Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.^esls. Es ist in Prosa geschrieben, und spielt in den Zeiten Ludwigs X. von Das Lustspiel Keau (1836) ist auch Zugstück unsrer Bühnen geworden. Grenzten, IV. -I8lit. 22
^esls. Es ist in Prosa geschrieben, und spielt in den Zeiten Ludwigs X. von Das Lustspiel Keau (1836) ist auch Zugstück unsrer Bühnen geworden. Grenzten, IV. -I8lit. 22
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^esls. Es ist in Prosa geschrieben, und spielt in den Zeiten Ludwigs X. von
Frankreich. Die Königin von Frankreich, welche schon in ihrer frühen Jugend
Mannichfache Unthaten verübt hat, z. B. ihren Vater ermordet, feiert in dem
Thurm von Nesle mit ihren beiden Schwestern allnächtlich wüste Orgien, zu de¬
nen sie jedesmal drei junge fremde Kavaliere aufgreifen läßt, die uach einige»
Stunden ausschweifender Lust in den Fluß gestürzt werden, um die Königin nicht
zu compromittiren. Daß es bei der Unterschiedloflgkeit in der Wahl ihrer Lieb¬
haber vorkommt, daß sich zuweilen auch ihre eigenen Söhne darunter finden, und
daß daraus eine Reihe namhafter Greuel hervorgeht, ist begreiflich. Das Stück
fällt in eine Zeit, wo man eine Art Heißhunger nach fürchterlichen Criminalge-
Mchten fühlte. Diese häuften sich aber so stark, daß das französische Publicum
unt Macbeth hätte sagen können: Es gab eine Zeit, wo sich mir das Haar sträubte,
wenn ein einsamer Nachtvogel schrie, jetzt aber habe ich mit den Gespenstern zu
Nacht gespeist, die Greuel sind meinen abgehärteten Gedanken zur Gewohnheit
^worden und berühren mich nicht mehr. — Wenn sich aber der Thurm von
Nesle in der Masse der Greuelthaten vor den gleichzeitigen Erfindungen der
^ugen Tue und der Sonin- nicht auszeichnet, so empfiehlt er sich dagegen durch
^Ne größere Kürze und Gedrungenheit.
Das Lustspiel Keau (1836) ist auch Zugstück unsrer Bühnen geworden.
^ enthält eine Apologie des Genius, freilich auf Dumas'sche Manier. Da-
'Rails hatte sich die schon lange in Deutschland herrschende Vorstellung, ans den
Künstler sei der Maßstab der Alltagsmoral nicht anwendbar, auch in Frankreich
Abreitet. Alfred de Vigny hat in seinein Roman: 8l<ztio on l<Z8 äiadles bleus (1832)
^Ac Reihe von Dichtern zusammengestellt, die untergehen mußten, weil die pro-
Whe Welt unfähig war, sie zu begreisen. Einen derselben, Chatterton, hatte
^' spater (183/i) zu einem Drama verarbeitet, welches in Paris einen großen
^Allang fand, denn es war das erste Werk, in welchem die heimlichen zarten
jungen der Seele sich frei zu enthalten die Kühnheit hatten. Damals rührte es
""es, wenn man die Sensibilität einer feingestimmter Seele durch die rohen Hände
^' w endlichen Interessen befangenen Bourgeoisie zerreißen sah. Die blos süh-
euden Naturen, der Dichter, das leidende Weib und der den endlichen Jnter-
abgestorbene Quäker, sind hier die Ideale; der Bürger mit seiner massiven
Erwerbsthätigkeit der herzlose Tyrann. In dieser Gefühlsseligkeit ließ man die
U'Masken ganz aus denAugeu; man vergaß, daß Chatterton nicht ander herz¬
en Wx^, sondern an einer innern Krankheit, an der Monomanie der Lüge,'untergegangen war. In vier Jahren hatte sich die Sache umgekehrt. Emile Son-
^fere stellte in seinem Henri Hamelin (1838) den Bürger, der sich den endlichen
^uteressen hingab, als das Ideal dar, und den mit der Welt zerfallenen Kunst-
^' so wie das in inneren Emotionen sich erschöpfende Weib als die kranke und
enverfliche Natur. Das Stück fand eben so viel Beifall als Chatterton, und seit
Grenzten, IV. -I8lit. 22
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