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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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alle möglichen Mittel hervorsuchte, den Einfluß dieser Macht und ihre Intriguen ge¬
genüber der Pforte zu brechen, oder doch wenigstens zu schwächen, und fand, daß,
um diese letztere zu unterstützen, das gewöhnliche Mittel diplomatischer Noten und
freundschaftlicher Einflüsterungen nicht mehr ausreiche.

Mit dem klare" Blicke, der den Sohn des handeltreibenden Albions überall
auszeichnet, erkannte er die Nothwendigkeit, der Regierung Hilfsquellen zu schaffen,
und zugleich die nächstliegenden Mittel, den vollständig zerrütteten Zuständen
der Provinzen durch verständige VerwaltuugSreformeu aufzuhelfen. So entstand der
noch giltige Handelsvertrag, dnrch welchen sich die Pforte verpflichtete, die Mono¬
pole und inneren Zollschranken fallen zu lasse". Jeder Producent erhielt das Recht,
nach Abzug des Zehnten und aller anderen Lasten, seine Ernte beliebig zu ver¬
kaufen; ein geringer Zoll, fünf Procent für die Einfuhr und zwölf für die Aus¬
fuhr, wurde allen englischen Schntzangehörgen zugestanden, und diese Gunst ans
alle Mächte, die' dem Vertrage freiwillig beitreten wollten, ausgedehnt; und obgleich
nun nicht wohl zu läugnen ist, daß diese tiefe Einmischung in die innere Gesetz¬
gebung und Verwaltung des Reiches sür's erste den Zweck harte, den Handel
Englands mit einem seiner besten Kunden zu regeln und zu begünstigen, so ist
doch gleichzeitig einleuchtend, daß dieselbe auch eine vortheilhafte Wiederbelebung
eines unbehilflichen und in Folge mangelnden Kreislaufs der Säfte der Verwesung
anheimfallenden Körpers zur Folge haben mußte.'

Diese eben so seltene als erleuchtete, wenn gleich nicht ganz des Eigennutzes
bare Politik hatte auch überall, wo die Verträge durchgefüht werden konnten,
den glänzendsten Erfolg bewährt. Längs der ganzen weiten Küste des Mittel-
'Neeres, in einem Theile Bulgariens, Rumeliens, in Anatolien, Aramanien, Syrien
". s. w. belebten zahlreiche Districte ihren Ackerbau und ihre Ausfuhr, so daß
endlich sogar die getreidereichen Donaufürstenthümer und selbst Nußland dadurch
ernstlich beunruhigt wurden. Nur von der Pforte hätte es abgehangen, noch
weiter greifende Verbesserungen zu erzielen; doch leider geriet!) das ganze Werk ins
Stocken dnrch eine Art gegenseitigen Mißtrauens, und namentlich durch die Ver¬
suche, einerseits die Verträge zu brechen, oder doch zu umgehe", und anderseits
durch die oft nicht zu billigende Weise, in der man ihre Aufrechterhaltung zu er¬
gingen strebte.

Die englischen Konsuln verfehlen nie, ihren Gesandten alle eclaianten Acte
der Willkür und NechtsunterdrückuNg, deren sie habhaft werden, mitzutheilen, oft
>°gar, wenn ausschließlich ottoniauische Unterthanen als Handelnde und Leidende
dabei betheiligt sind. Alle diese Documente und Thatsachen werden dann regel¬
mäßig dem Divan mit der Aufforderung zur Abhilfe unterlegt; doch theils aus
Eigennutz, theils durch Rußlands Gcgentreiben angestachelt, wird die Pforte^
Uamentlich in neuester Zeit oft ihrer Pflicht und ihren Interessen untreu, und thut
>"uach wenig, oder gar nichts, dem Uebel abzuhelfen.


alle möglichen Mittel hervorsuchte, den Einfluß dieser Macht und ihre Intriguen ge¬
genüber der Pforte zu brechen, oder doch wenigstens zu schwächen, und fand, daß,
um diese letztere zu unterstützen, das gewöhnliche Mittel diplomatischer Noten und
freundschaftlicher Einflüsterungen nicht mehr ausreiche.

Mit dem klare» Blicke, der den Sohn des handeltreibenden Albions überall
auszeichnet, erkannte er die Nothwendigkeit, der Regierung Hilfsquellen zu schaffen,
und zugleich die nächstliegenden Mittel, den vollständig zerrütteten Zuständen
der Provinzen durch verständige VerwaltuugSreformeu aufzuhelfen. So entstand der
noch giltige Handelsvertrag, dnrch welchen sich die Pforte verpflichtete, die Mono¬
pole und inneren Zollschranken fallen zu lasse». Jeder Producent erhielt das Recht,
nach Abzug des Zehnten und aller anderen Lasten, seine Ernte beliebig zu ver¬
kaufen; ein geringer Zoll, fünf Procent für die Einfuhr und zwölf für die Aus¬
fuhr, wurde allen englischen Schntzangehörgen zugestanden, und diese Gunst ans
alle Mächte, die' dem Vertrage freiwillig beitreten wollten, ausgedehnt; und obgleich
nun nicht wohl zu läugnen ist, daß diese tiefe Einmischung in die innere Gesetz¬
gebung und Verwaltung des Reiches sür's erste den Zweck harte, den Handel
Englands mit einem seiner besten Kunden zu regeln und zu begünstigen, so ist
doch gleichzeitig einleuchtend, daß dieselbe auch eine vortheilhafte Wiederbelebung
eines unbehilflichen und in Folge mangelnden Kreislaufs der Säfte der Verwesung
anheimfallenden Körpers zur Folge haben mußte.'

Diese eben so seltene als erleuchtete, wenn gleich nicht ganz des Eigennutzes
bare Politik hatte auch überall, wo die Verträge durchgefüht werden konnten,
den glänzendsten Erfolg bewährt. Längs der ganzen weiten Küste des Mittel-
'Neeres, in einem Theile Bulgariens, Rumeliens, in Anatolien, Aramanien, Syrien
». s. w. belebten zahlreiche Districte ihren Ackerbau und ihre Ausfuhr, so daß
endlich sogar die getreidereichen Donaufürstenthümer und selbst Nußland dadurch
ernstlich beunruhigt wurden. Nur von der Pforte hätte es abgehangen, noch
weiter greifende Verbesserungen zu erzielen; doch leider geriet!) das ganze Werk ins
Stocken dnrch eine Art gegenseitigen Mißtrauens, und namentlich durch die Ver¬
suche, einerseits die Verträge zu brechen, oder doch zu umgehe», und anderseits
durch die oft nicht zu billigende Weise, in der man ihre Aufrechterhaltung zu er¬
gingen strebte.

Die englischen Konsuln verfehlen nie, ihren Gesandten alle eclaianten Acte
der Willkür und NechtsunterdrückuNg, deren sie habhaft werden, mitzutheilen, oft
>°gar, wenn ausschließlich ottoniauische Unterthanen als Handelnde und Leidende
dabei betheiligt sind. Alle diese Documente und Thatsachen werden dann regel¬
mäßig dem Divan mit der Aufforderung zur Abhilfe unterlegt; doch theils aus
Eigennutz, theils durch Rußlands Gcgentreiben angestachelt, wird die Pforte^
Uamentlich in neuester Zeit oft ihrer Pflicht und ihren Interessen untreu, und thut
>"uach wenig, oder gar nichts, dem Uebel abzuhelfen.


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[0149] alle möglichen Mittel hervorsuchte, den Einfluß dieser Macht und ihre Intriguen ge¬ genüber der Pforte zu brechen, oder doch wenigstens zu schwächen, und fand, daß, um diese letztere zu unterstützen, das gewöhnliche Mittel diplomatischer Noten und freundschaftlicher Einflüsterungen nicht mehr ausreiche. Mit dem klare» Blicke, der den Sohn des handeltreibenden Albions überall auszeichnet, erkannte er die Nothwendigkeit, der Regierung Hilfsquellen zu schaffen, und zugleich die nächstliegenden Mittel, den vollständig zerrütteten Zuständen der Provinzen durch verständige VerwaltuugSreformeu aufzuhelfen. So entstand der noch giltige Handelsvertrag, dnrch welchen sich die Pforte verpflichtete, die Mono¬ pole und inneren Zollschranken fallen zu lasse». Jeder Producent erhielt das Recht, nach Abzug des Zehnten und aller anderen Lasten, seine Ernte beliebig zu ver¬ kaufen; ein geringer Zoll, fünf Procent für die Einfuhr und zwölf für die Aus¬ fuhr, wurde allen englischen Schntzangehörgen zugestanden, und diese Gunst ans alle Mächte, die' dem Vertrage freiwillig beitreten wollten, ausgedehnt; und obgleich nun nicht wohl zu läugnen ist, daß diese tiefe Einmischung in die innere Gesetz¬ gebung und Verwaltung des Reiches sür's erste den Zweck harte, den Handel Englands mit einem seiner besten Kunden zu regeln und zu begünstigen, so ist doch gleichzeitig einleuchtend, daß dieselbe auch eine vortheilhafte Wiederbelebung eines unbehilflichen und in Folge mangelnden Kreislaufs der Säfte der Verwesung anheimfallenden Körpers zur Folge haben mußte.' Diese eben so seltene als erleuchtete, wenn gleich nicht ganz des Eigennutzes bare Politik hatte auch überall, wo die Verträge durchgefüht werden konnten, den glänzendsten Erfolg bewährt. Längs der ganzen weiten Küste des Mittel- 'Neeres, in einem Theile Bulgariens, Rumeliens, in Anatolien, Aramanien, Syrien ». s. w. belebten zahlreiche Districte ihren Ackerbau und ihre Ausfuhr, so daß endlich sogar die getreidereichen Donaufürstenthümer und selbst Nußland dadurch ernstlich beunruhigt wurden. Nur von der Pforte hätte es abgehangen, noch weiter greifende Verbesserungen zu erzielen; doch leider geriet!) das ganze Werk ins Stocken dnrch eine Art gegenseitigen Mißtrauens, und namentlich durch die Ver¬ suche, einerseits die Verträge zu brechen, oder doch zu umgehe», und anderseits durch die oft nicht zu billigende Weise, in der man ihre Aufrechterhaltung zu er¬ gingen strebte. Die englischen Konsuln verfehlen nie, ihren Gesandten alle eclaianten Acte der Willkür und NechtsunterdrückuNg, deren sie habhaft werden, mitzutheilen, oft >°gar, wenn ausschließlich ottoniauische Unterthanen als Handelnde und Leidende dabei betheiligt sind. Alle diese Documente und Thatsachen werden dann regel¬ mäßig dem Divan mit der Aufforderung zur Abhilfe unterlegt; doch theils aus Eigennutz, theils durch Rußlands Gcgentreiben angestachelt, wird die Pforte^ Uamentlich in neuester Zeit oft ihrer Pflicht und ihren Interessen untreu, und thut >"uach wenig, oder gar nichts, dem Uebel abzuhelfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/149>, abgerufen am 23.07.2024.