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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Wirkung auf die Deutschen, selbst ans das Ausland, denn wo die Lust zu Land-
schaftögärten noch nicht erwacht war, wurde sie durch die lebendigen Schilderungen
cnunnthiger Landschafts- und Garteubilder, in welcher H. große Meisterschaft
besaß, angeregt. Er war zwar sehr für den natürlichen Geschmack eingenommen,
aber man beschuldigt ihn mit Unrecht der Anglomanie, denn er stellte die Gärten
Englands keineswegs als Muster aus, und suchte anch die Rechte der Regelmäßig¬
keit festzustellen. Sein Bestreben ging vorzüglich dahin, durch eine glückliche Ver¬
bindung des alten und neuen Styls einen "deutschen Garten" zu gründen,
eine Idee, die von vielen Zeitgenossen beifällig aufgenommen wurde, und ganz
verständig war. Doch auch nachtheilig wirkte Hirschfeld, denn da er keine klare,
praktische Anleitung geben konnte, so stellte er Alles zu leicht hin, und verleitete
zu dem Glauben, jeder Grundbesitzer von Geschmack und Gefühl könne ohne
weiteres einen Landschastsgarten anlege". -- Um diese Zeit entstanden eine
Menge von Jahrbüchern der Gartenkunst, unter den Titeln Taschenbücher, Gar¬
tenkalender, Gartenmagazine u. s. w., die sich sämmtlich meistens mit den Land¬
schaftsgärten zu thun machten, und worin in Hirschfeld's Weise darüber geschrieben
wurde. Aber auch andere belletristische Schriften befaßten sich mit der Garten¬
kunst, namentlich brachte Wieland's Mercur manche schätzbare Abhandlung. Selbst
Männer, denen dieses Feld sonst fremd war, nahmen Theil an der Polemik über
die Gestaltung der Gartenkunst in Deutschland, z. B. der Philosoph Garve,
Bonnstettcn, selbst Schiller. Die Streitsrage war meistens, ob der alte
regelmäßige oder der neue Styl den Vorzug verdiene. Der Regelmäßigkeit
wurde besonders wieder das Wort gesprochen, als man durch den landschaftlichen
Styl so viel Jämmerliches und Schlechtes geschaffen. Der Hauptinhalt der
Werke über Gartenkunst war indeß beschreibender Natur, indem die meisten neu
entstehenden Landschaftögärten Veranlassung zu der glänzendsten Schilderung gaben,
wenn sie auch höchst unbedeutend waren, und, die Kunst vielleicht nichts als die
Wege geschaffen hatte. Die Schilderung der Empfindung des Besuchenden, der
Inschriften, Fernsichten und Gebäuden, s. w. war dabei meistens die Hauptsache;
vou dem eigentlichen Garten, von einer kritischen Betrachtung und malerischen
Auffassung war nur selten die Rede. Die Lieblingsidee der damaligen Schrift¬
steller, etwas selbstständig Deutsches zu schaffen, weil die "engländischen" Parks
einerseits unnachahmlich, andererseits für Deutschland nicht passend seien, führte
eifrige Patrioten so weit, daß sie z. B. preußische Gärten vorschlugen, worin,
anstatt der heidnischen Statuen, unter vaterländischen Kiefern und Birken die
Grenadiere des großen Friedrich aufgestellt werben sollten. -- Der hervor¬
ragendste Schriftsteller bis zum Ende des Jahrhunderts und eigentlich der erste
selbstständige war nach Hirschfeld der Fürst vou Ligne, ein geborener Nieder¬
länder, aber im Dienste der kaiserlichen Arme und deutscher Grundbesitzer, den,
wie er selbst sagt, die Liebe zur Gartenkunst dnrch alle Länder Europa's trieb.


Wirkung auf die Deutschen, selbst ans das Ausland, denn wo die Lust zu Land-
schaftögärten noch nicht erwacht war, wurde sie durch die lebendigen Schilderungen
cnunnthiger Landschafts- und Garteubilder, in welcher H. große Meisterschaft
besaß, angeregt. Er war zwar sehr für den natürlichen Geschmack eingenommen,
aber man beschuldigt ihn mit Unrecht der Anglomanie, denn er stellte die Gärten
Englands keineswegs als Muster aus, und suchte anch die Rechte der Regelmäßig¬
keit festzustellen. Sein Bestreben ging vorzüglich dahin, durch eine glückliche Ver¬
bindung des alten und neuen Styls einen „deutschen Garten" zu gründen,
eine Idee, die von vielen Zeitgenossen beifällig aufgenommen wurde, und ganz
verständig war. Doch auch nachtheilig wirkte Hirschfeld, denn da er keine klare,
praktische Anleitung geben konnte, so stellte er Alles zu leicht hin, und verleitete
zu dem Glauben, jeder Grundbesitzer von Geschmack und Gefühl könne ohne
weiteres einen Landschastsgarten anlege». — Um diese Zeit entstanden eine
Menge von Jahrbüchern der Gartenkunst, unter den Titeln Taschenbücher, Gar¬
tenkalender, Gartenmagazine u. s. w., die sich sämmtlich meistens mit den Land¬
schaftsgärten zu thun machten, und worin in Hirschfeld's Weise darüber geschrieben
wurde. Aber auch andere belletristische Schriften befaßten sich mit der Garten¬
kunst, namentlich brachte Wieland's Mercur manche schätzbare Abhandlung. Selbst
Männer, denen dieses Feld sonst fremd war, nahmen Theil an der Polemik über
die Gestaltung der Gartenkunst in Deutschland, z. B. der Philosoph Garve,
Bonnstettcn, selbst Schiller. Die Streitsrage war meistens, ob der alte
regelmäßige oder der neue Styl den Vorzug verdiene. Der Regelmäßigkeit
wurde besonders wieder das Wort gesprochen, als man durch den landschaftlichen
Styl so viel Jämmerliches und Schlechtes geschaffen. Der Hauptinhalt der
Werke über Gartenkunst war indeß beschreibender Natur, indem die meisten neu
entstehenden Landschaftögärten Veranlassung zu der glänzendsten Schilderung gaben,
wenn sie auch höchst unbedeutend waren, und, die Kunst vielleicht nichts als die
Wege geschaffen hatte. Die Schilderung der Empfindung des Besuchenden, der
Inschriften, Fernsichten und Gebäuden, s. w. war dabei meistens die Hauptsache;
vou dem eigentlichen Garten, von einer kritischen Betrachtung und malerischen
Auffassung war nur selten die Rede. Die Lieblingsidee der damaligen Schrift¬
steller, etwas selbstständig Deutsches zu schaffen, weil die „engländischen" Parks
einerseits unnachahmlich, andererseits für Deutschland nicht passend seien, führte
eifrige Patrioten so weit, daß sie z. B. preußische Gärten vorschlugen, worin,
anstatt der heidnischen Statuen, unter vaterländischen Kiefern und Birken die
Grenadiere des großen Friedrich aufgestellt werben sollten. — Der hervor¬
ragendste Schriftsteller bis zum Ende des Jahrhunderts und eigentlich der erste
selbstständige war nach Hirschfeld der Fürst vou Ligne, ein geborener Nieder¬
länder, aber im Dienste der kaiserlichen Arme und deutscher Grundbesitzer, den,
wie er selbst sagt, die Liebe zur Gartenkunst dnrch alle Länder Europa's trieb.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/340>, abgerufen am 23.07.2024.