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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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sche Darin init echten Nationaltypus, die anch kein einziges Wort deutsch
verstand, war anfänglich sehr verlegen und scheu. Darauf Erklärungen ihres
Mannes, ein rührender Handkuß, ein Glas Schnaps (der ans Heidelbeeren
gebrannt wird), ein Stück süßen Kuchens, Vorstellung der Kinder u. s. w.
Den Unterofficier bat ich, sich der schleswigschen Soldaten möglichst anzunehmen,
wodurch er mir seine Dankbarkeit am besten beweisen könne. Er versprach es.

Nicht so freundlich war die Wiedererkennung, die mir einige Matrosen im
"Holm" angedeihen ließen. Unsre Bekanntschaft stammte wahrscheinlich vom
Jahre 49 her, wo ich mit den dänischen Gefangenen zu thun hatte. Auf ihren
Ruf: "Ein Schleswig-hvlstcinscher Insurgenten-Officier", kamen Weiber, Kinder,
Männer in Menge aus den Hausthüren herausgestürzt, und überhäuften mich mit
wüthenden Schimpfworten, wie "Dyske Hort", "Prüske Winbüdel", (preußischer
Windbeutel) und den entsprechenden Wünschen für mein zeitliches und ewiges
Wohl, streckten die Zungen gegen mich -- sie hatten meist garstige große Mäuler
und ballten die Fäuste, ja sie fingen selbst mit Steinen und Koth zu werfen an,
trafen mich aber nicht, da ich glücklicher Weise einen leeren Fiacre antraf, den ich
zu einem schleunigen Rückzüge benutzte. Der Kutscher desselben war wieder ein
Schleswiger, der zwar schon seit langen Jahren in Kopenhagen wohnte, mir
aber doch viel von der nationalen Unduldsamkeit der Bevölkerung zu klagen
wußte.

Mit den verschiedenen dänischen Officieren, deren Bekanntschaft der Zweck
meiner Reise vermittelte, war mein Verkehr größtentheils sehr förmlich
und zurückhaltend. Obgleich alle wußten, daß ich früher in der ihnen so verha߬
ten Armee gedient, so war doch ihr Benehmen gegen mich durchgängig von jeder
Jnconvenienz entfernt. Nur mit einigen Officieren, welche ich ans früheren
Jahren näher kannte, verbrachte ich einen angenehmen Abend hinter einer volle"
Bowle heißen Punsches. Wir stießen gleich Anfangs "auf ehrliche Feindschaft
im Kriege und gute Freundschaft im Frieden an", und plauderten dann sehr un¬
befangen mit einander. Hier erfuhr ich manches Interessante, z. B. wurde nur
wiederholt versichert, daß die dänische Armee bei Jdstedt schon im Begriff gewcicn
sei, den Rückzug anzutreten, als sie zu ihrem großen Erstaunen bemerkte, daß Ge¬
neral Willisen ihnen darin zuvorgekommen sei. Man hat im dänischen Haupt¬
quartier diesen Rückzug anfänglich für eine Falle, um zu hitziger Verfolgung zu
verlocken, gehalten, und kaum begreife" können, daß derselbe wirklich ernsthaft ge¬
meint sei. Auch hagrer mir die dänischen Officiere, daß sie nach dem Gewinn
der Jdstedter Schlacht, wodurch ja fast das ganze Herzogthum Schleswig in ihre
Gewalt gekommen sei, den strengen Befehl erhalten hätten, nur noch defensiv zu
verfahren. Erfreulich war mir, daß sie der Kriegstüchtigkeit und besonders dem
Muthe unsrer kleinen Armee volle Gerechtigkeit widerfahren ließen. "Bei Frie¬
drichsstadt haben Sie als wahre Teufel gegen uns angestürmt'', sagte ein älterer


sche Darin init echten Nationaltypus, die anch kein einziges Wort deutsch
verstand, war anfänglich sehr verlegen und scheu. Darauf Erklärungen ihres
Mannes, ein rührender Handkuß, ein Glas Schnaps (der ans Heidelbeeren
gebrannt wird), ein Stück süßen Kuchens, Vorstellung der Kinder u. s. w.
Den Unterofficier bat ich, sich der schleswigschen Soldaten möglichst anzunehmen,
wodurch er mir seine Dankbarkeit am besten beweisen könne. Er versprach es.

Nicht so freundlich war die Wiedererkennung, die mir einige Matrosen im
„Holm" angedeihen ließen. Unsre Bekanntschaft stammte wahrscheinlich vom
Jahre 49 her, wo ich mit den dänischen Gefangenen zu thun hatte. Auf ihren
Ruf: „Ein Schleswig-hvlstcinscher Insurgenten-Officier", kamen Weiber, Kinder,
Männer in Menge aus den Hausthüren herausgestürzt, und überhäuften mich mit
wüthenden Schimpfworten, wie „Dyske Hort", „Prüske Winbüdel", (preußischer
Windbeutel) und den entsprechenden Wünschen für mein zeitliches und ewiges
Wohl, streckten die Zungen gegen mich — sie hatten meist garstige große Mäuler
und ballten die Fäuste, ja sie fingen selbst mit Steinen und Koth zu werfen an,
trafen mich aber nicht, da ich glücklicher Weise einen leeren Fiacre antraf, den ich
zu einem schleunigen Rückzüge benutzte. Der Kutscher desselben war wieder ein
Schleswiger, der zwar schon seit langen Jahren in Kopenhagen wohnte, mir
aber doch viel von der nationalen Unduldsamkeit der Bevölkerung zu klagen
wußte.

Mit den verschiedenen dänischen Officieren, deren Bekanntschaft der Zweck
meiner Reise vermittelte, war mein Verkehr größtentheils sehr förmlich
und zurückhaltend. Obgleich alle wußten, daß ich früher in der ihnen so verha߬
ten Armee gedient, so war doch ihr Benehmen gegen mich durchgängig von jeder
Jnconvenienz entfernt. Nur mit einigen Officieren, welche ich ans früheren
Jahren näher kannte, verbrachte ich einen angenehmen Abend hinter einer volle»
Bowle heißen Punsches. Wir stießen gleich Anfangs „auf ehrliche Feindschaft
im Kriege und gute Freundschaft im Frieden an", und plauderten dann sehr un¬
befangen mit einander. Hier erfuhr ich manches Interessante, z. B. wurde nur
wiederholt versichert, daß die dänische Armee bei Jdstedt schon im Begriff gewcicn
sei, den Rückzug anzutreten, als sie zu ihrem großen Erstaunen bemerkte, daß Ge¬
neral Willisen ihnen darin zuvorgekommen sei. Man hat im dänischen Haupt¬
quartier diesen Rückzug anfänglich für eine Falle, um zu hitziger Verfolgung zu
verlocken, gehalten, und kaum begreife» können, daß derselbe wirklich ernsthaft ge¬
meint sei. Auch hagrer mir die dänischen Officiere, daß sie nach dem Gewinn
der Jdstedter Schlacht, wodurch ja fast das ganze Herzogthum Schleswig in ihre
Gewalt gekommen sei, den strengen Befehl erhalten hätten, nur noch defensiv zu
verfahren. Erfreulich war mir, daß sie der Kriegstüchtigkeit und besonders dem
Muthe unsrer kleinen Armee volle Gerechtigkeit widerfahren ließen. „Bei Frie¬
drichsstadt haben Sie als wahre Teufel gegen uns angestürmt'', sagte ein älterer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/266>, abgerufen am 23.07.2024.