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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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ludion und einem Staatsstreiche -- so will es die Logik der Ereignisse; -- wie
der Zufall verhängen werde, dies ist eine andere Frage.

Nach dem so eben Gesagten wird es Niemand Wunder nehmen, daß die
gestrige Sitzung uuter allen Erwartungen geblieben, die man von ihr gehofft.
Dort, wo keine Partei sich in ihren Elementen befindet, kann weder Herz noch
Geist aufgehen. Wäre ich Mitglied der französischen Nationalversammlung gewesen,
gestern würde ich von vorn herein auf Abstimmung angetragen haben. Es giebt frei¬
lich Leute, welche dem Präsidenten zutrauen, er werde sich von den Schlingen,
in denen ihn seine Freunde von der Rechten, wie manche persönliche
Freunde festzuhalten suchen, befreien, und mit dem Volke, mit dem Lande gehen,
dem er seine Erhebung verdankt. Girardin glaubt zum Beispiel auch an diese
Metamorphose -- ich muß darau zweifeln, ich fürchte, es ist zu spät, es ist zu
dunkel geworden, und Louis Bonaparte Muß erst recht outre; <>ü<n, e>, loup
regieren.

Im An-iUrs Italien sieht es gar uicht dunkel aus, und anch nicht so uner¬
quicklich, wie in der Nationalversammlung, denn daselbst giebt es nur eine Partei,
nämlich die vou Sofie Convclli. Sie hat alle Stimmen, obgleich sie mit ihrer
eigenen ganz genug hätte. Wenn man diese wcißbehalStuchte Eleganz mäuulicher-
seits und diese strahlenden Gräfinnen, Herzoginnen n. s. w. der Republik it
10 Franken betrachtet, man würde lachen, spräche man von der Möglichkeit
einer Revolution. Das ist entzückt über ein seltenes als ob es sich um das
Wort Republik in Napoleon'S Munde handelte, das bäumt sich vor Wonne und
Begeisterung uuter einer tragischen Geberde der geliebten Allemaude, als ob die
Welt wirklich dadurch gerettet würde. Es fehlt zu diesem antirevvlutionaircn
Schauspiele gar nichts, nicht einmal der philosophische Hiller, der neue und
alte Opern einstudiren läßt mit einer Ruhe, als ob er wirklich assecurirt wäre,
sein Taktirstvck könne über Nacht uicht in einen Ladestock umgewandelt werden oder in
eine Nationalgardenmuskete. Freilich Fidelio, Don Juan, Figaro's Hochzeit IM-
nen Einen leicht auf Louis Napoleon und auf Persiguy vergesse" macheu, und die
Convclli ist ein schönes politisches Glaubensbekenntniß. Ueber ihre Leistungen
will ich mich uach dem zweimaligen Auftreten noch nicht entschieden aussprechen,
weil ich manches zu tadeln hätte, was vielleicht später als eine subjective Stim¬
mung des Momentes sich herausstellen dürfte. Für den Augenblick genüge es
nur zu wissen, daß sie eine große Sängerin ist. Die, ganze göttliche Mythologie
bat auf sie herabgeleuchtet, und es giebt Leute, die sogar behaupten, sie singe
schön, wenn sie gar nicht singe. Das ist wenigstens eine aufrichtige Taubheit,
die mit den Augen hört, jedenfalls das Unerhörte.

Unsre Theater sind ziemlich thätig, sie sind so rasch mit deu neuen Stücken
bei der Hand, wie die Nationalveisammluug mit ihrer Abstimmung über das
Budget. Wer weinen will, der gehe ins ^mbiAv, Miuüiuv, in die vol^se-monts


ludion und einem Staatsstreiche — so will es die Logik der Ereignisse; — wie
der Zufall verhängen werde, dies ist eine andere Frage.

Nach dem so eben Gesagten wird es Niemand Wunder nehmen, daß die
gestrige Sitzung uuter allen Erwartungen geblieben, die man von ihr gehofft.
Dort, wo keine Partei sich in ihren Elementen befindet, kann weder Herz noch
Geist aufgehen. Wäre ich Mitglied der französischen Nationalversammlung gewesen,
gestern würde ich von vorn herein auf Abstimmung angetragen haben. Es giebt frei¬
lich Leute, welche dem Präsidenten zutrauen, er werde sich von den Schlingen,
in denen ihn seine Freunde von der Rechten, wie manche persönliche
Freunde festzuhalten suchen, befreien, und mit dem Volke, mit dem Lande gehen,
dem er seine Erhebung verdankt. Girardin glaubt zum Beispiel auch an diese
Metamorphose — ich muß darau zweifeln, ich fürchte, es ist zu spät, es ist zu
dunkel geworden, und Louis Bonaparte Muß erst recht outre; <>ü<n, e>, loup
regieren.

Im An-iUrs Italien sieht es gar uicht dunkel aus, und anch nicht so uner¬
quicklich, wie in der Nationalversammlung, denn daselbst giebt es nur eine Partei,
nämlich die vou Sofie Convclli. Sie hat alle Stimmen, obgleich sie mit ihrer
eigenen ganz genug hätte. Wenn man diese wcißbehalStuchte Eleganz mäuulicher-
seits und diese strahlenden Gräfinnen, Herzoginnen n. s. w. der Republik it
10 Franken betrachtet, man würde lachen, spräche man von der Möglichkeit
einer Revolution. Das ist entzückt über ein seltenes als ob es sich um das
Wort Republik in Napoleon'S Munde handelte, das bäumt sich vor Wonne und
Begeisterung uuter einer tragischen Geberde der geliebten Allemaude, als ob die
Welt wirklich dadurch gerettet würde. Es fehlt zu diesem antirevvlutionaircn
Schauspiele gar nichts, nicht einmal der philosophische Hiller, der neue und
alte Opern einstudiren läßt mit einer Ruhe, als ob er wirklich assecurirt wäre,
sein Taktirstvck könne über Nacht uicht in einen Ladestock umgewandelt werden oder in
eine Nationalgardenmuskete. Freilich Fidelio, Don Juan, Figaro's Hochzeit IM-
nen Einen leicht auf Louis Napoleon und auf Persiguy vergesse» macheu, und die
Convclli ist ein schönes politisches Glaubensbekenntniß. Ueber ihre Leistungen
will ich mich uach dem zweimaligen Auftreten noch nicht entschieden aussprechen,
weil ich manches zu tadeln hätte, was vielleicht später als eine subjective Stim¬
mung des Momentes sich herausstellen dürfte. Für den Augenblick genüge es
nur zu wissen, daß sie eine große Sängerin ist. Die, ganze göttliche Mythologie
bat auf sie herabgeleuchtet, und es giebt Leute, die sogar behaupten, sie singe
schön, wenn sie gar nicht singe. Das ist wenigstens eine aufrichtige Taubheit,
die mit den Augen hört, jedenfalls das Unerhörte.

Unsre Theater sind ziemlich thätig, sie sind so rasch mit deu neuen Stücken
bei der Hand, wie die Nationalveisammluug mit ihrer Abstimmung über das
Budget. Wer weinen will, der gehe ins ^mbiAv, Miuüiuv, in die vol^se-monts


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/320>, abgerufen am 23.07.2024.