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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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und Ideen an interessante Persönlichkeiten zu knüpfen, aber ihre Beobachtung ist
sein, und verliert über dem Detail nie den leitenden Faden des Gedankens, den
sie in der größten Begebenheit der neuern Geschichte herausgefunden hat. Die¬
selben Principien, die sie in der Hitze des Gefechts und mitten uuter dem Ge¬
wirr der Parteien vertheidigte, hat sie bis aus Ende ihres Lebeus festgehalten,
jene Principien des Liberalismus und der Humanität, auf die wir immer wieder
zurückkommen müsse", nachdem wir uns lange von dem Aberwitz geistreicher Dilet¬
tanten haben verleiten lassen, auf das, was dem gesunden Menschenverstand aller
Welt einleuchtet, als auf etwas Flaches und Triviales herabzusehen.

Frau von StaÄ nimmt in der Entwickelung der neuen Literatur eine bedeu¬
tende Stellung ein. Sie hat einmal für die Annäherung der Nationen thätiger
gewirkt, als irgeud einer der Dichter, die den Wendepunkt des Jahrhunderts
charakterisiren; sie hat sodann das Leben der feinen Welt und die in ihr herr¬
schenden Ideen mit der Literatur in Verbindung gebracht, und dadurch die Ein-
seitigkeiten beider ergänzt. Während die romantische Schule nach überschweng¬
lichen Anschauungen und nach unverständliche" Ideen strebte, um die heilige
Welt der reine" Kunst vom Pöbel abzusondern, hat sie im Gegentheil die Kunst
dem Leben wieder zugewendet, nicht, wie Byron und seine Nachfolger, um es
zu verhöhnen und zu zerreißen, sondern um es sich selber verständlich zu machen-
Sie hat in diesem Sinne an dem Werk der Humanität fortgearbeitet, welches
von unsrer großen Dichtern des vorigen Jahrhunderts begonnen war.




M u si k a l i sah e r D i l e t t a n t i s in u s.

Der Dilettantismus hat die üble Nebenbedeutung, welche man jetzt daMlt
verknüpft, uicht ursprünglich gehabt. An sich kaun die Kunst nur dadurch gewin-
nen, wenn das Interesse, das mau an ihr nimmt, und das Studium, das man
ihr widmet, sich so weit als möglich ausdehnt, wie unvollkmnmen und Mangel!)^
auch das Resultat dieser Studien sein mag. Allein schädlich wird der Mellau
tismus, wenn er über seine Grenzen hinausgeht, sich den Anschein eines Verstand'
nisses giebt, das er nicht haben kann, und das öffentliche Urtheil verwirrt.
keiner Kunst ist dieser Dilettantismus so weit getrieben, als in der Musik. Seitdem
Heiuse und Hoffmann ihre dithyrambischen Phantasien über verschiedene Musik-
stücke in die Welt geschickt haben, glaubt sich jeder Mann von Geist und Bildung
berufen und berechtigt, durch eigenthümliche Ansichten über Musik dem Publico"
zu imponiren, gleichviel ob er im Stande ist, einen Ton von dem andern z"
unterscheiden. So lange sich dieses Urtheil darauf beschränkt, ein Wohlgefallen
oder Mißfallen an hervortretenden Melodien auszusprechen, oder sich uim
''"'-"'-


und Ideen an interessante Persönlichkeiten zu knüpfen, aber ihre Beobachtung ist
sein, und verliert über dem Detail nie den leitenden Faden des Gedankens, den
sie in der größten Begebenheit der neuern Geschichte herausgefunden hat. Die¬
selben Principien, die sie in der Hitze des Gefechts und mitten uuter dem Ge¬
wirr der Parteien vertheidigte, hat sie bis aus Ende ihres Lebeus festgehalten,
jene Principien des Liberalismus und der Humanität, auf die wir immer wieder
zurückkommen müsse», nachdem wir uns lange von dem Aberwitz geistreicher Dilet¬
tanten haben verleiten lassen, auf das, was dem gesunden Menschenverstand aller
Welt einleuchtet, als auf etwas Flaches und Triviales herabzusehen.

Frau von StaÄ nimmt in der Entwickelung der neuen Literatur eine bedeu¬
tende Stellung ein. Sie hat einmal für die Annäherung der Nationen thätiger
gewirkt, als irgeud einer der Dichter, die den Wendepunkt des Jahrhunderts
charakterisiren; sie hat sodann das Leben der feinen Welt und die in ihr herr¬
schenden Ideen mit der Literatur in Verbindung gebracht, und dadurch die Ein-
seitigkeiten beider ergänzt. Während die romantische Schule nach überschweng¬
lichen Anschauungen und nach unverständliche» Ideen strebte, um die heilige
Welt der reine» Kunst vom Pöbel abzusondern, hat sie im Gegentheil die Kunst
dem Leben wieder zugewendet, nicht, wie Byron und seine Nachfolger, um es
zu verhöhnen und zu zerreißen, sondern um es sich selber verständlich zu machen-
Sie hat in diesem Sinne an dem Werk der Humanität fortgearbeitet, welches
von unsrer großen Dichtern des vorigen Jahrhunderts begonnen war.




M u si k a l i sah e r D i l e t t a n t i s in u s.

Der Dilettantismus hat die üble Nebenbedeutung, welche man jetzt daMlt
verknüpft, uicht ursprünglich gehabt. An sich kaun die Kunst nur dadurch gewin-
nen, wenn das Interesse, das mau an ihr nimmt, und das Studium, das man
ihr widmet, sich so weit als möglich ausdehnt, wie unvollkmnmen und Mangel!)^
auch das Resultat dieser Studien sein mag. Allein schädlich wird der Mellau
tismus, wenn er über seine Grenzen hinausgeht, sich den Anschein eines Verstand'
nisses giebt, das er nicht haben kann, und das öffentliche Urtheil verwirrt.
keiner Kunst ist dieser Dilettantismus so weit getrieben, als in der Musik. Seitdem
Heiuse und Hoffmann ihre dithyrambischen Phantasien über verschiedene Musik-
stücke in die Welt geschickt haben, glaubt sich jeder Mann von Geist und Bildung
berufen und berechtigt, durch eigenthümliche Ansichten über Musik dem Publico»
zu imponiren, gleichviel ob er im Stande ist, einen Ton von dem andern z"
unterscheiden. So lange sich dieses Urtheil darauf beschränkt, ein Wohlgefallen
oder Mißfallen an hervortretenden Melodien auszusprechen, oder sich uim
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/302>, abgerufen am 23.07.2024.