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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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gestalt getragen, die in jeder Hand einen Speer mit zahlreichen Trophäen hält.
Im oblongen Schlußseite sitzt ein bejahrter Mann, dessen Aeußeres den Ascetiker
verräth, mit verschränkten Beinen am Boden. Die linke Hand hat er aus das
Knie gestemmt, die rechte an der Wange; so scheint er in Gedanken versunken.
Es ist Buddha am Narandsara, wo er sechs Jahre lang als Einsiedler lebte, und
so zu göttlicher Vollendung gelangte. Er brütet über dem auf einer Säule balan-
cirten Kubus in ununterbrochener, inhaltloser Betrachtung. Denn das Ergründen
der Lehren des Nichts gilt als das eifrigste Streben der Buddhisten. Durch
gradweise Entsagung bis zur Ertödtung der Sinne und zu scheinbarer äußerer
Erstarrung bei steter Contemplation der Seele hoffen sie ihr Ziel zu erreichen.
Bu.ddha, welcher, den indischen Berichten nach, im Jahre 6i nach Christus aufge¬
treten sein soll, wird als oberster Regierer der jetzigen Weltperiode verehrt, und
soll in Asten gegen 300 Millionen Anhänger zählen.

Der persische Pilaster beginnt im obern Oblong mit den Zeichen der von
den Parsen gedachten Urgottheit, einem Bogenschützen im geflügelten Ringe.
Darunter ans dem Candelaber der Arabeske ein geflügelter Genius mit strah¬
lendem Haupte, den uns die Aufschrift eines von ihm getragenen Bandes als
Zaruana akarana bezeichnet. Es ist die von der Urgottheit geschaffene Sonne,
welche die Elemente Wasser Feuer und Erde erzeugt. Sowie ",it Mond neigen
sich ihr zu als Blumentöpfe der Arabeske, durch deren obere Ranken sich Fische
schwingen, an deren Fuß auf einem Opferbecken das heilige Feuer brennt, und
zwei geflügelte Einhörner, die Sinnbilder der Erde, das Becken umgeben. Aus
dem obern Medaillon blickt der Kopf des Ormuzd, ein edles Königshaupt mit
der persischen Mütze, frisirten Haar und Bart. Hinter ihm das Sinnbild der
Sonne, der Adler. Im Arabeskenfclde darunter der von Ormuzd geschaffene
Ur stier, wie er von dem Bösen in der Gestalt unreiner Thiere ermordet wird.
Die Schlange sticht ihn in die Brust, Hund und Scorpion fallen ihn von hinten
und von der Seite an; sie wollen die Schöpfung vernichten. Zwei Adler deS
Ormuzd, die Vermittler zwischen Himmel und Erde, kommen dem Gequälten zu
Hilfe, und fahren von oberen. Arabeskenranken gegen die Schlange aus. Ver¬
gebens , der Stier ist zum Tode getroffen. Aber Ormuzd wacht über seiner
Schöpfung. Aus den Knochen des sterbenden Stiers werden die Wälder, aus
dem Schweife das Getreide (fünfundfunfzig Arten nach der Sage), aus dem
Blute die Trauben. Der Genius in der Nische entfaltet die Bücher des Zend,
und im dritten Arabeskenfelde kniet Zoroaster und überliefert jene Bücher den
Menschenkindern, welche aus Blumenkelchen zu ihm emporsteigen, und die heiligen
Gebote mit der Lehre von den beiden Urwesen, dem Guten und dem Bösen,
empfangen. Unten werden die Anhänger des Ahriman von Ungeheuern verschlungen.
Das zweite Medaillon enthält den ebenfalls nach persischer Sitte wohlfrisirter
Kopf des Königs Dschemschid mit zugespitzter Mütze und Ringen im Ohr.


gestalt getragen, die in jeder Hand einen Speer mit zahlreichen Trophäen hält.
Im oblongen Schlußseite sitzt ein bejahrter Mann, dessen Aeußeres den Ascetiker
verräth, mit verschränkten Beinen am Boden. Die linke Hand hat er aus das
Knie gestemmt, die rechte an der Wange; so scheint er in Gedanken versunken.
Es ist Buddha am Narandsara, wo er sechs Jahre lang als Einsiedler lebte, und
so zu göttlicher Vollendung gelangte. Er brütet über dem auf einer Säule balan-
cirten Kubus in ununterbrochener, inhaltloser Betrachtung. Denn das Ergründen
der Lehren des Nichts gilt als das eifrigste Streben der Buddhisten. Durch
gradweise Entsagung bis zur Ertödtung der Sinne und zu scheinbarer äußerer
Erstarrung bei steter Contemplation der Seele hoffen sie ihr Ziel zu erreichen.
Bu.ddha, welcher, den indischen Berichten nach, im Jahre 6i nach Christus aufge¬
treten sein soll, wird als oberster Regierer der jetzigen Weltperiode verehrt, und
soll in Asten gegen 300 Millionen Anhänger zählen.

Der persische Pilaster beginnt im obern Oblong mit den Zeichen der von
den Parsen gedachten Urgottheit, einem Bogenschützen im geflügelten Ringe.
Darunter ans dem Candelaber der Arabeske ein geflügelter Genius mit strah¬
lendem Haupte, den uns die Aufschrift eines von ihm getragenen Bandes als
Zaruana akarana bezeichnet. Es ist die von der Urgottheit geschaffene Sonne,
welche die Elemente Wasser Feuer und Erde erzeugt. Sowie „,it Mond neigen
sich ihr zu als Blumentöpfe der Arabeske, durch deren obere Ranken sich Fische
schwingen, an deren Fuß auf einem Opferbecken das heilige Feuer brennt, und
zwei geflügelte Einhörner, die Sinnbilder der Erde, das Becken umgeben. Aus
dem obern Medaillon blickt der Kopf des Ormuzd, ein edles Königshaupt mit
der persischen Mütze, frisirten Haar und Bart. Hinter ihm das Sinnbild der
Sonne, der Adler. Im Arabeskenfclde darunter der von Ormuzd geschaffene
Ur stier, wie er von dem Bösen in der Gestalt unreiner Thiere ermordet wird.
Die Schlange sticht ihn in die Brust, Hund und Scorpion fallen ihn von hinten
und von der Seite an; sie wollen die Schöpfung vernichten. Zwei Adler deS
Ormuzd, die Vermittler zwischen Himmel und Erde, kommen dem Gequälten zu
Hilfe, und fahren von oberen. Arabeskenranken gegen die Schlange aus. Ver¬
gebens , der Stier ist zum Tode getroffen. Aber Ormuzd wacht über seiner
Schöpfung. Aus den Knochen des sterbenden Stiers werden die Wälder, aus
dem Schweife das Getreide (fünfundfunfzig Arten nach der Sage), aus dem
Blute die Trauben. Der Genius in der Nische entfaltet die Bücher des Zend,
und im dritten Arabeskenfelde kniet Zoroaster und überliefert jene Bücher den
Menschenkindern, welche aus Blumenkelchen zu ihm emporsteigen, und die heiligen
Gebote mit der Lehre von den beiden Urwesen, dem Guten und dem Bösen,
empfangen. Unten werden die Anhänger des Ahriman von Ungeheuern verschlungen.
Das zweite Medaillon enthält den ebenfalls nach persischer Sitte wohlfrisirter
Kopf des Königs Dschemschid mit zugespitzter Mütze und Ringen im Ohr.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/218>, abgerufen am 23.07.2024.