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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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idee, die den gewaltigen Kampf in seinem ganzen Verlaufe durchdringt, hält, trägt, sie
ersehen jenen Mangel, sie verbinden das Ganze zu einer Einheit, die nirgend einen
Hauptträger der ganzen Action vermissen läßt.

Aus diesem herrlichen Werke nun, dessen nähere Analyse und Charakteristik gleich¬
falls die Einleitung bietet, sind zehn der schönsten Sagen von Hrn. von Schack aus¬
gehoben. Durch kurze Vorbemerkungen vor einer jeden flechten sie dem Zusammen¬
hange des Ganzen ein und hält dem Leser stets das Gefühl dieses Zusammenhanges
gegenwärtig. "Daß sich aus dem Ganzen eine Anzahl von Sagen hervorheben läßt",
sagt der Verfasser, "an denen man sich als an gesonderten kleinen Epen erfreuen kaun,
thut dem einheitlichen Zusammenhange des Gedichts keinen Abbruch, denn die meisten
derselben führen die Hauptaction im strengsten Zusammenhange mit dem vorhergehenden
sort, und selbst diejenigen, bei welchen dies nicht in gleichem Maße der Fall ist, stehen
doch in engerer Verbindung mit dem Gange des Ganzen, als viele Episoden anderer
Epen, deren Einheit noch Niemand bestritten hat."

Wir unsren Theils aber wollen uns hüten, in den Fehler von Görres zu fallen,
und die Leser abzuschrecken durch dürre, weitläufige prosaische Auszüge. Man muß
selbst herantreten an diesen strömenden, vollen Quell der lautersten und dabei sarbcn-
rcichstcn Poesie. Nicht nnr im Kampf und in blutiger Schlacht treten die Helden auf,
nicht nur der üppige Glanz des Hofes wird geschildert -- auch die höchsten und tiefste"
Leidenschaften der Menschenbrust, auch die zartesten Regungen des Herzens finden ihre
Stelle. Dort eine Stiefmutter, vor Liebe gegen den Stiefsohn erglühend, .einen keusche"
Joseph gegenüber den Lockungen des üppigen Weibes -- hier das oben genannte
Liebespaar, Bischen und Mcnischc; Mcnischc, ein Beispiel der aufopferndsten Treue i"
Fährlichkeiten und Noth, ist eins der lieblichsten Gebilde, die je ein Dichter erschaffe"-
Und wer erst nippen will ans dieser Labequcllc, ehe er in vollen Zügen trinkt, der
wende sich zuerst zu dieser reizenden und rührenden Episode. Unter dem Titel: "Eine
persische Liebesgeschichte von Firdusi" ist sie auch in besonderen kleinen und zierliche"
Abdrücken erschienen, eine Visitenkarte, die der persische Dichter abgiebt; wohin aber
diese Karte gedrungen, da wird man bald den Dichter selbst als Hausfreund finden ""^
das lebhafte Verlangen, ihn näher und näher kennen zu lernen. Dem hat der geist¬
reiche und begabte Dolmetscher, der ihm bei uns eine Heimath gegründet, bereits im
Voraus durch die Verheißung entsprochen, noch eine zweite Sagcnreihe aus dem uner-
schöpflichen Schätze des gewaltigen Werkes bei uns einzuführen. Dürfen wir eine"
Wunsch dabei aussprechen, so ist es der, daß es ihm dann gefallen möge, noch einige
von den didaktischen Stellen des Firdusi aufzuheben, deren sich in den mitgetheilte"
Sagen Verhältnißmäßig wenige -- eine sehr schöne z. B. am Schlüsse jener Liebesge-
schichte - finden. Eine in der Vorrede mitgetheilte längere Probe erweckt das lebhaft
teste Verlangen darnach. Sie möge zugleich als Probe des Geistes des Firdusi, der
trefflichen Ueberhebung gelten:


idee, die den gewaltigen Kampf in seinem ganzen Verlaufe durchdringt, hält, trägt, sie
ersehen jenen Mangel, sie verbinden das Ganze zu einer Einheit, die nirgend einen
Hauptträger der ganzen Action vermissen läßt.

Aus diesem herrlichen Werke nun, dessen nähere Analyse und Charakteristik gleich¬
falls die Einleitung bietet, sind zehn der schönsten Sagen von Hrn. von Schack aus¬
gehoben. Durch kurze Vorbemerkungen vor einer jeden flechten sie dem Zusammen¬
hange des Ganzen ein und hält dem Leser stets das Gefühl dieses Zusammenhanges
gegenwärtig. „Daß sich aus dem Ganzen eine Anzahl von Sagen hervorheben läßt",
sagt der Verfasser, „an denen man sich als an gesonderten kleinen Epen erfreuen kaun,
thut dem einheitlichen Zusammenhange des Gedichts keinen Abbruch, denn die meisten
derselben führen die Hauptaction im strengsten Zusammenhange mit dem vorhergehenden
sort, und selbst diejenigen, bei welchen dies nicht in gleichem Maße der Fall ist, stehen
doch in engerer Verbindung mit dem Gange des Ganzen, als viele Episoden anderer
Epen, deren Einheit noch Niemand bestritten hat."

Wir unsren Theils aber wollen uns hüten, in den Fehler von Görres zu fallen,
und die Leser abzuschrecken durch dürre, weitläufige prosaische Auszüge. Man muß
selbst herantreten an diesen strömenden, vollen Quell der lautersten und dabei sarbcn-
rcichstcn Poesie. Nicht nnr im Kampf und in blutiger Schlacht treten die Helden auf,
nicht nur der üppige Glanz des Hofes wird geschildert — auch die höchsten und tiefste»
Leidenschaften der Menschenbrust, auch die zartesten Regungen des Herzens finden ihre
Stelle. Dort eine Stiefmutter, vor Liebe gegen den Stiefsohn erglühend, .einen keusche»
Joseph gegenüber den Lockungen des üppigen Weibes — hier das oben genannte
Liebespaar, Bischen und Mcnischc; Mcnischc, ein Beispiel der aufopferndsten Treue i»
Fährlichkeiten und Noth, ist eins der lieblichsten Gebilde, die je ein Dichter erschaffe»-
Und wer erst nippen will ans dieser Labequcllc, ehe er in vollen Zügen trinkt, der
wende sich zuerst zu dieser reizenden und rührenden Episode. Unter dem Titel: „Eine
persische Liebesgeschichte von Firdusi" ist sie auch in besonderen kleinen und zierliche»
Abdrücken erschienen, eine Visitenkarte, die der persische Dichter abgiebt; wohin aber
diese Karte gedrungen, da wird man bald den Dichter selbst als Hausfreund finden »»^
das lebhafte Verlangen, ihn näher und näher kennen zu lernen. Dem hat der geist¬
reiche und begabte Dolmetscher, der ihm bei uns eine Heimath gegründet, bereits im
Voraus durch die Verheißung entsprochen, noch eine zweite Sagcnreihe aus dem uner-
schöpflichen Schätze des gewaltigen Werkes bei uns einzuführen. Dürfen wir eine«
Wunsch dabei aussprechen, so ist es der, daß es ihm dann gefallen möge, noch einige
von den didaktischen Stellen des Firdusi aufzuheben, deren sich in den mitgetheilte»
Sagen Verhältnißmäßig wenige — eine sehr schöne z. B. am Schlüsse jener Liebesge-
schichte - finden. Eine in der Vorrede mitgetheilte längere Probe erweckt das lebhaft
teste Verlangen darnach. Sie möge zugleich als Probe des Geistes des Firdusi, der
trefflichen Ueberhebung gelten:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/200>, abgerufen am 23.07.2024.