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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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seiner Mutter war durch Unglücksfälle erschöpft. Da seiue frühere Bildung sich
vollständig auf die ritterlichen Künste des Reitens, Fechtens und Billardspiclens
beschränkt hatte, so konnte er als Grundlage seiner gesellschaftlichen Position nichts
weiter nnfweisen, als seine gute Handschrift, kraft deren ihm ein alter Freund
seines Vaters, der General Foy, eine Secretairstelle im Bureau des Herzogs von
Orleans verschaffte. Die Mußestunden seines Amtes wuchte er mit unglaub¬
licher Anstrengung dazu, seine Bildung zu ergänzen. Er las Bücher nach allen
Richtungen hin, natürlich sehr zerstreut, aber doch bei seinem guten Gedächtnis!
"icht ohne Frucht. Bestimmend wirkte auf ihn im Jahre 1827 das Erscheinen
einer englischen Schauspielertruppe in Paris, welche deu Hamlet und die übrigen
Shad'speare'schen Stücke aufführte, und ihm dadurch eine neue Welt eröffnete.
Die Kenntniß Shakspeare's, abgesehen von der schlechten Bearbeitung von
Duciö, war damals noch el" Eigenthum einzelner bevorzugter Kreise. Zwar
hatte im Jahre -1825 ein gewisser Sorsum die Kühnheit gehabt, einen Theil der
Shakspeare'schen Stücke in gemischten Versen to.w" l'wie,5 ol. eimüs) zu über¬
säen, und Alfred de Vigny hatte Anmerkungen dazu geschrieben; aber diese
Uebersetzung war wenig bekannt geworden. Eine gute Uebersetzung des Othello
von Alfred de Vigny um'c- 6.-Veuil""-) erschien erst Ende des Jahres 182ö.
Dumas versichert nun, er habe die Stücke von Shakspeare, Goethe, Schiller
s> w. sorgfältig studirt und analhsirt, um sich auf seinen dramatischen Beruf
vorzubereiten. Wie das mit seiner mangelhaften Sprachkenntniß in Uebereiustün-
'U"ng zu bringen ist, wissen wir nicht recht. Gelesen hat er sie jedenfalls, das
bezeugen schon seine vielfachen Plagiate. Gleich in seinem ersten Stück, "Christine",
linden wir mit Erstannen den Monolog Alba's ans dem Egmont Wort für Wort
^'M C^-sen Sentinelli in den Mund gelegt. In dem nämlichen Stück wird das
Gespräch vou Devereux und Macdonald aus dem Wallenstein ans eine gleiche
Situation übertragen. Aehnliche Plagiate finden sich, in allen übrigen Stücken.
Die Kritiker haben ihn heftig deswegen angegriffen, aber er hat mit großer Ge-
"'üthsrnhe die Worte Molle-re'ö wiederholt: "Ich nehme mein Eigenthum, wo
^) es finde."

Einen nicht geringern Einfluß, als die Lecture der fremden Dramatiker,
übten ans ihn die Neuerungen in der Malerei aus. Im Salon von -1827 waren
°"'e ganze Reihe von Gemälden, die entschieden mit der elastischen Schule David's
hundelt, darunter das Blutbad aus ScivS von Paul Delacroix, Mazeppa vou
Boulanger, Hiob von Se. Evre n. f. w. Ueberhaupt hat man ans das Zusam¬
mengehen der Revolutionen in der plastischen Kunst mit den Revolutionen in der
Poesie noch zu wenig Aufmerksamkeit gewendet. Unter diesen Gemälden war
<n'us, welches Dumas zu seinem ersten Drama Veranlassung gab: der Tod Mo-
NÄdeschi's vou Mademoiselle de Fauveau. Vorher hatte er einige Versuche ge-
nuicht, die er aber wieder vernichtete, z. B. eine Bearbeitung des Schiller'scheu


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seiner Mutter war durch Unglücksfälle erschöpft. Da seiue frühere Bildung sich
vollständig auf die ritterlichen Künste des Reitens, Fechtens und Billardspiclens
beschränkt hatte, so konnte er als Grundlage seiner gesellschaftlichen Position nichts
weiter nnfweisen, als seine gute Handschrift, kraft deren ihm ein alter Freund
seines Vaters, der General Foy, eine Secretairstelle im Bureau des Herzogs von
Orleans verschaffte. Die Mußestunden seines Amtes wuchte er mit unglaub¬
licher Anstrengung dazu, seine Bildung zu ergänzen. Er las Bücher nach allen
Richtungen hin, natürlich sehr zerstreut, aber doch bei seinem guten Gedächtnis!
"icht ohne Frucht. Bestimmend wirkte auf ihn im Jahre 1827 das Erscheinen
einer englischen Schauspielertruppe in Paris, welche deu Hamlet und die übrigen
Shad'speare'schen Stücke aufführte, und ihm dadurch eine neue Welt eröffnete.
Die Kenntniß Shakspeare's, abgesehen von der schlechten Bearbeitung von
Duciö, war damals noch el» Eigenthum einzelner bevorzugter Kreise. Zwar
hatte im Jahre -1825 ein gewisser Sorsum die Kühnheit gehabt, einen Theil der
Shakspeare'schen Stücke in gemischten Versen to.w« l'wie,5 ol. eimüs) zu über¬
säen, und Alfred de Vigny hatte Anmerkungen dazu geschrieben; aber diese
Uebersetzung war wenig bekannt geworden. Eine gute Uebersetzung des Othello
von Alfred de Vigny um'c- 6.-Veuil»«-) erschien erst Ende des Jahres 182ö.
Dumas versichert nun, er habe die Stücke von Shakspeare, Goethe, Schiller
s> w. sorgfältig studirt und analhsirt, um sich auf seinen dramatischen Beruf
vorzubereiten. Wie das mit seiner mangelhaften Sprachkenntniß in Uebereiustün-
'U"ng zu bringen ist, wissen wir nicht recht. Gelesen hat er sie jedenfalls, das
bezeugen schon seine vielfachen Plagiate. Gleich in seinem ersten Stück, „Christine",
linden wir mit Erstannen den Monolog Alba's ans dem Egmont Wort für Wort
^'M C^-sen Sentinelli in den Mund gelegt. In dem nämlichen Stück wird das
Gespräch vou Devereux und Macdonald aus dem Wallenstein ans eine gleiche
Situation übertragen. Aehnliche Plagiate finden sich, in allen übrigen Stücken.
Die Kritiker haben ihn heftig deswegen angegriffen, aber er hat mit großer Ge-
"'üthsrnhe die Worte Molle-re'ö wiederholt: „Ich nehme mein Eigenthum, wo
^) es finde."

Einen nicht geringern Einfluß, als die Lecture der fremden Dramatiker,
übten ans ihn die Neuerungen in der Malerei aus. Im Salon von -1827 waren
°"'e ganze Reihe von Gemälden, die entschieden mit der elastischen Schule David's
hundelt, darunter das Blutbad aus ScivS von Paul Delacroix, Mazeppa vou
Boulanger, Hiob von Se. Evre n. f. w. Ueberhaupt hat man ans das Zusam¬
mengehen der Revolutionen in der plastischen Kunst mit den Revolutionen in der
Poesie noch zu wenig Aufmerksamkeit gewendet. Unter diesen Gemälden war
<n'us, welches Dumas zu seinem ersten Drama Veranlassung gab: der Tod Mo-
NÄdeschi's vou Mademoiselle de Fauveau. Vorher hatte er einige Versuche ge-
nuicht, die er aber wieder vernichtete, z. B. eine Bearbeitung des Schiller'scheu


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[0167] seiner Mutter war durch Unglücksfälle erschöpft. Da seiue frühere Bildung sich vollständig auf die ritterlichen Künste des Reitens, Fechtens und Billardspiclens beschränkt hatte, so konnte er als Grundlage seiner gesellschaftlichen Position nichts weiter nnfweisen, als seine gute Handschrift, kraft deren ihm ein alter Freund seines Vaters, der General Foy, eine Secretairstelle im Bureau des Herzogs von Orleans verschaffte. Die Mußestunden seines Amtes wuchte er mit unglaub¬ licher Anstrengung dazu, seine Bildung zu ergänzen. Er las Bücher nach allen Richtungen hin, natürlich sehr zerstreut, aber doch bei seinem guten Gedächtnis! "icht ohne Frucht. Bestimmend wirkte auf ihn im Jahre 1827 das Erscheinen einer englischen Schauspielertruppe in Paris, welche deu Hamlet und die übrigen Shad'speare'schen Stücke aufführte, und ihm dadurch eine neue Welt eröffnete. Die Kenntniß Shakspeare's, abgesehen von der schlechten Bearbeitung von Duciö, war damals noch el» Eigenthum einzelner bevorzugter Kreise. Zwar hatte im Jahre -1825 ein gewisser Sorsum die Kühnheit gehabt, einen Theil der Shakspeare'schen Stücke in gemischten Versen to.w« l'wie,5 ol. eimüs) zu über¬ säen, und Alfred de Vigny hatte Anmerkungen dazu geschrieben; aber diese Uebersetzung war wenig bekannt geworden. Eine gute Uebersetzung des Othello von Alfred de Vigny um'c- 6.-Veuil»«-) erschien erst Ende des Jahres 182ö. Dumas versichert nun, er habe die Stücke von Shakspeare, Goethe, Schiller s> w. sorgfältig studirt und analhsirt, um sich auf seinen dramatischen Beruf vorzubereiten. Wie das mit seiner mangelhaften Sprachkenntniß in Uebereiustün- 'U"ng zu bringen ist, wissen wir nicht recht. Gelesen hat er sie jedenfalls, das bezeugen schon seine vielfachen Plagiate. Gleich in seinem ersten Stück, „Christine", linden wir mit Erstannen den Monolog Alba's ans dem Egmont Wort für Wort ^'M C^-sen Sentinelli in den Mund gelegt. In dem nämlichen Stück wird das Gespräch vou Devereux und Macdonald aus dem Wallenstein ans eine gleiche Situation übertragen. Aehnliche Plagiate finden sich, in allen übrigen Stücken. Die Kritiker haben ihn heftig deswegen angegriffen, aber er hat mit großer Ge- "'üthsrnhe die Worte Molle-re'ö wiederholt: „Ich nehme mein Eigenthum, wo ^) es finde." Einen nicht geringern Einfluß, als die Lecture der fremden Dramatiker, übten ans ihn die Neuerungen in der Malerei aus. Im Salon von -1827 waren °"'e ganze Reihe von Gemälden, die entschieden mit der elastischen Schule David's hundelt, darunter das Blutbad aus ScivS von Paul Delacroix, Mazeppa vou Boulanger, Hiob von Se. Evre n. f. w. Ueberhaupt hat man ans das Zusam¬ mengehen der Revolutionen in der plastischen Kunst mit den Revolutionen in der Poesie noch zu wenig Aufmerksamkeit gewendet. Unter diesen Gemälden war <n'us, welches Dumas zu seinem ersten Drama Veranlassung gab: der Tod Mo- NÄdeschi's vou Mademoiselle de Fauveau. Vorher hatte er einige Versuche ge- nuicht, die er aber wieder vernichtete, z. B. eine Bearbeitung des Schiller'scheu 21 >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/167>, abgerufen am 23.07.2024.