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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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bestimmt, zu dem angemessenen Heroismus erhebt, ist ganz aus Schiller genom¬
men, nur ist der Contrast viel roher ausgearbeitet und bis zur Unmöglichkeit
gesteigert. Auf die eigentliche Handlung hat diese historische Episode keinen Ein¬
fluß. -- Der Held dieser Novelle ist Uaqoub, ein Orientale, der durch den
Grafen von Savoisy aus seinem Vaterlande entführt ist und als Vasall auf
dessen Schloß lebt. Von dem Gesinde verspottet und als Ungläubiger mit
Verachtung behandelt, wird er, der in seinem Vaterlande der liebenswürdigste
Jüngling geblieben wäre, ein Menschenfeind. Er liegt in finsterer Ruhe einsam
auf seiner Tigerhaut und träumt von Löwenjagden in den Wüsten Egyptens,
während die Vasallen ihren Lustbarkeiten nachgehen. Einer derselben, der näm¬
liche, der ihn gefangen genommen, schlägt nach ihm, er stößt ihm den Dolch ins
Herz. Es wird Gericht über ihn gehalten, der Graf selbst prästdirt demselben
und verurtheilt ihn zum Tode. Da übt der König Karl sein souveraines Recht
und begnadigt ihn. Aber U^gvub ist des Lebens überdrüssig und will sich selbst
todten, als sich plötzlich eine Tapete öffnet und. eine sanfte Stimme ihm zuruft,
er möge leben. Diese Stimme ist die der Gräfin Bvrangere, für die er schon
längst in heimlicher Liebe erglüht. Die Gräfin hat ihrem Gemahl keine Kinder
gegeben, und da dieser es sür eine Pflicht des Staatsbürgers hält, in so be¬
drängter Zeit dem Vaterlande Vertheidiger zu erziehen, so läßt er sich von ihr
scheiden und heirathet eine Andere. Ganz vom Gefühl der Rache erfüllt, ver¬
spricht sie Uaqoub, wenn er den Grafen ermordet, ihn zu lieben und ihm nach
dem Orient zu folgen. Der Graf hat ihm eben einen Freibrief ausgestellt und ihm
sonst noch mannichfache Wohlthaten erwiesen, aber die Stimme der LeidensctM
spricht lauter in ihm, als das Gewissen, und er mordet den Grafen. Als er
von seiner Unthat zurückkehrt, findet er die Gräfin als eine Leiche; sie hat Gift
genommen, und Uaqvub bleibt nichts Anderes übrig, als einsam in seine Wüste zu¬
rückzukehren. Wer mit Victor Hugo bekannt ist, wird schon in dieser Skizze die
Verwandschaft der Anlage herausfühlen; sie tritt aber uoch deutlicher hervor,
wenn man die Ausführung ins Auge faßt. Alle die erwähnten Personen, so
die meisten der einzelnen Scenen, würden in jedem beliebigen Victor Hugo'sM"
Drama ihre Stelle finden; so z. B. die feierlichen Formen des Gerichs.

Ungefähr in die nämliche Zeit (183L) fällt ein höchst verwildertes Drama,
Napoleon, in welchem die Hauptmomente ans dem Leben dieses Helden von
der Belagerung von Toulon an bis zu seinem Tode in einer Reihe von TableM
dargestellt werden. Um eine Art von novellistischen Zusammenhang herzustellen,
ist eine erdichtete Person hinzugefügt, ein Spion, dem Napoleon in der erste"
Scene das Leben schenkt, und der ihn ans Dankbarkeit als treuer Hund auf alle"
seinen Abenteuern begleitet, bis er endlich in einem Befreiungsversuche auf Se.
leua für ihn stirbt. Die Begriffe der Kunst hören in diesem Drama vollständig ans-

In dasselbe oder das folgende Jahr fällt das Schauderstück tour 6<-


bestimmt, zu dem angemessenen Heroismus erhebt, ist ganz aus Schiller genom¬
men, nur ist der Contrast viel roher ausgearbeitet und bis zur Unmöglichkeit
gesteigert. Auf die eigentliche Handlung hat diese historische Episode keinen Ein¬
fluß. — Der Held dieser Novelle ist Uaqoub, ein Orientale, der durch den
Grafen von Savoisy aus seinem Vaterlande entführt ist und als Vasall auf
dessen Schloß lebt. Von dem Gesinde verspottet und als Ungläubiger mit
Verachtung behandelt, wird er, der in seinem Vaterlande der liebenswürdigste
Jüngling geblieben wäre, ein Menschenfeind. Er liegt in finsterer Ruhe einsam
auf seiner Tigerhaut und träumt von Löwenjagden in den Wüsten Egyptens,
während die Vasallen ihren Lustbarkeiten nachgehen. Einer derselben, der näm¬
liche, der ihn gefangen genommen, schlägt nach ihm, er stößt ihm den Dolch ins
Herz. Es wird Gericht über ihn gehalten, der Graf selbst prästdirt demselben
und verurtheilt ihn zum Tode. Da übt der König Karl sein souveraines Recht
und begnadigt ihn. Aber U^gvub ist des Lebens überdrüssig und will sich selbst
todten, als sich plötzlich eine Tapete öffnet und. eine sanfte Stimme ihm zuruft,
er möge leben. Diese Stimme ist die der Gräfin Bvrangere, für die er schon
längst in heimlicher Liebe erglüht. Die Gräfin hat ihrem Gemahl keine Kinder
gegeben, und da dieser es sür eine Pflicht des Staatsbürgers hält, in so be¬
drängter Zeit dem Vaterlande Vertheidiger zu erziehen, so läßt er sich von ihr
scheiden und heirathet eine Andere. Ganz vom Gefühl der Rache erfüllt, ver¬
spricht sie Uaqoub, wenn er den Grafen ermordet, ihn zu lieben und ihm nach
dem Orient zu folgen. Der Graf hat ihm eben einen Freibrief ausgestellt und ihm
sonst noch mannichfache Wohlthaten erwiesen, aber die Stimme der LeidensctM
spricht lauter in ihm, als das Gewissen, und er mordet den Grafen. Als er
von seiner Unthat zurückkehrt, findet er die Gräfin als eine Leiche; sie hat Gift
genommen, und Uaqvub bleibt nichts Anderes übrig, als einsam in seine Wüste zu¬
rückzukehren. Wer mit Victor Hugo bekannt ist, wird schon in dieser Skizze die
Verwandschaft der Anlage herausfühlen; sie tritt aber uoch deutlicher hervor,
wenn man die Ausführung ins Auge faßt. Alle die erwähnten Personen, so
die meisten der einzelnen Scenen, würden in jedem beliebigen Victor Hugo'sM"
Drama ihre Stelle finden; so z. B. die feierlichen Formen des Gerichs.

Ungefähr in die nämliche Zeit (183L) fällt ein höchst verwildertes Drama,
Napoleon, in welchem die Hauptmomente ans dem Leben dieses Helden von
der Belagerung von Toulon an bis zu seinem Tode in einer Reihe von TableM
dargestellt werden. Um eine Art von novellistischen Zusammenhang herzustellen,
ist eine erdichtete Person hinzugefügt, ein Spion, dem Napoleon in der erste»
Scene das Leben schenkt, und der ihn ans Dankbarkeit als treuer Hund auf alle»
seinen Abenteuern begleitet, bis er endlich in einem Befreiungsversuche auf Se.
leua für ihn stirbt. Die Begriffe der Kunst hören in diesem Drama vollständig ans-

In dasselbe oder das folgende Jahr fällt das Schauderstück tour 6<-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/172>, abgerufen am 23.07.2024.