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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Säule auf. Ueber eine der Ranken schaut ihm der Biber alö Baumeister zu,
unterweise ihn und bringt ihm ans einer Rolle den Plan zu einem neuen Gebäude.
In des Baumeisters Gürtel steckt der Zirkel als Zeichen seiner Meisterschaft.
Ueber dem kleinen Schüler hat ein zweiter weiblicher Lehrer, die Schwalbe, ein
Nest gebaut, ans welchem die ganze Familie mit den piependen Schnäbeln her¬
vorguckt. Der begeisterte Sänger Orpheus schlägt die Laute so himmlisch, daß
der entzückte' Esel ihm einen Distelkrauz als Zeichen der Verehrung darbringt-
Ein zweiter Mustkeuthusiast, der Elephant, mit Ring und Schellenschmuck im
Ohr, lehnt sich, aus den Rücken halbsitzend ausgestreckt, in den Arabeskenfond
seiner Loge. In gemächlichen Genusse hat er die Vorderpfoten über dem wohlge¬
nährten Bauch gekreuzt, die Hinterbeine über einander geschlagen und reicht dem
Sänger mit dem Rüssel eiuen Lorbeerzweig. Neben der Kunst erhebt sich nun auch
die geistreiche Wissenschaft voll Theorien und Systeme. Ein kleiner Plato macht
an Wickelkindern Experimente zu seinem Lehrsatz von der Unsterblichkeit der Seele.
Eines derselben hat er in der Hand, und treibt aus dessen Munde die Psyche
in Gestalt einer ungeheuren Libelle heraus; das andere Kind schreit gottsjämmer¬
lich in einer daneben stehenden Wiege. Arachne, die verwegene Nebenbuhlerin
der Minerva in der Kunst des Wirkens, erhalt von der Seidenraupe den Faden
geliefert, den sie verspinnt. Man möchte glauben, die Spinne, welche ihr Netz
darüber an die Mauer heftete, sei der Arachne Lehrerin, doch wissen wir aus
unsrer Mythologie, daß diese wegen ihres Hochmuths von der strafenden Göttin
in eine Spinne verwandelt wurde. Neben ihr lernt ein Knabe von der Nachti¬
gall die Flöte blasen; das Vögelchen hat sich ihm ans das Instrument gesetzt und
trillert ihm sanfte Weisen vor. Ein Faun horcht mit der Panflöte dem lieb¬
lichen Unterricht, scheint jedoch nicht eben viel zu begreifen. Sehr interessant
ist die Doppelgruppe, welche das Griechenthum beschließt: Plato und Aristoteles
im Streite. Jener ist der begeisterte Rhetor, welcher mit aufgeblasenen Backen
und funkelnde" Augen im Pathos der Ideen gegen diesen losfährt; Aristoteles
dagegen, mit dem ironischen Grübchen in der Wange und lächelndem Munde,
beweist aus dem gesunden Menschenverstande und zählt seinem Gegner die prak¬
tische Wahrheit an den Fingern her. Nun öffnet sich zum Untergänge Griechen¬
lands die Büchse der Pandora, neben'welcher die griechische Bildung, ein lieblich
zartes Mädchen, sterbend zu Boden sank. Der wilde Haß hat die Büchse schon
verlassen und zieht die Schlaffheit, den blasirten Müßiggang, nach sich. Eben s"
sind die Verläumdung, ein unartiges Kind mit ausgereckter Zunge, und der vor¬
wärts dringende Krieg, ein römischer Kämpfer, bereits der Büchse entstiegen-
Die vierte Doppelgruppe (je zwei befinden sich oberhalb jedes der beiden Pf"'
lar) stellt zwei trauernde Völkechbaften dar, welche an den römischen Adler ge¬
fesselt sind. Auf'dem Adler lesen wir das bekannte >">"n>u5 MMlusqau
rviimim"der Weltgang der römischen Republik beginnt.


Säule auf. Ueber eine der Ranken schaut ihm der Biber alö Baumeister zu,
unterweise ihn und bringt ihm ans einer Rolle den Plan zu einem neuen Gebäude.
In des Baumeisters Gürtel steckt der Zirkel als Zeichen seiner Meisterschaft.
Ueber dem kleinen Schüler hat ein zweiter weiblicher Lehrer, die Schwalbe, ein
Nest gebaut, ans welchem die ganze Familie mit den piependen Schnäbeln her¬
vorguckt. Der begeisterte Sänger Orpheus schlägt die Laute so himmlisch, daß
der entzückte' Esel ihm einen Distelkrauz als Zeichen der Verehrung darbringt-
Ein zweiter Mustkeuthusiast, der Elephant, mit Ring und Schellenschmuck im
Ohr, lehnt sich, aus den Rücken halbsitzend ausgestreckt, in den Arabeskenfond
seiner Loge. In gemächlichen Genusse hat er die Vorderpfoten über dem wohlge¬
nährten Bauch gekreuzt, die Hinterbeine über einander geschlagen und reicht dem
Sänger mit dem Rüssel eiuen Lorbeerzweig. Neben der Kunst erhebt sich nun auch
die geistreiche Wissenschaft voll Theorien und Systeme. Ein kleiner Plato macht
an Wickelkindern Experimente zu seinem Lehrsatz von der Unsterblichkeit der Seele.
Eines derselben hat er in der Hand, und treibt aus dessen Munde die Psyche
in Gestalt einer ungeheuren Libelle heraus; das andere Kind schreit gottsjämmer¬
lich in einer daneben stehenden Wiege. Arachne, die verwegene Nebenbuhlerin
der Minerva in der Kunst des Wirkens, erhalt von der Seidenraupe den Faden
geliefert, den sie verspinnt. Man möchte glauben, die Spinne, welche ihr Netz
darüber an die Mauer heftete, sei der Arachne Lehrerin, doch wissen wir aus
unsrer Mythologie, daß diese wegen ihres Hochmuths von der strafenden Göttin
in eine Spinne verwandelt wurde. Neben ihr lernt ein Knabe von der Nachti¬
gall die Flöte blasen; das Vögelchen hat sich ihm ans das Instrument gesetzt und
trillert ihm sanfte Weisen vor. Ein Faun horcht mit der Panflöte dem lieb¬
lichen Unterricht, scheint jedoch nicht eben viel zu begreifen. Sehr interessant
ist die Doppelgruppe, welche das Griechenthum beschließt: Plato und Aristoteles
im Streite. Jener ist der begeisterte Rhetor, welcher mit aufgeblasenen Backen
und funkelnde» Augen im Pathos der Ideen gegen diesen losfährt; Aristoteles
dagegen, mit dem ironischen Grübchen in der Wange und lächelndem Munde,
beweist aus dem gesunden Menschenverstande und zählt seinem Gegner die prak¬
tische Wahrheit an den Fingern her. Nun öffnet sich zum Untergänge Griechen¬
lands die Büchse der Pandora, neben'welcher die griechische Bildung, ein lieblich
zartes Mädchen, sterbend zu Boden sank. Der wilde Haß hat die Büchse schon
verlassen und zieht die Schlaffheit, den blasirten Müßiggang, nach sich. Eben s»
sind die Verläumdung, ein unartiges Kind mit ausgereckter Zunge, und der vor¬
wärts dringende Krieg, ein römischer Kämpfer, bereits der Büchse entstiegen-
Die vierte Doppelgruppe (je zwei befinden sich oberhalb jedes der beiden Pf"'
lar) stellt zwei trauernde Völkechbaften dar, welche an den römischen Adler ge¬
fesselt sind. Auf'dem Adler lesen wir das bekannte >">»n>u5 MMlusqau
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/256>, abgerufen am 23.07.2024.