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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Karr" gebildet hatten, antreten könnte. Aber der Hauptmann behielt ruhig die
bisherige Stellung bei, und bald darauf brachen die feindlichen Schaaren mit
Blitzesschnelle wieder hervor. Dreimal erscholl auf diese Weise vergeblich das Angriffs-
geschrei der Feinde, dreimal setzten sie zum Einhalten ans die Compagnie an, ver¬
geblich hoffend, dieselbe zum voreiligen Feuern zu verlocken, um sie dann unwider¬
stehlich zu vernichten. An 6--8 Mann waren von den einzelnen Schüssen der
Feinde schon in den Gliedern getödtet oder verwuttdet, und noch war ans dem Carre
selbst kein einziger Schuß gefallen. Zum vierten Mal jagten die Beduinen jetzt
auf dasselbe los, und waren diesmal schon bis an 200 Schritt nahe gekommen,
da commandirte der Hauptmann die Decharge des ersten und dritten Gliedes,
und bald daraus die des zweiten, während das vierte Glied in Reserve blieb. So
ruhig und sicher, kein Schuß auch nur um eine Viertelsecnude zu früh oder zu
spät, wie die wohldressirtestc Russische Gardecompagnie beim Probeexerciren vor
dem Kaiser es nicht besser machen könnte, so krachten die zweimaligen Salven-
Als der Pulverdampf sich einen Augenblick darauf aus dem Carro verzogen hatte,
erblickte man einige dreißig Rosse der Beduinen todt am Boden, oder sich ver¬
wundet umherwälzen, die feindlichen'Schaaren aber schon rückwärts gewandt, in
vollem Gejage davoneilend. Zwei Todte und drei Verwundete hatten sie zurück¬
gelassen, die übrigen Gefallenen aber mit den Haken fortgeschleift. Wenn irgend
möglich, läßt der Beduine nie seine Todten oder Verwundeten in der Gewalt deS
Feindes zurück, da Dies für schimpflich gilt. Jeder Reiter hat daher einen eiser¬
nen Haken an langem Strick bei sich, und wirft denselben mit großer Geschicklich'
keit in den Burnuß des liegenden Gefährten, um Denselben im schnellsten Lauf
des Pferdes nach sich zu schleppen. Freilich wird der arme Verwundete aus
solche Weise elendiglich geschleift, und muß eines furchtbaren Todes sterben, doch
was macht dies aus? nach den Vorstellungen seiner Gefährten gelaugt seine Seele
dadurch desto früher zu' den Genüssen des Paradieses, denn sein Körper wird
begraben nach dem Gesetz des Propheten.

Sobald der Angriff der Feinde abgeschlagen war, und man die Rosse liegen
sah, hörte für den Augenblick alle Disciplin in der Compagnie auf. Ohne sich
um Weiteres im Mindesten zu bekümmern, stürzten die Soldaten aus den Glieder",
und gleich gierigen Raubvögeln aus die Beute zu. Die drei verwundeten Bedui¬
nen erhielten einige Bayonnetstöße, um ihren ferneren Leiden ein Ende zu machen,
und dann ging es in eilender Hast an das Plündern. Besonders die Waffen
der Todten, wie das reiche Sattelzeug der Pferde, war Gegenstand der Habgier,
und es drohte zur blutigen Schlägerei darum unter den Soldaten zu kommen. SeM
tobten die Habgierigen in allen möglichen Flüchen der Welt gegen einander, Ba-
yonnetc blinkten zum feindseligen Stoß, Kolben wurden drohend erhoben, da ließ
der Hauptmann wieder Appell schlagen. Nicht allzu rasch, und sichtlich ungern,
folgten viele Soldaten den Klängen der Trommel, und sammelten sich wieder in


Karr« gebildet hatten, antreten könnte. Aber der Hauptmann behielt ruhig die
bisherige Stellung bei, und bald darauf brachen die feindlichen Schaaren mit
Blitzesschnelle wieder hervor. Dreimal erscholl auf diese Weise vergeblich das Angriffs-
geschrei der Feinde, dreimal setzten sie zum Einhalten ans die Compagnie an, ver¬
geblich hoffend, dieselbe zum voreiligen Feuern zu verlocken, um sie dann unwider¬
stehlich zu vernichten. An 6—8 Mann waren von den einzelnen Schüssen der
Feinde schon in den Gliedern getödtet oder verwuttdet, und noch war ans dem Carre
selbst kein einziger Schuß gefallen. Zum vierten Mal jagten die Beduinen jetzt
auf dasselbe los, und waren diesmal schon bis an 200 Schritt nahe gekommen,
da commandirte der Hauptmann die Decharge des ersten und dritten Gliedes,
und bald daraus die des zweiten, während das vierte Glied in Reserve blieb. So
ruhig und sicher, kein Schuß auch nur um eine Viertelsecnude zu früh oder zu
spät, wie die wohldressirtestc Russische Gardecompagnie beim Probeexerciren vor
dem Kaiser es nicht besser machen könnte, so krachten die zweimaligen Salven-
Als der Pulverdampf sich einen Augenblick darauf aus dem Carro verzogen hatte,
erblickte man einige dreißig Rosse der Beduinen todt am Boden, oder sich ver¬
wundet umherwälzen, die feindlichen'Schaaren aber schon rückwärts gewandt, in
vollem Gejage davoneilend. Zwei Todte und drei Verwundete hatten sie zurück¬
gelassen, die übrigen Gefallenen aber mit den Haken fortgeschleift. Wenn irgend
möglich, läßt der Beduine nie seine Todten oder Verwundeten in der Gewalt deS
Feindes zurück, da Dies für schimpflich gilt. Jeder Reiter hat daher einen eiser¬
nen Haken an langem Strick bei sich, und wirft denselben mit großer Geschicklich'
keit in den Burnuß des liegenden Gefährten, um Denselben im schnellsten Lauf
des Pferdes nach sich zu schleppen. Freilich wird der arme Verwundete aus
solche Weise elendiglich geschleift, und muß eines furchtbaren Todes sterben, doch
was macht dies aus? nach den Vorstellungen seiner Gefährten gelaugt seine Seele
dadurch desto früher zu' den Genüssen des Paradieses, denn sein Körper wird
begraben nach dem Gesetz des Propheten.

Sobald der Angriff der Feinde abgeschlagen war, und man die Rosse liegen
sah, hörte für den Augenblick alle Disciplin in der Compagnie auf. Ohne sich
um Weiteres im Mindesten zu bekümmern, stürzten die Soldaten aus den Glieder»,
und gleich gierigen Raubvögeln aus die Beute zu. Die drei verwundeten Bedui¬
nen erhielten einige Bayonnetstöße, um ihren ferneren Leiden ein Ende zu machen,
und dann ging es in eilender Hast an das Plündern. Besonders die Waffen
der Todten, wie das reiche Sattelzeug der Pferde, war Gegenstand der Habgier,
und es drohte zur blutigen Schlägerei darum unter den Soldaten zu kommen. SeM
tobten die Habgierigen in allen möglichen Flüchen der Welt gegen einander, Ba-
yonnetc blinkten zum feindseligen Stoß, Kolben wurden drohend erhoben, da ließ
der Hauptmann wieder Appell schlagen. Nicht allzu rasch, und sichtlich ungern,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/114>, abgerufen am 03.07.2024.