Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.erlegt und ihn mit dem Neste seiner Beute in ein Exil nach Arabien schickt. In den zugänglicheren Küstenstrichen dagegen befleißigen sich die stets von Gerechtigkeit, oder vielmehr Ungerechtigkeit ist ebenfalls um klingende Münze Englands Einfluß unter dem Vorwande der Handelsfreiheit hat sich erlegt und ihn mit dem Neste seiner Beute in ein Exil nach Arabien schickt. In den zugänglicheren Küstenstrichen dagegen befleißigen sich die stets von Gerechtigkeit, oder vielmehr Ungerechtigkeit ist ebenfalls um klingende Münze Englands Einfluß unter dem Vorwande der Handelsfreiheit hat sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280765"/> <p xml:id="ID_449" prev="#ID_448"> erlegt und ihn mit dem Neste seiner Beute in ein Exil nach Arabien schickt.<lb/> An Zurückerstattnng, an Entschädigung der armen Schlachtopser denkt natürlich<lb/> Niemand.</p><lb/> <p xml:id="ID_450"> In den zugänglicheren Küstenstrichen dagegen befleißigen sich die stets von<lb/> europäischen Agenten bewachten Behörden einer größern Mäßigung, oder wenig¬<lb/> stens Vorsicht. Die Beamten wagen nicht, offen Blut und Thränen fließen zu<lb/> lassen, um sich zu bereichern; doch begehen sie ziemlich ungescheut eine Masse<lb/> weniger schreiender und den Administrativnnterschleifen ewiger sogannter civilisirter<lb/> Landesbehörden entsprechender Mißbräuche. Jede Gunst, jede gesetzlich gestattete<lb/> oder verpönte Bewilligung kauft man um schweres Geld; die Großwürdenträger<lb/> associiren sich mit den Steuerpächteru, Bauunternehmern, Lieferanten u. s. w.,<lb/> diese zahlen, jene unterstützen sie am Hofe zu Constantinopel, verschaffen<lb/> ihnen vortheilhafte Verträge, bewirken die Liquidation der Rechnungen u. s. w.;<lb/> wieder sind auch hier alle Mittel gut, die zum Ziele, das heißt zum Gelde<lb/> führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_451"> Gerechtigkeit, oder vielmehr Ungerechtigkeit ist ebenfalls um klingende Münze<lb/> feil. Ein armer, gemeiner Teufel, der sich auf einem Vergehen ertappen läßt,<lb/> wird gespießt, gepeitscht, oder auch laufen gelassen, je nach Umständen und Launen;<lb/> Prosit ist ja ohnehin keiner zu holen. Gegen einen Reichen, namentlich aber<lb/> gegen einen vermöglichen Rajah aber ist jeder Verdacht ein gefundener Handel, eine<lb/> Goldgrube für die richterlichen Behörden. Ist er klug, weiß er Mittel und<lb/> Wege zu finden, so geht er zwar mit etwas leichteren Taschen, aber rein und<lb/> weiß, als frisch gewaschene Unschuld aus der Untersuchung; — wo nicht, wehe ihm<lb/> und seineu Freunden, das Vermögen ist noch das Geringste, was verloren geht-<lb/> Daher kommt es auch^ daß man x. B. sogar in Smyrna, in der großen, «in<lb/> sorgfältigsten bewachten Handelsstadt, beinahe im Angesicht der Hauptstadt eine»<lb/> Civilgouverneur (wie gewöhnlich ein emporgekommener Lieblingssclave eines gro¬<lb/> ßen Herrn) findet, der keinen Para ans den öffentlichen Kassen zieht, und allmo¬<lb/> natlich wenigstens den Betrag seines ganzen Jahrgehaltes aufwendet, wobei, wie<lb/> man sich denken kann, die reichen Geschenke nach Stambul nicht gerechnet sind?<lb/> noch der bei Seite gelegte Nothpfennig, den der türkische Würdenträger für die<lb/> Zeit der Ungnade zu sammeln nie vergißt.</p><lb/> <p xml:id="ID_452" next="#ID_453"> Englands Einfluß unter dem Vorwande der Handelsfreiheit hat sich<lb/> Jahren und mit Erfolg des innern Zustandes der ottomanischen Provinzen ange-"<lb/> nommer. Unter Sultan Muhameds Regierung waren Monopole aller Art noch<lb/> in voller Kraft: unter Anderm dürfte der Bauer seiue Ernte nicht nach Belie¬<lb/> ben zu Markte bringen; er mußte abwarten, bis irgend ein Makler, mit einem<lb/> Firman aus Constantinopel versehen, ihm seine Vorräthe um einen beliebigen Preis<lb/> abzwang. Daher nahmen auch Elend und Entvölkerung in immer steigendem<lb/> Verhältniß überHand, bis der englische Gesandte, als- abgesagter Feind Rußlands,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
erlegt und ihn mit dem Neste seiner Beute in ein Exil nach Arabien schickt.
An Zurückerstattnng, an Entschädigung der armen Schlachtopser denkt natürlich
Niemand.
In den zugänglicheren Küstenstrichen dagegen befleißigen sich die stets von
europäischen Agenten bewachten Behörden einer größern Mäßigung, oder wenig¬
stens Vorsicht. Die Beamten wagen nicht, offen Blut und Thränen fließen zu
lassen, um sich zu bereichern; doch begehen sie ziemlich ungescheut eine Masse
weniger schreiender und den Administrativnnterschleifen ewiger sogannter civilisirter
Landesbehörden entsprechender Mißbräuche. Jede Gunst, jede gesetzlich gestattete
oder verpönte Bewilligung kauft man um schweres Geld; die Großwürdenträger
associiren sich mit den Steuerpächteru, Bauunternehmern, Lieferanten u. s. w.,
diese zahlen, jene unterstützen sie am Hofe zu Constantinopel, verschaffen
ihnen vortheilhafte Verträge, bewirken die Liquidation der Rechnungen u. s. w.;
wieder sind auch hier alle Mittel gut, die zum Ziele, das heißt zum Gelde
führen.
Gerechtigkeit, oder vielmehr Ungerechtigkeit ist ebenfalls um klingende Münze
feil. Ein armer, gemeiner Teufel, der sich auf einem Vergehen ertappen läßt,
wird gespießt, gepeitscht, oder auch laufen gelassen, je nach Umständen und Launen;
Prosit ist ja ohnehin keiner zu holen. Gegen einen Reichen, namentlich aber
gegen einen vermöglichen Rajah aber ist jeder Verdacht ein gefundener Handel, eine
Goldgrube für die richterlichen Behörden. Ist er klug, weiß er Mittel und
Wege zu finden, so geht er zwar mit etwas leichteren Taschen, aber rein und
weiß, als frisch gewaschene Unschuld aus der Untersuchung; — wo nicht, wehe ihm
und seineu Freunden, das Vermögen ist noch das Geringste, was verloren geht-
Daher kommt es auch^ daß man x. B. sogar in Smyrna, in der großen, «in
sorgfältigsten bewachten Handelsstadt, beinahe im Angesicht der Hauptstadt eine»
Civilgouverneur (wie gewöhnlich ein emporgekommener Lieblingssclave eines gro¬
ßen Herrn) findet, der keinen Para ans den öffentlichen Kassen zieht, und allmo¬
natlich wenigstens den Betrag seines ganzen Jahrgehaltes aufwendet, wobei, wie
man sich denken kann, die reichen Geschenke nach Stambul nicht gerechnet sind?
noch der bei Seite gelegte Nothpfennig, den der türkische Würdenträger für die
Zeit der Ungnade zu sammeln nie vergißt.
Englands Einfluß unter dem Vorwande der Handelsfreiheit hat sich
Jahren und mit Erfolg des innern Zustandes der ottomanischen Provinzen ange-"
nommer. Unter Sultan Muhameds Regierung waren Monopole aller Art noch
in voller Kraft: unter Anderm dürfte der Bauer seiue Ernte nicht nach Belie¬
ben zu Markte bringen; er mußte abwarten, bis irgend ein Makler, mit einem
Firman aus Constantinopel versehen, ihm seine Vorräthe um einen beliebigen Preis
abzwang. Daher nahmen auch Elend und Entvölkerung in immer steigendem
Verhältniß überHand, bis der englische Gesandte, als- abgesagter Feind Rußlands,
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