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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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in der Hand steht er auf seinem Streitwagen, den zwei schnaubende Rosse ziehen;
vor ihm der Wagenlenker. Zwei indische Könige, hinter denen wir'den Palm¬
baum, das Symbol Indiens, erblicken, folgen als Sclaven dem königlichen Zuge.
Des Rhamses Bruder Danaus, der sich des Thrones unrechtmäßiger Weise be¬
mächtigt hatte, entflieht mit seinen Töchtern in ein bereitstehendes Schiff. Seine
Flucht geleitete ihn bekanntlich nach dem Peloponnes. Wir erhalten also hier den
Beginn jenes östlichen Cultnrkrciseö zwischen Indien, Aegypten und Griechenland.
Der stegreiche Rhamses brachte indische Cultur mit sich nach Aegypten, Danaus
trug ägyptische Cultur nach Griechenland. Den Schluß des Kreises finden wir
in der mittlern Abtheilung des zweiten Pfeilers, einer Darstellung aus dem asia¬
tischen Zuge des großen Alexander, mit welchem griechische Bildung wieder
"ach Persien gelangte und die Grenzen von Indien berührte. Der junge König
sprengt ans dem feurigen Bucephalus in den persischen Königspalast, in voller
Rüstung mit Beinschienen, Brustharuisch nud Helm, von kurzem Kricgermantel
umflattert. In stolz prächtiger Stellung erhebt er die linke Hand mit dem
Ausdrucke der Ueberraschung, während er mit der Rechten das Roß zügelt. Die
Gemahlin des besiegten und getödteten Darius hat sich mit ihren beiden Kindern
vor dem königlichen Reiter in den Stand geworfen. Einer der persischen Großen
eilt herbei, dem Alexander die Krone Persiens mit Scepter, Schwert und Bogen
s" überreichen, obwol sein Weib ihn daran zu verhindern sucht. Ein zweiter
Würdenträger des Reichs tritt bestürzt aus der Thür des Palastes. Ungemein
lebendige Bewegung herrscht in diesen persischen Gruppen. Zur Rechten Alexan¬
ders geht sein großer Lehrer Aristoteles, er"ste Beobachtung im Antlitz, die Hände
in lässiger Bedächtigkeit über einander geschlagen, in der einen eine Papyrusrolle.
Hinter ihm- folgen macedonische Krieger und ein Sclave, welcher die Helden-
Sesänge des Homer in einem Kasten ans der Schulter trägt.

Die eigentlichen Hauptstücke der Pfeiler sind die unteren historischen Gestalten,
"uf dem ersten Pfeiler Moses, auf dem zweiten Solon, beide in Farben
vollendet. Der Befreier Israels ans ägyptischer Gefangenschaft, der Verkünder
göttlicher Offenbarungen sitzt, eine imposante Kolossalgestalt, auf einem Felsstück,
und zeigt mit beiden Armen die auf dem Schenkel ruhenden Gesetzestafeln. Den
linken Fuß hat er auf das am Boden liegende goldene Kalb gestellt, das ein
ihm kniender Knabe dnrch Hammerschläge vollends zerstört. In blödex
Aufmerksamkeit, wie verdumpft vom Einfluß des Götzendienstes, blickt ein zweiter
Knabe zu dem Gesetzgeber empor, dessen Haupt-ein strahlender Widerschein
Gottes umspielt, in dessen Antlitz Zorn und göttliche Begeisterung glühen. Durch
Bart und Locken weht der Wind, welcher den Fuß des Sinai umkreist. Ans
dem Auge leuchtet ein mächtiger Geist; die stolze Biegung der Nase, der aufge¬
worfenen Lippen fester.Schluß zeugen von Energie und Entschlossenheit, und
^'gleich zuckt es um den Mund wie ein Zug von Verachtung. Das gewaltige


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in der Hand steht er auf seinem Streitwagen, den zwei schnaubende Rosse ziehen;
vor ihm der Wagenlenker. Zwei indische Könige, hinter denen wir'den Palm¬
baum, das Symbol Indiens, erblicken, folgen als Sclaven dem königlichen Zuge.
Des Rhamses Bruder Danaus, der sich des Thrones unrechtmäßiger Weise be¬
mächtigt hatte, entflieht mit seinen Töchtern in ein bereitstehendes Schiff. Seine
Flucht geleitete ihn bekanntlich nach dem Peloponnes. Wir erhalten also hier den
Beginn jenes östlichen Cultnrkrciseö zwischen Indien, Aegypten und Griechenland.
Der stegreiche Rhamses brachte indische Cultur mit sich nach Aegypten, Danaus
trug ägyptische Cultur nach Griechenland. Den Schluß des Kreises finden wir
in der mittlern Abtheilung des zweiten Pfeilers, einer Darstellung aus dem asia¬
tischen Zuge des großen Alexander, mit welchem griechische Bildung wieder
»ach Persien gelangte und die Grenzen von Indien berührte. Der junge König
sprengt ans dem feurigen Bucephalus in den persischen Königspalast, in voller
Rüstung mit Beinschienen, Brustharuisch nud Helm, von kurzem Kricgermantel
umflattert. In stolz prächtiger Stellung erhebt er die linke Hand mit dem
Ausdrucke der Ueberraschung, während er mit der Rechten das Roß zügelt. Die
Gemahlin des besiegten und getödteten Darius hat sich mit ihren beiden Kindern
vor dem königlichen Reiter in den Stand geworfen. Einer der persischen Großen
eilt herbei, dem Alexander die Krone Persiens mit Scepter, Schwert und Bogen
s» überreichen, obwol sein Weib ihn daran zu verhindern sucht. Ein zweiter
Würdenträger des Reichs tritt bestürzt aus der Thür des Palastes. Ungemein
lebendige Bewegung herrscht in diesen persischen Gruppen. Zur Rechten Alexan¬
ders geht sein großer Lehrer Aristoteles, er»ste Beobachtung im Antlitz, die Hände
in lässiger Bedächtigkeit über einander geschlagen, in der einen eine Papyrusrolle.
Hinter ihm- folgen macedonische Krieger und ein Sclave, welcher die Helden-
Sesänge des Homer in einem Kasten ans der Schulter trägt.

Die eigentlichen Hauptstücke der Pfeiler sind die unteren historischen Gestalten,
"uf dem ersten Pfeiler Moses, auf dem zweiten Solon, beide in Farben
vollendet. Der Befreier Israels ans ägyptischer Gefangenschaft, der Verkünder
göttlicher Offenbarungen sitzt, eine imposante Kolossalgestalt, auf einem Felsstück,
und zeigt mit beiden Armen die auf dem Schenkel ruhenden Gesetzestafeln. Den
linken Fuß hat er auf das am Boden liegende goldene Kalb gestellt, das ein
ihm kniender Knabe dnrch Hammerschläge vollends zerstört. In blödex
Aufmerksamkeit, wie verdumpft vom Einfluß des Götzendienstes, blickt ein zweiter
Knabe zu dem Gesetzgeber empor, dessen Haupt-ein strahlender Widerschein
Gottes umspielt, in dessen Antlitz Zorn und göttliche Begeisterung glühen. Durch
Bart und Locken weht der Wind, welcher den Fuß des Sinai umkreist. Ans
dem Auge leuchtet ein mächtiger Geist; die stolze Biegung der Nase, der aufge¬
worfenen Lippen fester.Schluß zeugen von Energie und Entschlossenheit, und
^'gleich zuckt es um den Mund wie ein Zug von Verachtung. Das gewaltige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/215>, abgerufen am 23.07.2024.