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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Jetzt in Kopenhagen machte ich dieselbe Erfahrung. So wie der Beamte
das englische Wappen meines Passes erblickte, änderte sich der grobe gehässige
Ton, mit dem er bisher mit mir verkehrt hatte. Zufällig stand in dem Passe
auch meine Charge. "Sie sind also englischer Officier gewesen?" frug sehr artig
darauf der Polizist. "Nein, Schleswig-holsteinischer," antwortete ich ihm. Sein
Gesicht zog sich merkwürdig schnell wieder in die früheren grimmigen Falten.
"Ihr Zweck in Kopenhagen ist?" "Privatgeschäfte, über welche ich der Polizei
keine weitere Rechenschaft zu geben gesonnen bin," entgegnete ick jetzt ebenfalls
etwas gereizt. "Frühere Angehörige des Heeres, welches Sie nannten, dürfen
"hre besondern Zweck jetzt nicht hier weilen," antwortete er. "Darauf kann ich
Ihnen nur erwidern, daß ich mich beim englischen Gesandten beschweren werde,
wenn Sie diesen englischen Paß nicht respectiren. Haben Sie besondere Verdachts¬
gründe gegen mich, oder vergehe ich mich bei meinem Aufenthalt hier gegen die
Gesetze, so ist es etwas anderes." Mit den Worten "Warten Sie hier etwas,"
verließ mich jetzt der Beamte, und ließ mir wol eine halbe Stunde Zeit, die
kahlen Wände seines Bureau's zu beschauen. Als er wiederkam, entgegnete er
w dem allermürrischsten Tone einer Dogge, welche verhindert wird zu beißen:
"Sie haben die Erlaubnis), hier zu verweilen, doch will ich Sie warnen, sich nicht
öffentlich zu sehr bemerkbar zu machen, da Sie sonst leicht Unannehmlichkeiten
auch vom Volke ausgesetzt sein dürften. -- Die sogenannten Schleswig-holsteinischen
Officiere lieben wir hier uicht besonders," setzte er noch hinzu, um seine priva"
uve Meinung anzudeuten. -- "Es wäre unbillig, das von Ihnen zu verlangen." --
So kamen wir aus einander.

Kopenhagen selbst schien mir unverändert, wie ich es in früheren Jahren
kannte. So sehr der dreijährige Krieg auch Dänemarks Finanzen erschöpfte, so
hat er der Hauptstadt doch wieder mancherlei Vortheile gebracht. Ein Theil des
Handels mit Jütland, Nord-Schleswig, ja selbst den dänischen Inseln, der
früher von Hamburg , Altona, Kiel und Flensburg besorgt, worden, zog sich
Ehrenb des Krieges nothgedrungen von diesen Orten fort nach Kopenhagen.
So siud in den letzten Kriegsjahren sehr großartige Geschäfte gemacht wor-
Dazu kam, daß die meisten der sehr umfänglichen Rüstungen für das Land¬
beer wie die Flotte ebenfalls in Kopenhagen, wo die Arsenale und Militairwerk-
stätten sich befinden, besorgt wurden, was fast allen hiesigen Professionisten el-
"en sehr lohnenden Erwerb sicherte und ans Kosten der Provinzen viel baares
^eit in Umlauf brachte. Diese pecuuiairen Vortheile Kopenhagens trugen dazu
^i, es zum Sitz der wüthenden Kriegspartei zu machen. Die mächtige Haupt¬
stadt, Sitz der gesammten Intelligenz des kleinen Königreichs, ließ aber in den
Provinzen kaum eine andere Meinung aufkommen. Was aber die Provinzen
und besonders das von je stiefmütterlich behandelte Jütland haben für Opfer
"n Geld und Menschen bringen müssen, und wie sie auf Jahrzehende zu-


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Jetzt in Kopenhagen machte ich dieselbe Erfahrung. So wie der Beamte
das englische Wappen meines Passes erblickte, änderte sich der grobe gehässige
Ton, mit dem er bisher mit mir verkehrt hatte. Zufällig stand in dem Passe
auch meine Charge. „Sie sind also englischer Officier gewesen?" frug sehr artig
darauf der Polizist. „Nein, Schleswig-holsteinischer," antwortete ich ihm. Sein
Gesicht zog sich merkwürdig schnell wieder in die früheren grimmigen Falten.
"Ihr Zweck in Kopenhagen ist?" „Privatgeschäfte, über welche ich der Polizei
keine weitere Rechenschaft zu geben gesonnen bin," entgegnete ick jetzt ebenfalls
etwas gereizt. „Frühere Angehörige des Heeres, welches Sie nannten, dürfen
"hre besondern Zweck jetzt nicht hier weilen," antwortete er. „Darauf kann ich
Ihnen nur erwidern, daß ich mich beim englischen Gesandten beschweren werde,
wenn Sie diesen englischen Paß nicht respectiren. Haben Sie besondere Verdachts¬
gründe gegen mich, oder vergehe ich mich bei meinem Aufenthalt hier gegen die
Gesetze, so ist es etwas anderes." Mit den Worten „Warten Sie hier etwas,"
verließ mich jetzt der Beamte, und ließ mir wol eine halbe Stunde Zeit, die
kahlen Wände seines Bureau's zu beschauen. Als er wiederkam, entgegnete er
w dem allermürrischsten Tone einer Dogge, welche verhindert wird zu beißen:
"Sie haben die Erlaubnis), hier zu verweilen, doch will ich Sie warnen, sich nicht
öffentlich zu sehr bemerkbar zu machen, da Sie sonst leicht Unannehmlichkeiten
auch vom Volke ausgesetzt sein dürften. — Die sogenannten Schleswig-holsteinischen
Officiere lieben wir hier uicht besonders," setzte er noch hinzu, um seine priva«
uve Meinung anzudeuten. — „Es wäre unbillig, das von Ihnen zu verlangen." —
So kamen wir aus einander.

Kopenhagen selbst schien mir unverändert, wie ich es in früheren Jahren
kannte. So sehr der dreijährige Krieg auch Dänemarks Finanzen erschöpfte, so
hat er der Hauptstadt doch wieder mancherlei Vortheile gebracht. Ein Theil des
Handels mit Jütland, Nord-Schleswig, ja selbst den dänischen Inseln, der
früher von Hamburg , Altona, Kiel und Flensburg besorgt, worden, zog sich
Ehrenb des Krieges nothgedrungen von diesen Orten fort nach Kopenhagen.
So siud in den letzten Kriegsjahren sehr großartige Geschäfte gemacht wor-
Dazu kam, daß die meisten der sehr umfänglichen Rüstungen für das Land¬
beer wie die Flotte ebenfalls in Kopenhagen, wo die Arsenale und Militairwerk-
stätten sich befinden, besorgt wurden, was fast allen hiesigen Professionisten el-
"en sehr lohnenden Erwerb sicherte und ans Kosten der Provinzen viel baares
^eit in Umlauf brachte. Diese pecuuiairen Vortheile Kopenhagens trugen dazu
^i, es zum Sitz der wüthenden Kriegspartei zu machen. Die mächtige Haupt¬
stadt, Sitz der gesammten Intelligenz des kleinen Königreichs, ließ aber in den
Provinzen kaum eine andere Meinung aufkommen. Was aber die Provinzen
und besonders das von je stiefmütterlich behandelte Jütland haben für Opfer
"n Geld und Menschen bringen müssen, und wie sie auf Jahrzehende zu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/263>, abgerufen am 23.07.2024.