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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Statue der Flora schrieb man die Wirkung zu, düsteren Tannen den Charakter
der Lieblichkeit und Freude zu verleihen. Am schlimmste" war es jedoch mit den
Inschriften, durch welche die Gefühle gleichsam mit den Haaren herbeigezogen
Und die Empfindungen vorgeschrieben wurden. Es gab Gärten, in denen alle
Bänke und die schönste" Bäume mit Inschriften bedeckt waren. Aber damit nicht
genug, man schlug sogar vor, die Darstellung von Idyllen auf Blechtafeln zu
Malen, und sie "zur Veredelung des Volks" in den Gärten anzubringen, so wie
die Noten beliebter Volkslieder an die Wände der Gartengebäude zu Malen, und
dergleichen Unsinn mehr. -- Die Anlagen wurden entweder nach den oft unklaren
Ideen der Besitzer ausgeführt, wobei man sich durch die damals sehr verbreiteten
Abbildungen und Austchteu englischer Anlagen belehrte, oder man übertrug sie
einem einheimischen, in seltenen Fällen einem englischen Gärtner oder Architekten.
In beiden Fällen kam mau nicht gut an, denn die einheimischen Gärtner oder
Architekten wußten oft nichts weiter von den englischen Gärten, als daß sie regel¬
los sein müßten, was sie treulich nachzuahmen suchten; waren sie aber ja in Eng¬
land gewesen, so ahmten sie lieber den leichtern Styl Brown's als den malerischen,
schwierigern eines Kent oder Sh enstone nach, denn zu letzterem gehörte künst¬
lerisches Talent, Nachdenken und eine große Erfindungsgabe, zu ersterem nichts
Ah Nachahmung und praktische Geschicklichkeit. Noch schlimmer war man daran,
K'cum man englische Garteilbaumeister kommen ließ; denn da England zu jener
Zeit selbst wenig gute Künstler hatte, so begaben sich nur handwerksmäßige Nach¬
ahmer und unbedeutende Leute in das Ausland.

Endlich, nachdem man über 2 Jahrzehende in der angedeuteten Weise gewirth-
sch"stet hatte, trat auch in Deutschland ein Kämpfer für den guten Geschmack auf.
Es war Christian Cajus Laurenz Hirschfeld, Professor der Philosophie und
Aesthetik in Kiel. Schon -1773 gab er in seinen "Anmerkungen über Landhäuser
und Gartenkunst" Anregung zu vernünftigeren Ideen, und bekämpfte die Aus¬
schweifungen des Geschmacks. Noch klarer und bestimmter sprach er sich 1773
"> seiner kleinen "Theorie der Gartenkunst" aus, worin er die früheren Andeutun¬
gen zu einem Lehrbuche geordnet aufstellte. Diese Schriften waren jedoch nur
Vorläufer eiues großen Wertes, der "Theorie der Gartenkunst", welches 1777-1782
w deutscher und französischer Sprache erschien, und außer der Theorie noch die
Beschreibung der vorzüglichsten damaligen Gärten enthält. Dieses große Werk
(5 Bände) hat neben vielen guten auch sehr schwache Seiten, namentlich hat es
^'n Fehler allzu großer Breite und Unklarheit der ausgesprochenen Gedanken,
deshalb es in mancher Hinsicht hinter dem frühern kleinen Werkchen zurückbleibt.
Auch ist es voll von empfindsamen Ergüssen, idyllischen Gemälden in Geßner's
süßlicher Manier, und ganze Seiten sind mit Gedichten und Citaten angefüllt.
Später gab er mehrere periodische Gartenschriften unter verschiedenen Titeln her¬
aus, und leistete darin vieles Gute. Hirschfeld's Schriften waren von großer


Statue der Flora schrieb man die Wirkung zu, düsteren Tannen den Charakter
der Lieblichkeit und Freude zu verleihen. Am schlimmste» war es jedoch mit den
Inschriften, durch welche die Gefühle gleichsam mit den Haaren herbeigezogen
Und die Empfindungen vorgeschrieben wurden. Es gab Gärten, in denen alle
Bänke und die schönste» Bäume mit Inschriften bedeckt waren. Aber damit nicht
genug, man schlug sogar vor, die Darstellung von Idyllen auf Blechtafeln zu
Malen, und sie „zur Veredelung des Volks" in den Gärten anzubringen, so wie
die Noten beliebter Volkslieder an die Wände der Gartengebäude zu Malen, und
dergleichen Unsinn mehr. — Die Anlagen wurden entweder nach den oft unklaren
Ideen der Besitzer ausgeführt, wobei man sich durch die damals sehr verbreiteten
Abbildungen und Austchteu englischer Anlagen belehrte, oder man übertrug sie
einem einheimischen, in seltenen Fällen einem englischen Gärtner oder Architekten.
In beiden Fällen kam mau nicht gut an, denn die einheimischen Gärtner oder
Architekten wußten oft nichts weiter von den englischen Gärten, als daß sie regel¬
los sein müßten, was sie treulich nachzuahmen suchten; waren sie aber ja in Eng¬
land gewesen, so ahmten sie lieber den leichtern Styl Brown's als den malerischen,
schwierigern eines Kent oder Sh enstone nach, denn zu letzterem gehörte künst¬
lerisches Talent, Nachdenken und eine große Erfindungsgabe, zu ersterem nichts
Ah Nachahmung und praktische Geschicklichkeit. Noch schlimmer war man daran,
K'cum man englische Garteilbaumeister kommen ließ; denn da England zu jener
Zeit selbst wenig gute Künstler hatte, so begaben sich nur handwerksmäßige Nach¬
ahmer und unbedeutende Leute in das Ausland.

Endlich, nachdem man über 2 Jahrzehende in der angedeuteten Weise gewirth-
sch"stet hatte, trat auch in Deutschland ein Kämpfer für den guten Geschmack auf.
Es war Christian Cajus Laurenz Hirschfeld, Professor der Philosophie und
Aesthetik in Kiel. Schon -1773 gab er in seinen „Anmerkungen über Landhäuser
und Gartenkunst" Anregung zu vernünftigeren Ideen, und bekämpfte die Aus¬
schweifungen des Geschmacks. Noch klarer und bestimmter sprach er sich 1773
"> seiner kleinen „Theorie der Gartenkunst" aus, worin er die früheren Andeutun¬
gen zu einem Lehrbuche geordnet aufstellte. Diese Schriften waren jedoch nur
Vorläufer eiues großen Wertes, der „Theorie der Gartenkunst", welches 1777-1782
w deutscher und französischer Sprache erschien, und außer der Theorie noch die
Beschreibung der vorzüglichsten damaligen Gärten enthält. Dieses große Werk
(5 Bände) hat neben vielen guten auch sehr schwache Seiten, namentlich hat es
^'n Fehler allzu großer Breite und Unklarheit der ausgesprochenen Gedanken,
deshalb es in mancher Hinsicht hinter dem frühern kleinen Werkchen zurückbleibt.
Auch ist es voll von empfindsamen Ergüssen, idyllischen Gemälden in Geßner's
süßlicher Manier, und ganze Seiten sind mit Gedichten und Citaten angefüllt.
Später gab er mehrere periodische Gartenschriften unter verschiedenen Titeln her¬
aus, und leistete darin vieles Gute. Hirschfeld's Schriften waren von großer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/339>, abgerufen am 23.07.2024.