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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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sobald wir mit ihm auf seinen philosophisch-symbolischen Standpunkt treten. Von
diesem Standpunkt ans geben wir zu, das; die Erscheinung Jehovah'S und seiner
Propheten im ersten und dritten Bilde, wie der griechischen Götter im zweiten,
wie der kämpfenden Geister in der Hunnenschlacht, und des gekreuzigten Erlösers
über den Kreuzfahrern, ideell gerechtfertigt sei. Begierig aber bin ich dann, wie
Kaulbach im sechsten Bilde die Reformation auffassen werde. Für eine Zeit,
wo durch den Geist einer reformatorischen Lehre der Glaube sammt seinem
göttlichen Gegenstande sich in das Heiligthum der Seele zurückzog, ist gewiß nur
die rein historische Auffassung am rechten Platze. Ja sie würde dazu dienen,
die philosophisch-symbolische Form der vorhergehende" -Bilder vollständiger und
klarer in das Licht ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung zu heben. Noch soll dem
Plan des Künstlers, die Reformation zu malen, allerdings ein ungünstiger Wind
entgegenstehen. Aber es wäre doch eine zu herrliche Ausgabe für den größten
GcschiclMnaler der Gegenwart, und Kaulbach's protestantisch-historische Ueber-
^"gnngstrene dürste zu innig mit der Idee dieses Abschlusses verwachsen sein,
'un befürchten zu lassen, daß die künstlerischen Zwecke desselben nicht endlich den
A. G. Sieg davon tragen sollten.




Bilder ans der Türkei.
Die politische Seele des Türken.

Beim nächsten Stoß wird der Halbmond von den schlanken Minarets des
'"vollen'schen Stambuls stürzen und dem griechischen Kreuze die lange ange-
'NMe Glanzstelle aus den Kirchthürmen der wiedererstehenden Stadt Konstantins
einräumen. Das ist das ttrtbeil, welches der Reisende vom Bosphorus nach der
Heimath trägt. Fast regelmäßig wiederkehrende, eigentlich nie vollständig unter¬
drückte Empörungen in allen Theilen des weiten Reiches, in Armenien, Syrien,
Anatolien, besonders aber in den griechisch-slavischen Provinzen Albanien, Bul-
üarien, Bosnien und der Herzegowina; von Tag zu Tag keckere Raubzüge der
unbezwingbaren Bergvölker, Kurden, Arnauten und Montenegriner; offener Trotz
wichtiger Vasallen.'des Paschas's von Egypten, des Bey's von Tunis, der,
Zänkischen Schutzes sicher, die Gesandten des Großherrn kaum eines Empfanges
würdigt, der Fürsten von Serbien, von der Walachei und Moldau, die, unter
"'ssischein Schirme, den Glaubensgenossen ihres Herrn den Boden ihrer Länder
'"ehe zu betreten gestatten, an allen Orten treuloses oder zweideutiges Jutriguiren
der Lehnsleute und Würdenträger des Königs der Könige, sind zweifellose Spuren


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sobald wir mit ihm auf seinen philosophisch-symbolischen Standpunkt treten. Von
diesem Standpunkt ans geben wir zu, das; die Erscheinung Jehovah'S und seiner
Propheten im ersten und dritten Bilde, wie der griechischen Götter im zweiten,
wie der kämpfenden Geister in der Hunnenschlacht, und des gekreuzigten Erlösers
über den Kreuzfahrern, ideell gerechtfertigt sei. Begierig aber bin ich dann, wie
Kaulbach im sechsten Bilde die Reformation auffassen werde. Für eine Zeit,
wo durch den Geist einer reformatorischen Lehre der Glaube sammt seinem
göttlichen Gegenstande sich in das Heiligthum der Seele zurückzog, ist gewiß nur
die rein historische Auffassung am rechten Platze. Ja sie würde dazu dienen,
die philosophisch-symbolische Form der vorhergehende» -Bilder vollständiger und
klarer in das Licht ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung zu heben. Noch soll dem
Plan des Künstlers, die Reformation zu malen, allerdings ein ungünstiger Wind
entgegenstehen. Aber es wäre doch eine zu herrliche Ausgabe für den größten
GcschiclMnaler der Gegenwart, und Kaulbach's protestantisch-historische Ueber-
^»gnngstrene dürste zu innig mit der Idee dieses Abschlusses verwachsen sein,
'un befürchten zu lassen, daß die künstlerischen Zwecke desselben nicht endlich den
A. G. Sieg davon tragen sollten.




Bilder ans der Türkei.
Die politische Seele des Türken.

Beim nächsten Stoß wird der Halbmond von den schlanken Minarets des
'"vollen'schen Stambuls stürzen und dem griechischen Kreuze die lange ange-
'NMe Glanzstelle aus den Kirchthürmen der wiedererstehenden Stadt Konstantins
einräumen. Das ist das ttrtbeil, welches der Reisende vom Bosphorus nach der
Heimath trägt. Fast regelmäßig wiederkehrende, eigentlich nie vollständig unter¬
drückte Empörungen in allen Theilen des weiten Reiches, in Armenien, Syrien,
Anatolien, besonders aber in den griechisch-slavischen Provinzen Albanien, Bul-
üarien, Bosnien und der Herzegowina; von Tag zu Tag keckere Raubzüge der
unbezwingbaren Bergvölker, Kurden, Arnauten und Montenegriner; offener Trotz
wichtiger Vasallen.'des Paschas's von Egypten, des Bey's von Tunis, der,
Zänkischen Schutzes sicher, die Gesandten des Großherrn kaum eines Empfanges
würdigt, der Fürsten von Serbien, von der Walachei und Moldau, die, unter
"'ssischein Schirme, den Glaubensgenossen ihres Herrn den Boden ihrer Länder
'"ehe zu betreten gestatten, an allen Orten treuloses oder zweideutiges Jutriguiren
der Lehnsleute und Würdenträger des Königs der Könige, sind zweifellose Spuren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/191>, abgerufen am 23.07.2024.