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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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des weltgeschichtlichen Ernstes in ein parodirendcs Kinderleben, das sich in reizen¬
der Komik durch einen Arabeskcnzng windet. Die Fülle der einander folgenden
Kindergestalten ist aber in jeder Einzelnheit' von so anziehender Drolligkeit, daß
ich mich aufgefordert fühle, auch hier specieller auf die Gedanken des Künstlers
und deren Darstellung einzugehen. Ich beschließe damit zugleich die Detailschil-
deruug der bis jetzt vollendeten Gemälde und Cartons der ersten Langseite, mit
Ausnahme des zweiten Hauptbildes (der singende Homer), dessen Ankunft als
Carton ich bis zum nächsten Frühjahr erwarten muß.

Der Fries beginnt mit der Sage des ^ menschenbildenden Prometheus.
Schon hat dieser ein neues Knäblein vollendet', das anbetend zu ihm aufblickt,
während eine kleine Minerva das geflügelte Libellchen Psyche herbeibringt, um
die entstehenden Menschenkinder mit seelischem Leben auszustatten. Neben ihnen
schlägt der Urstorch über den ausgebrüteten Welteiern fröhlich mit den Flügel zusam¬
men. Aus dem einen zerborstenen El schaut ein Knäblein, aus dem andern ein
Mägdlein wie ans einer.Wiege, sie blinzeln einander mit verliebten Angen an.
Verführerisch naht sich die Schlange mit dem Apfel, nud als Hebamme und
Kinderwärterin die Aeffin. So mischen sich die verschiedenen Sagen vom Ursprung
der Menschheit. Die Wölfin folgt sodann, welche Romulus und Nemus sängt,
während gleich daneben schon der Bruderkampf mit Keule und EselSkinnbackcn
"is Schwertern, mit Schildkröte nud Muschel als Schilden entbrennt. Der
wilde Jäger Nimrod jagt auf dem Rücken eines Spielgenossen daher, und nach
b^ser mannichfaltigen Andeutung der verschiedenen Urgeschichten beginnt mit dem
Abif die ägyptische Welt. Zwei Pharaonen bringen kniend ihre Opfergaben
^n obersten Gottheiten Osiris nud Isis, welche mit Umarmung und Kuß, deu
kleinen Horns, die Frucht ihrer Vermählung, neben sich, ans dem Kelch der Lotos¬
blume steigen. Der schreckliche Typhon aber kommt, die brennende Fackel in der
Hand, mit eiuer furchtbaren Maske, die halb so groß ist, als der ganze Kerl,
"ut versetzt die jungen Eheleute in so entsetzliche Furcht, daß sie von der an¬
haltenden Flucht athemlos zusammensinken. Osiris liegt verschmachtend am Boden,
""d Isis überschlägt sich in possirlichen Purzelbaum. Nnubis eilt ihr zu Hilfe,
^it der darauf folgenden Doppelgrnppe zweier opfernden Priester nimmt die
"nechische Welt ihren Anfang. Der lässig ruhende Pan sitzt ans- einer Arabeö-
k°"ranke; er hat sein Haupt mit Weinlaub umkränzt und bläst vergnüglich ans
l"ner Waldflöte von ausgehöhlten Stämmchen. Neben ihm schmilzt Apollo mit
^g ehrbaren Gesicht all seiner Leier. Damit wird zugleich die Kunst, welche
^ jugendliche Gott als Mnsagetes in das Leben führte, bezeichnet; Zeuxis steht an
>"ner Staffelet und malt Kornähren, zu denen die Vogel geflogen kommen, sie anzu¬
ecken; der Hund, ein verkleideter Cyniker, leckt ihm, dem Jünger der bildenden
Kunst und der Cultur, die Farben von der Palette. Ein Architekt ist mit dem
Inhalte seines Bankasteus beschäftigt/und richtet eben an einem Tempel eine kleine
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des weltgeschichtlichen Ernstes in ein parodirendcs Kinderleben, das sich in reizen¬
der Komik durch einen Arabeskcnzng windet. Die Fülle der einander folgenden
Kindergestalten ist aber in jeder Einzelnheit' von so anziehender Drolligkeit, daß
ich mich aufgefordert fühle, auch hier specieller auf die Gedanken des Künstlers
und deren Darstellung einzugehen. Ich beschließe damit zugleich die Detailschil-
deruug der bis jetzt vollendeten Gemälde und Cartons der ersten Langseite, mit
Ausnahme des zweiten Hauptbildes (der singende Homer), dessen Ankunft als
Carton ich bis zum nächsten Frühjahr erwarten muß.

Der Fries beginnt mit der Sage des ^ menschenbildenden Prometheus.
Schon hat dieser ein neues Knäblein vollendet', das anbetend zu ihm aufblickt,
während eine kleine Minerva das geflügelte Libellchen Psyche herbeibringt, um
die entstehenden Menschenkinder mit seelischem Leben auszustatten. Neben ihnen
schlägt der Urstorch über den ausgebrüteten Welteiern fröhlich mit den Flügel zusam¬
men. Aus dem einen zerborstenen El schaut ein Knäblein, aus dem andern ein
Mägdlein wie ans einer.Wiege, sie blinzeln einander mit verliebten Angen an.
Verführerisch naht sich die Schlange mit dem Apfel, nud als Hebamme und
Kinderwärterin die Aeffin. So mischen sich die verschiedenen Sagen vom Ursprung
der Menschheit. Die Wölfin folgt sodann, welche Romulus und Nemus sängt,
während gleich daneben schon der Bruderkampf mit Keule und EselSkinnbackcn
"is Schwertern, mit Schildkröte nud Muschel als Schilden entbrennt. Der
wilde Jäger Nimrod jagt auf dem Rücken eines Spielgenossen daher, und nach
b^ser mannichfaltigen Andeutung der verschiedenen Urgeschichten beginnt mit dem
Abif die ägyptische Welt. Zwei Pharaonen bringen kniend ihre Opfergaben
^n obersten Gottheiten Osiris nud Isis, welche mit Umarmung und Kuß, deu
kleinen Horns, die Frucht ihrer Vermählung, neben sich, ans dem Kelch der Lotos¬
blume steigen. Der schreckliche Typhon aber kommt, die brennende Fackel in der
Hand, mit eiuer furchtbaren Maske, die halb so groß ist, als der ganze Kerl,
»ut versetzt die jungen Eheleute in so entsetzliche Furcht, daß sie von der an¬
haltenden Flucht athemlos zusammensinken. Osiris liegt verschmachtend am Boden,
""d Isis überschlägt sich in possirlichen Purzelbaum. Nnubis eilt ihr zu Hilfe,
^it der darauf folgenden Doppelgrnppe zweier opfernden Priester nimmt die
"nechische Welt ihren Anfang. Der lässig ruhende Pan sitzt ans- einer Arabeö-
k°«ranke; er hat sein Haupt mit Weinlaub umkränzt und bläst vergnüglich ans
l"ner Waldflöte von ausgehöhlten Stämmchen. Neben ihm schmilzt Apollo mit
^g ehrbaren Gesicht all seiner Leier. Damit wird zugleich die Kunst, welche
^ jugendliche Gott als Mnsagetes in das Leben führte, bezeichnet; Zeuxis steht an
>"ner Staffelet und malt Kornähren, zu denen die Vogel geflogen kommen, sie anzu¬
ecken; der Hund, ein verkleideter Cyniker, leckt ihm, dem Jünger der bildenden
Kunst und der Cultur, die Farben von der Palette. Ein Architekt ist mit dem
Inhalte seines Bankasteus beschäftigt/und richtet eben an einem Tempel eine kleine
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/255>, abgerufen am 23.07.2024.