfarrwohnung, wo sich die Ceremonie der
ehrerbietigsten Bewillkommnung wiederholt. Kirchliche Feier, Festmahl nebst obligate"
Festreden und Toasteu ohne Zahl verherrliche" des Tages Ereigniß. Damit der
neue Diener im Herrn wirken könne, ohne die Noth der Zeitlichkeit M
empfinden, hat man ihm sticht allein ein reichliches Einkommen gesichert, sonder"
ihm anch eine Hütte gebaut, und sie auch versehen mit allem Hausrath, wu"
Allem, was des Lebens Nothdurft, ja Ueberfluß erfordert zum Wohnen, Kleide",
Esse" und Trinken^ und wäre er bereits gesegnet mit Weib und Kind, anch
diese bis herab zum Wiegenpferd und zur Puppenstube. Ohne Zweifel c>"
ehrendes Zeugniß praktischen Sinnes, und wie hoch mau den Diener des Wortes
hält. Es gilt dies für alle Bekenntnisse, wie scharf sonst anch die Sonderling


möchte, die um alle Schätze der Welt ihre bescheidene Existenz nicht gegen diesen
geistesarmen Reichthum vertauschen möchten.

Klein an Zahl, aber mächtig als Repräsentanten eines der wichtigste»
Momente in dem Leben des WupperthaleS, steht neben, uuter und selbst über
dein Fabrikanten und Kaufmann — die protestantische Geistlichkeit. Nur im
Vorbeigehen erwähne ich, was vielleicht den Unkundigen befremden wird, daß die
katholische Gemeinde allein in Elberfeld noch die sehr beträchtliche Zahl von
13,000 Köpfen und darüber umfaßt. Dennoch kommt sie wenig in Betracht,
sofern von angeseheneren Kaufleuten kaum ein Paar, von Fabrikanten keiner zu
ihr zählt, während sie in der Mehrzahl ihrer armen Mitglieder protestantischen
Reichthum dienstbar und gleichsam von dessen Gnade nur eMirt. Diesem auch
verdankt sie vorzugsweise ihr ziemlich stattliches Gotteshaus, das protestantischer
Eifer zwar nicht ungern v v r die Stadt exilirt hätte, während ihm das Schicksal
den hübschesten Platz in der Stadt zum Dasein angewiesen hat. Sonst ignorirt
man sie möglichst, obgleich die katholische Gemeinde hier und da ein Gegenstand stiller
Sorge für dieEifrer der herrschenden Religionsparteien wird, besonders seitdem hier
einmal der katholische Eifer durch deu protestantischen zu ganz analogen Be¬
mühungen wie dieser ans dem Gebiete der Volksbearbeitung veranlaßt worden.

Doch wir wende» uns zu den Auserwählten und ihrer Schaar, zu denen,
die da vorzugsweise, nicht ohne schwärmerischen Blick und mit sanft betonter
Stimme sagen: „das Thal", „wir hier im Thale" — während das Volk nicht
ohne ein gewisses Air von Schalkheit, respective Spott, sagt: „das Wupperthal."

Ein wildes Rollen von Wagen, lange Reihen von Equipagen, mit festtäglich
geputzten Besitzern in seiertäglicher Miene erregt unsere Neugier, und wir
erfahren ans unsere Frage — „man hole deu Herrn Pastor ein!" Hat die Be¬
grüßung des hohen Herrn mit der gehörigen Devotion etwa eine Stunde vor
dem neuen Orte seiner Bestimmung stattgefunden, so bewegt sich, den Auserwählte»
voran, der feierliche Zug mit möglichstem Geräusch und so viel thunlich durch
die ganze Länge der Stadt nach der Pfarrwohnung, wo sich die Ceremonie der
ehrerbietigsten Bewillkommnung wiederholt. Kirchliche Feier, Festmahl nebst obligate»
Festreden und Toasteu ohne Zahl verherrliche» des Tages Ereigniß. Damit der
neue Diener im Herrn wirken könne, ohne die Noth der Zeitlichkeit M
empfinden, hat man ihm sticht allein ein reichliches Einkommen gesichert, sonder»
ihm anch eine Hütte gebaut, und sie auch versehen mit allem Hausrath, wu"
Allem, was des Lebens Nothdurft, ja Ueberfluß erfordert zum Wohnen, Kleide»,
Esse» und Trinken^ und wäre er bereits gesegnet mit Weib und Kind, anch
diese bis herab zum Wiegenpferd und zur Puppenstube. Ohne Zweifel c>»
ehrendes Zeugniß praktischen Sinnes, und wie hoch mau den Diener des Wortes
hält. Es gilt dies für alle Bekenntnisse, wie scharf sonst anch die Sonderling


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/370>, abgerufen am 23.07.2024.