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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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zu sein, ein gleiches Lob zu Theil werden lassen, denn was Rußland zu Gunsten
des Handels und Gewerbes seines Volkes thue, thue wol kaum die Nordameri-
kanische Regierung.

Einzelne Maßnahmen scheinen allerdings beweisen zu wollen^ daß die Rus¬
sische Regierung ernstlich um das Gedeihen ihres Gewerb- und Handelswescns
besorgt sei, ja so eifrig, daß sie selbst Versündigungen an den Geboten der Hu¬
manität nicht fürchtet. Ihre Grenzsperre ist z. B. immer von der Regierung
für ein Gewerbebegünstiguugsmittel ausgegeben und im Auslande dafür angesehen
worden. Allem die Maßregel hat uur einen politischen Zweck, und ist die Ein¬
fuhr fremder Fabrikate theils geradezu verboten, theils durch die ungeheure Höhe
des Eingangszolles fast unmöglich gemacht, so ist dadurch nur die politische Ab"
Sperrung des Volkes vom Auslande vervollkommnet, und gehört in dieselbe Ka¬
tegorie von Maßregel", in welchen das Verbot, auf ausländischen Schulen und
Universitäten sich zu bilden, die furchtbare Besteuerung der nach dem Auslande
gerichteten Pässe, das strenge Verbot der Theilnahme an ausländischen wissen¬
schaftlichen und künstlerischen Vereinen u. s. w. stehen.

Kein Europäisches Land bedars so sehr des gewerblichen Verkehrs mit den
Außenländern, als Nußland und Polen, um seine eigenen Gewerbe zu heben; denn
das hängt nicht davon ab, daß die wenigen Fabrikanten des Landes übermäßig
reich werden, als daß ihrer mehrere werden und daß sie lernen. Da es nur sehr
wenige Fabriken giebt, so macheu diese einen unverschämt hohen Preis, und da
sie übermäßig gewinnen, so behandeln sie das Fabrikwesen desto handwerksmäßi¬
ger, um uoch immer mehr zu gewinnen.

Außerhalb Rußlands hat sich die gewerbliche Production bereits die Wissen¬
schaft zum Fundament nehmen müssen, und sie würde daher eine natürliche Schule
für die Russische und. Polnische Fabrikation sein, welche trotz den Gewerbeanöstel-
lnngen, die seit 1840 eingeführt sind, einen umgekehrten Proceß gemacht hat,
nämlich zur Empirie und Sudelei herab. Da man wegen der Sperrung der
Grenzen die ausländischen Fabrikate nicht kennt, so hält man natürlich die Su¬
deleien für schön und kauft sie, besonders wenn sie in äußerlichen Glanz prangen,
allein das Fabrikwesen verliert dadurch mehr und mehr an innerem Werth, und
zwar desto schneller, je gesicherter sich die Fabriken bei dem Maugel an Concurrenz
in ihrer Sudelei scheu.

In Polen giebt es zum Beispiel nur eine einzige Gnmmiwaarenfabrik, nur
eine einzige Tapetenfabrik, nur zwei Drahtgewebcfabriken, nur zwei Fabriken von
Metall und lackirten Waaren, nnr eine Nensilberwaarenfabrik n. s. w. Wie schlecht
diese Fabriken uun auch arbeiten, und wie theuer sie mit ihren Fabrikaten sind-
es muß von ihnen gekauft werden, denn die ausländische Concurrenz ist abgesehn^-
ten. Eine völlige Freigebung der Einfuhr würde natürlich die inländischen Fa¬
briken gefährlich drücken; dagegen würde ein weise entworfener Tarif für Einfuhr-


zu sein, ein gleiches Lob zu Theil werden lassen, denn was Rußland zu Gunsten
des Handels und Gewerbes seines Volkes thue, thue wol kaum die Nordameri-
kanische Regierung.

Einzelne Maßnahmen scheinen allerdings beweisen zu wollen^ daß die Rus¬
sische Regierung ernstlich um das Gedeihen ihres Gewerb- und Handelswescns
besorgt sei, ja so eifrig, daß sie selbst Versündigungen an den Geboten der Hu¬
manität nicht fürchtet. Ihre Grenzsperre ist z. B. immer von der Regierung
für ein Gewerbebegünstiguugsmittel ausgegeben und im Auslande dafür angesehen
worden. Allem die Maßregel hat uur einen politischen Zweck, und ist die Ein¬
fuhr fremder Fabrikate theils geradezu verboten, theils durch die ungeheure Höhe
des Eingangszolles fast unmöglich gemacht, so ist dadurch nur die politische Ab"
Sperrung des Volkes vom Auslande vervollkommnet, und gehört in dieselbe Ka¬
tegorie von Maßregel», in welchen das Verbot, auf ausländischen Schulen und
Universitäten sich zu bilden, die furchtbare Besteuerung der nach dem Auslande
gerichteten Pässe, das strenge Verbot der Theilnahme an ausländischen wissen¬
schaftlichen und künstlerischen Vereinen u. s. w. stehen.

Kein Europäisches Land bedars so sehr des gewerblichen Verkehrs mit den
Außenländern, als Nußland und Polen, um seine eigenen Gewerbe zu heben; denn
das hängt nicht davon ab, daß die wenigen Fabrikanten des Landes übermäßig
reich werden, als daß ihrer mehrere werden und daß sie lernen. Da es nur sehr
wenige Fabriken giebt, so macheu diese einen unverschämt hohen Preis, und da
sie übermäßig gewinnen, so behandeln sie das Fabrikwesen desto handwerksmäßi¬
ger, um uoch immer mehr zu gewinnen.

Außerhalb Rußlands hat sich die gewerbliche Production bereits die Wissen¬
schaft zum Fundament nehmen müssen, und sie würde daher eine natürliche Schule
für die Russische und. Polnische Fabrikation sein, welche trotz den Gewerbeanöstel-
lnngen, die seit 1840 eingeführt sind, einen umgekehrten Proceß gemacht hat,
nämlich zur Empirie und Sudelei herab. Da man wegen der Sperrung der
Grenzen die ausländischen Fabrikate nicht kennt, so hält man natürlich die Su¬
deleien für schön und kauft sie, besonders wenn sie in äußerlichen Glanz prangen,
allein das Fabrikwesen verliert dadurch mehr und mehr an innerem Werth, und
zwar desto schneller, je gesicherter sich die Fabriken bei dem Maugel an Concurrenz
in ihrer Sudelei scheu.

In Polen giebt es zum Beispiel nur eine einzige Gnmmiwaarenfabrik, nur
eine einzige Tapetenfabrik, nur zwei Drahtgewebcfabriken, nur zwei Fabriken von
Metall und lackirten Waaren, nnr eine Nensilberwaarenfabrik n. s. w. Wie schlecht
diese Fabriken uun auch arbeiten, und wie theuer sie mit ihren Fabrikaten sind-
es muß von ihnen gekauft werden, denn die ausländische Concurrenz ist abgesehn^-
ten. Eine völlige Freigebung der Einfuhr würde natürlich die inländischen Fa¬
briken gefährlich drücken; dagegen würde ein weise entworfener Tarif für Einfuhr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/14>, abgerufen am 23.07.2024.