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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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sprach von rothen Wangen, bin jedoch dem Leser cillsogleich die Aufklärung schul¬
dig, daß hiermit nur mit rother Schminke überladene gemeint sein wollen. Die
Walachischen Mädchen sind schön; man findet unter ihnen sogar ausgezeichnete
Schönheiten. In ihren Formen, in der schönen, niedrigen Stirn, in den scharf-
gezogenen Augenbrauen, in den schwarzen, flammende,' Augen, in der edel ge¬
bogenen Nase, in dem schwellenden Munde, im ganzen Oval des Kopfes lebt
noch Etwas vom alten Römischen Typus. Hiermit jedoch noch nicht zufrieden,
glauben sie der, Natur durch einen Tiegel rother Schminke nachhelfen zu müssen,
und thun Dies oft wirklich noch über's Uebermaß hinaus. Die Walachischeu, oder
um sie mit dem neuen Oestreichisch staatsbürgerlichen Namen zu nennen, die Numä-
nischeu Mädchen wissen, daß sie wunderschönes schwarzes Haar habe", und
verstehen sich vortrefflich darauf, es in ganz nette zierliche Flechten zu legen.
Man kauu an ihnen oft äußerst geschmackvolle Kopfputze bemerken. Es ver¬
steht sich, daß künstliche Blumen dabei eine Hauptrolle spielen, so wie sie über¬
haupt einen der gebrauchteste" Luxusartikel unter den Abkömmlingen der Dacier
abgeben. Die Rumäninnen wissen auch, daß sie von Natur in Bezug aus ihre
Formeu durchaus nicht stiefmütterlich behandelt wurden, und thun Nichts, was
dieselben irgendwie verbollwerkeu könnte. Vielmehr sind sie in ihrem ganzen An-
zuge der möglichsten Einfachheit beflissen. Das Hauptstück ihres Anzuges ist ein
Kleid aus weißem Linnen, um den Hals, jedoch nicht allzuhoch und allzufest, durch
ein farbiges Band zusammengezogen, mit. weiten, offenen, an den Säumen oft
sehr hübsch gestickten Aermeln, und nicht ganz bis an die Knöchel reichend. Die
Kvtrinje, eine Vorderschnrze ans einem etwa eine halbe Elle breiten und eben
so langen Stücke bunten und mit Flittern berasten Stoffes, von dem die meist
rothen Fransen bis zur Erde herabhängen, und die Gizelje, eine gleichbeschaffcnc
Nückschnrze, dürfen nicht fehlen. Diese beiden Schürzen sind der Gegenstand
des Putzes und der Eitelkeit bei den Rumänischen Mädchen sowol als Weibern.
So einfach sie in der Form sind, so viel Geschmack und Geld wird oft aufge¬
wendet, um ja eine recht schöne Kvtrinje und eine noch schönere Gizelje zu haben.
Mau sinnt auf die Wahl, auf die Zusammenstellung der Farben, auf die Verzie¬
rung durch schillernden Flitter, durch schmale Gold- und Silberbördchcn; man
befleißt sich eines eigenen, etwas tanzenden Ganges, um namentlich den langen
Fransen der Gizelje beim Gehen eine gewisse hin- und herschwankende Bewegung
mitzutheilen, die man sehr hübsch findet. Eine Schnur Korallen, Glasperlen,
oder bei Reichern von Silbermünzen um den Hals vollenden den ganzen Festan-
zug, wenn nicht ein kühles Wetter das Anlegen einer Ueberjacke aus weißem,
buntbesetztem Tuche gebietet, die ganz die Form jeuer der Männer hat, nur daß
sie etwas weiter und länger ist. --

Die Musik hat die neuen Eheleute nach Hause begleitet, und kehrt um zurück,
um zum "Schock" (von joeux, Italienisch tzino") aufzuspielen. Die Zigeuner


sprach von rothen Wangen, bin jedoch dem Leser cillsogleich die Aufklärung schul¬
dig, daß hiermit nur mit rother Schminke überladene gemeint sein wollen. Die
Walachischen Mädchen sind schön; man findet unter ihnen sogar ausgezeichnete
Schönheiten. In ihren Formen, in der schönen, niedrigen Stirn, in den scharf-
gezogenen Augenbrauen, in den schwarzen, flammende,' Augen, in der edel ge¬
bogenen Nase, in dem schwellenden Munde, im ganzen Oval des Kopfes lebt
noch Etwas vom alten Römischen Typus. Hiermit jedoch noch nicht zufrieden,
glauben sie der, Natur durch einen Tiegel rother Schminke nachhelfen zu müssen,
und thun Dies oft wirklich noch über's Uebermaß hinaus. Die Walachischeu, oder
um sie mit dem neuen Oestreichisch staatsbürgerlichen Namen zu nennen, die Numä-
nischeu Mädchen wissen, daß sie wunderschönes schwarzes Haar habe», und
verstehen sich vortrefflich darauf, es in ganz nette zierliche Flechten zu legen.
Man kauu an ihnen oft äußerst geschmackvolle Kopfputze bemerken. Es ver¬
steht sich, daß künstliche Blumen dabei eine Hauptrolle spielen, so wie sie über¬
haupt einen der gebrauchteste» Luxusartikel unter den Abkömmlingen der Dacier
abgeben. Die Rumäninnen wissen auch, daß sie von Natur in Bezug aus ihre
Formeu durchaus nicht stiefmütterlich behandelt wurden, und thun Nichts, was
dieselben irgendwie verbollwerkeu könnte. Vielmehr sind sie in ihrem ganzen An-
zuge der möglichsten Einfachheit beflissen. Das Hauptstück ihres Anzuges ist ein
Kleid aus weißem Linnen, um den Hals, jedoch nicht allzuhoch und allzufest, durch
ein farbiges Band zusammengezogen, mit. weiten, offenen, an den Säumen oft
sehr hübsch gestickten Aermeln, und nicht ganz bis an die Knöchel reichend. Die
Kvtrinje, eine Vorderschnrze ans einem etwa eine halbe Elle breiten und eben
so langen Stücke bunten und mit Flittern berasten Stoffes, von dem die meist
rothen Fransen bis zur Erde herabhängen, und die Gizelje, eine gleichbeschaffcnc
Nückschnrze, dürfen nicht fehlen. Diese beiden Schürzen sind der Gegenstand
des Putzes und der Eitelkeit bei den Rumänischen Mädchen sowol als Weibern.
So einfach sie in der Form sind, so viel Geschmack und Geld wird oft aufge¬
wendet, um ja eine recht schöne Kvtrinje und eine noch schönere Gizelje zu haben.
Mau sinnt auf die Wahl, auf die Zusammenstellung der Farben, auf die Verzie¬
rung durch schillernden Flitter, durch schmale Gold- und Silberbördchcn; man
befleißt sich eines eigenen, etwas tanzenden Ganges, um namentlich den langen
Fransen der Gizelje beim Gehen eine gewisse hin- und herschwankende Bewegung
mitzutheilen, die man sehr hübsch findet. Eine Schnur Korallen, Glasperlen,
oder bei Reichern von Silbermünzen um den Hals vollenden den ganzen Festan-
zug, wenn nicht ein kühles Wetter das Anlegen einer Ueberjacke aus weißem,
buntbesetztem Tuche gebietet, die ganz die Form jeuer der Männer hat, nur daß
sie etwas weiter und länger ist. —

Die Musik hat die neuen Eheleute nach Hause begleitet, und kehrt um zurück,
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[0482] sprach von rothen Wangen, bin jedoch dem Leser cillsogleich die Aufklärung schul¬ dig, daß hiermit nur mit rother Schminke überladene gemeint sein wollen. Die Walachischen Mädchen sind schön; man findet unter ihnen sogar ausgezeichnete Schönheiten. In ihren Formen, in der schönen, niedrigen Stirn, in den scharf- gezogenen Augenbrauen, in den schwarzen, flammende,' Augen, in der edel ge¬ bogenen Nase, in dem schwellenden Munde, im ganzen Oval des Kopfes lebt noch Etwas vom alten Römischen Typus. Hiermit jedoch noch nicht zufrieden, glauben sie der, Natur durch einen Tiegel rother Schminke nachhelfen zu müssen, und thun Dies oft wirklich noch über's Uebermaß hinaus. Die Walachischeu, oder um sie mit dem neuen Oestreichisch staatsbürgerlichen Namen zu nennen, die Numä- nischeu Mädchen wissen, daß sie wunderschönes schwarzes Haar habe», und verstehen sich vortrefflich darauf, es in ganz nette zierliche Flechten zu legen. Man kauu an ihnen oft äußerst geschmackvolle Kopfputze bemerken. Es ver¬ steht sich, daß künstliche Blumen dabei eine Hauptrolle spielen, so wie sie über¬ haupt einen der gebrauchteste» Luxusartikel unter den Abkömmlingen der Dacier abgeben. Die Rumäninnen wissen auch, daß sie von Natur in Bezug aus ihre Formeu durchaus nicht stiefmütterlich behandelt wurden, und thun Nichts, was dieselben irgendwie verbollwerkeu könnte. Vielmehr sind sie in ihrem ganzen An- zuge der möglichsten Einfachheit beflissen. Das Hauptstück ihres Anzuges ist ein Kleid aus weißem Linnen, um den Hals, jedoch nicht allzuhoch und allzufest, durch ein farbiges Band zusammengezogen, mit. weiten, offenen, an den Säumen oft sehr hübsch gestickten Aermeln, und nicht ganz bis an die Knöchel reichend. Die Kvtrinje, eine Vorderschnrze ans einem etwa eine halbe Elle breiten und eben so langen Stücke bunten und mit Flittern berasten Stoffes, von dem die meist rothen Fransen bis zur Erde herabhängen, und die Gizelje, eine gleichbeschaffcnc Nückschnrze, dürfen nicht fehlen. Diese beiden Schürzen sind der Gegenstand des Putzes und der Eitelkeit bei den Rumänischen Mädchen sowol als Weibern. So einfach sie in der Form sind, so viel Geschmack und Geld wird oft aufge¬ wendet, um ja eine recht schöne Kvtrinje und eine noch schönere Gizelje zu haben. Mau sinnt auf die Wahl, auf die Zusammenstellung der Farben, auf die Verzie¬ rung durch schillernden Flitter, durch schmale Gold- und Silberbördchcn; man befleißt sich eines eigenen, etwas tanzenden Ganges, um namentlich den langen Fransen der Gizelje beim Gehen eine gewisse hin- und herschwankende Bewegung mitzutheilen, die man sehr hübsch findet. Eine Schnur Korallen, Glasperlen, oder bei Reichern von Silbermünzen um den Hals vollenden den ganzen Festan- zug, wenn nicht ein kühles Wetter das Anlegen einer Ueberjacke aus weißem, buntbesetztem Tuche gebietet, die ganz die Form jeuer der Männer hat, nur daß sie etwas weiter und länger ist. — Die Musik hat die neuen Eheleute nach Hause begleitet, und kehrt um zurück, um zum „Schock" (von joeux, Italienisch tzino«) aufzuspielen. Die Zigeuner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/482>, abgerufen am 04.07.2024.