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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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behaupteten, er habe für seine Person zwei Polnische Groschen und für seinen Tor¬
nister zwei Polnische Groschen (zusammen 8 Pfennige) zu entrichten. Der Hand-
werksbursche war aber in Kalisch schon vor den Schurkereien der Chansseceinnehmer
gewarnt worden, und weigerte sich daher, irgend Etwas zu zahle", ohne daß
ihm die Rechtmäßigst der Forderung aus dem gestempelten Tarif nachgewiesen
wer'de. Es kam zur Balgerei, und man würde dem armen Teufel die Paar
Pfennige abgenommen haben, hätten nicht ich und meine Reisegefährten uns seiner
angenommen. Unser Kutscher, ,ein in dem Polnischen Treiben gut rontinirter Kerl,
ließ in der Verwirrung deu Schlagbaum in die Höhe, rückte die Kutsche durch,
nahm rasch auch den Handwerksburschen auf, und fuhr mit Hohngelächter in
Galopp davon, ohne Etwas bezahlt z" haben.

Dieses Treiben hat an den Chausseen in Folge eines andern Steuerarran¬
gements aufgehört, besteht aber noch in verschiedenen Feldern der Staatswirth-
schaft fort. So sind Post und Steuer fort und fort Gegenstände des Monopols,
und bei beiden ist aus politischen Rücksichten nur die Vorkehrung getroffen,
daß die Beamten kaiserlich sind, und dem Kaiser den ersten und wichtiger" Eid
geleistet haben müsse",' Nothgedrungen werde" sie a" einem ihrer beiden Herren,
entweder dem jüdischen Monopolpächter, oder dem- Kaiser zu Schurken; größten-
theils an beide", indem sie sich selbst für diejenigen Personen ansehen, für deren
Vortheile sie Pflichten tragen. Je vielseitiger aber ihre Verbindlichkeiten, desto
mehr Spielraum ist ihren Händen gewährt, und diese drücke" mit der ganzen
Krampshaftigkeit von Raubthicrklauen ans das Publicum. Die unumgängliche
Bestechung erhöht z. B. jeden Zoll "in -mindestens ein. Drittheil. Ohne Beste¬
chung der Beamten, welche den Frachtschein auszuhändigen haben, gelangt man "u
Verlauf von Wochen nicht an Diejenigen, welche die Waaren controlweise ver¬
wiegen. Ohne Bestechung Derselben würde es sehr spät werden, die schriftliche Nu'h-
tigkcitSbefiudung auf de" Frachtscheiu zu bekommen, und von den ChansfeebeaM-
ten augenonuuen zu werden, und ohne Bestechung Derselben würde es lauge
dauern, bis der Zoll oder die Steuer angenommen, die Quittung ausgestellt und
der Frachtschein gestempelt wird; und wollte mau nun die Beamten des Coa
trolamtcs, denen man alle erwähnte Papiere vorzulegen hat, uicht bestechen, 1"
würde es wieder Wochen lang dauern, bis man den Schein erlangt, ans welchen
die Vcrwiegungsbeamteu erst die Waare ausliefern. Scheu diese Verzweigung
des amtlichen Ganges ist eine Folge des Monopols; eben so die scheußliche Eigen¬
mächtigkeit der Beamten zum Zweck der Bestechung. Sie haben vom kaffer-
liche" Gesetz uur zu fürchten, wenn sie Waaren durchgehen lassen, die nicht in
das Bereich des Monopols gehöre", oder die vorhandenen Ausuahmeverordnnuge"
nicht beobachten. Um alles Andere sieht sie die Behörde uicht an. Der Mono¬
polpächter wieder fordert vou thuen, daß sie den richtigen Zollsaiz erheben, un
sieht sie um weiter Nichts an, und so behält ihre Willkür einen Spielraum, der


behaupteten, er habe für seine Person zwei Polnische Groschen und für seinen Tor¬
nister zwei Polnische Groschen (zusammen 8 Pfennige) zu entrichten. Der Hand-
werksbursche war aber in Kalisch schon vor den Schurkereien der Chansseceinnehmer
gewarnt worden, und weigerte sich daher, irgend Etwas zu zahle», ohne daß
ihm die Rechtmäßigst der Forderung aus dem gestempelten Tarif nachgewiesen
wer'de. Es kam zur Balgerei, und man würde dem armen Teufel die Paar
Pfennige abgenommen haben, hätten nicht ich und meine Reisegefährten uns seiner
angenommen. Unser Kutscher, ,ein in dem Polnischen Treiben gut rontinirter Kerl,
ließ in der Verwirrung deu Schlagbaum in die Höhe, rückte die Kutsche durch,
nahm rasch auch den Handwerksburschen auf, und fuhr mit Hohngelächter in
Galopp davon, ohne Etwas bezahlt z» haben.

Dieses Treiben hat an den Chausseen in Folge eines andern Steuerarran¬
gements aufgehört, besteht aber noch in verschiedenen Feldern der Staatswirth-
schaft fort. So sind Post und Steuer fort und fort Gegenstände des Monopols,
und bei beiden ist aus politischen Rücksichten nur die Vorkehrung getroffen,
daß die Beamten kaiserlich sind, und dem Kaiser den ersten und wichtiger» Eid
geleistet haben müsse»,' Nothgedrungen werde» sie a» einem ihrer beiden Herren,
entweder dem jüdischen Monopolpächter, oder dem- Kaiser zu Schurken; größten-
theils an beide», indem sie sich selbst für diejenigen Personen ansehen, für deren
Vortheile sie Pflichten tragen. Je vielseitiger aber ihre Verbindlichkeiten, desto
mehr Spielraum ist ihren Händen gewährt, und diese drücke» mit der ganzen
Krampshaftigkeit von Raubthicrklauen ans das Publicum. Die unumgängliche
Bestechung erhöht z. B. jeden Zoll »in -mindestens ein. Drittheil. Ohne Beste¬
chung der Beamten, welche den Frachtschein auszuhändigen haben, gelangt man »u
Verlauf von Wochen nicht an Diejenigen, welche die Waaren controlweise ver¬
wiegen. Ohne Bestechung Derselben würde es sehr spät werden, die schriftliche Nu'h-
tigkcitSbefiudung auf de» Frachtscheiu zu bekommen, und von den ChansfeebeaM-
ten augenonuuen zu werden, und ohne Bestechung Derselben würde es lauge
dauern, bis der Zoll oder die Steuer angenommen, die Quittung ausgestellt und
der Frachtschein gestempelt wird; und wollte mau nun die Beamten des Coa
trolamtcs, denen man alle erwähnte Papiere vorzulegen hat, uicht bestechen, 1"
würde es wieder Wochen lang dauern, bis man den Schein erlangt, ans welchen
die Vcrwiegungsbeamteu erst die Waare ausliefern. Scheu diese Verzweigung
des amtlichen Ganges ist eine Folge des Monopols; eben so die scheußliche Eigen¬
mächtigkeit der Beamten zum Zweck der Bestechung. Sie haben vom kaffer-
liche» Gesetz uur zu fürchten, wenn sie Waaren durchgehen lassen, die nicht in
das Bereich des Monopols gehöre», oder die vorhandenen Ausuahmeverordnnuge»
nicht beobachten. Um alles Andere sieht sie die Behörde uicht an. Der Mono¬
polpächter wieder fordert vou thuen, daß sie den richtigen Zollsaiz erheben, un
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/16>, abgerufen am 23.07.2024.