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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Kammerrednern damaliger Zeit, ruhig und gemessen; der Blick des Gestürzten
gegen welchen die noch junge Gereiztheit noch alltäglich Pfcilwolken ihres Zornes
sandte, der Blick des abgehärteten Kämpfers. Machtlos prallten selbst jetzt noch
die meisten der Geschosse an ihm ab, und nnr mitunter faßte er ihrer eine Menge,
um sie mit der Geberde eines bessern Bewußtseins verächtlich abzustreifen. Er¬
griff ihn aber ja einmal Eifer. Entrüstung oder Erregung -- doch niemals wegen
persönlicher Dinge -- dann konnte man's noch am ganzen Gerüste der nun vom
ministeriellen Nimbus entkleideten Rede erkennen, wie sie ehemals gewirkt haben
mochte, da sie von allen Hilfsmitteln begünstigter Stellung getragen war. Ein
kräftiges Organ, ziemlich tieftönig, doch deu verschiedenen Bewegungen leicht
accommodirt, sprach mit Entschiedenheit den gut gebauten, ohne das mindeste
Stocken hinperlenden, weil scharfgedachten Satz. Jetzt allerdings konnte Hr. v.
Abel damit nicht siegen, denn jede rhetorische Wendung, jeder Allgcmeinsatz, jeder
Zurückweis aus die eigene Machtepoche ward vom nachdröhnenden Hohn der noch
in Ingrimm verbissenen Versammlung erstickt. Aber der alte, dreiste, überstürzende
Muth war dennoch dem starren Manne nicht entwichen. Man fühlte ihm oft an,
es gelüste ihn nach stärkeren Ausbrüchen der allgemeinen Stimmung, als jenem
nachdröhnenden Hohn -- damit er wieder wichtig werden könne. Und wundersam
war es anzuschauen, als er einst die Tribune dicht nach Schüler betrat, der mit
seiner geistvollen, wahrhaft furchtbaren Kritik so eben das schwankende Benehmen
des Ministeriums gegen die Centralgewalt gegeißelt hatte, um jenen Adressentwurf
M ersiegen, welcher die unbedingte Anerkennung der Reichsverfassung forderte.
Alles jubelte ihm zu,, mitten im Jnbel ward's grabesstill -- Hr. v. Abel stand
auf der Tribune. Mit einem Muthe, eiuer bessern Sache werth, entfaltete er die
Fahne des starresten Particularismus; in kecker Zuversicht -wirft er in das Auf¬
grollen der Entrüstung noch die Worte: "Ein kühner Griff kann nie das Recht
^'setzen, und die Willkür habe ich immer verabscheut." Da war's geschehen --
donnerndes Halloh, Zischen und Brummen bricht aus den Höhen und Tiefen, aus
allen Winkeln und Ecken des Saales orcanartig hervor. Doch Hr. v. Abel weicht
uicht, und wendet sich mit der Frage an den Präsidenten, ob er das Wort habe, oder
die Galerie. Und er war im Recht, der aufgeflammte Zorn schwieg in halber
Beschämung, Hr. v. Abel konnte vollenden. Ein Lärmen war ihm geglückt, die
Zeit war dennoch zu groß, als daß er sein letztes Ziel, die eigene Wichtigkeit,
lieber zu erobern vermocht hätte. Er hatte sich verbraucht. Trotzdem erkämpfte
seine Gladiatorentechnik eine gewisse Zurückhaltung der ewigen Angriffe, und trotz¬
dem konnte er fürderhin tagtäglich die Arena ohne parlamentarische Beschämung
Erlassen. Er spielte die Rolle des gestürzte" Ministers auf der Abgeordnetcn-
bank so glücklich, daß man mitunter selbst vergessen mochte, welch' Ungeschick das
dreiste Eindrängen in diese Rolle gewesen.

So stand er, ein verlassener, einsamer, gerichteter Mann. Mit welcher Ge-


Kammerrednern damaliger Zeit, ruhig und gemessen; der Blick des Gestürzten
gegen welchen die noch junge Gereiztheit noch alltäglich Pfcilwolken ihres Zornes
sandte, der Blick des abgehärteten Kämpfers. Machtlos prallten selbst jetzt noch
die meisten der Geschosse an ihm ab, und nnr mitunter faßte er ihrer eine Menge,
um sie mit der Geberde eines bessern Bewußtseins verächtlich abzustreifen. Er¬
griff ihn aber ja einmal Eifer. Entrüstung oder Erregung — doch niemals wegen
persönlicher Dinge — dann konnte man's noch am ganzen Gerüste der nun vom
ministeriellen Nimbus entkleideten Rede erkennen, wie sie ehemals gewirkt haben
mochte, da sie von allen Hilfsmitteln begünstigter Stellung getragen war. Ein
kräftiges Organ, ziemlich tieftönig, doch deu verschiedenen Bewegungen leicht
accommodirt, sprach mit Entschiedenheit den gut gebauten, ohne das mindeste
Stocken hinperlenden, weil scharfgedachten Satz. Jetzt allerdings konnte Hr. v.
Abel damit nicht siegen, denn jede rhetorische Wendung, jeder Allgcmeinsatz, jeder
Zurückweis aus die eigene Machtepoche ward vom nachdröhnenden Hohn der noch
in Ingrimm verbissenen Versammlung erstickt. Aber der alte, dreiste, überstürzende
Muth war dennoch dem starren Manne nicht entwichen. Man fühlte ihm oft an,
es gelüste ihn nach stärkeren Ausbrüchen der allgemeinen Stimmung, als jenem
nachdröhnenden Hohn — damit er wieder wichtig werden könne. Und wundersam
war es anzuschauen, als er einst die Tribune dicht nach Schüler betrat, der mit
seiner geistvollen, wahrhaft furchtbaren Kritik so eben das schwankende Benehmen
des Ministeriums gegen die Centralgewalt gegeißelt hatte, um jenen Adressentwurf
M ersiegen, welcher die unbedingte Anerkennung der Reichsverfassung forderte.
Alles jubelte ihm zu,, mitten im Jnbel ward's grabesstill — Hr. v. Abel stand
auf der Tribune. Mit einem Muthe, eiuer bessern Sache werth, entfaltete er die
Fahne des starresten Particularismus; in kecker Zuversicht -wirft er in das Auf¬
grollen der Entrüstung noch die Worte: „Ein kühner Griff kann nie das Recht
^'setzen, und die Willkür habe ich immer verabscheut." Da war's geschehen —
donnerndes Halloh, Zischen und Brummen bricht aus den Höhen und Tiefen, aus
allen Winkeln und Ecken des Saales orcanartig hervor. Doch Hr. v. Abel weicht
uicht, und wendet sich mit der Frage an den Präsidenten, ob er das Wort habe, oder
die Galerie. Und er war im Recht, der aufgeflammte Zorn schwieg in halber
Beschämung, Hr. v. Abel konnte vollenden. Ein Lärmen war ihm geglückt, die
Zeit war dennoch zu groß, als daß er sein letztes Ziel, die eigene Wichtigkeit,
lieber zu erobern vermocht hätte. Er hatte sich verbraucht. Trotzdem erkämpfte
seine Gladiatorentechnik eine gewisse Zurückhaltung der ewigen Angriffe, und trotz¬
dem konnte er fürderhin tagtäglich die Arena ohne parlamentarische Beschämung
Erlassen. Er spielte die Rolle des gestürzte» Ministers auf der Abgeordnetcn-
bank so glücklich, daß man mitunter selbst vergessen mochte, welch' Ungeschick das
dreiste Eindrängen in diese Rolle gewesen.

So stand er, ein verlassener, einsamer, gerichteter Mann. Mit welcher Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/25>, abgerufen am 23.07.2024.