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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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bedenken, daß die Hose Stewa's einem Weiberrock an Weite Nichts nachgab, und
schickte sich an, mir beim Ankleiden in sehr hinderlicher Weise behilflich zu sein.
Nach einigem Hin- und Herfragen, wobei jedoch Stewa consequent dabei verharrte,
nur auf meiueSerbischcu Fragen in Deutscher Radebrechuug zu antworten, und
die Deutsche Sprache für sein LieblingSstudinm zu erklären, war es mir erst
möglich, eine beiläufige Vorstellung von Dem zu erlangen, was er eigentlich sagen
wollte.

Er hatte nämlich -- das Fieber und zwar über den Tag. Dabei schüttelte
ih>j erst tüchtiger Frost, dann kamen Hitze und Durst. Nun hatte ihn ein Arzt
ein Jahr lang vergeblich behandelt, und ein zweiter ihm erfolglos rasche Heilung
versprochen. Was zwei Jünger Aeskulaps nicht vermochten, das mußte nach
Stewa's fester Ueberzeugung mir gelingen. Ob ich um wirklich ein Arzt sei,
"der uicht, darum kümmerte sich Stewa nicht absonderlich; er hatte zu Icteri,
der einen "Schwäbischen" Rock trug, ein unbedingtes ärztliches Vertrauen.
Leider konnte ich nicht mehr thun, als ihm den Allerweltstrost ertheilen, "daß es
schon besser werden werde." --

Die Späße dieser humoristischen Figur ziehen sich durch den ganzen Aufent¬
halt in Belgrad. -- Der Bestich bei Knitschanin giebt Gelegenheit, auf die alte
serbische Hcldeupveste überzugehen. Es werden eine Masse Proben mitgetheilt,
die bei aller Frische und Ursprünglichkeit doch einen solchen Grad von Rohheit und
Blutgier verrathen, daß Einem nicht wohl dabei zu Muthe wird. -- Bei einem alten
poetischen Türkischen Schuster wird eine Liedertafel improvisirt, dann eine Aufwar¬
tung beim Pascha gemacht, die Festung und das Hospital besehen, und an einem
schwelgerischen serbischen Gastmahl Theil genommen.

Dann geht es weiter die Donan abwärts, nach Weißkirchen, wo der Verfasser
lyrischen Dichter Friedrich Bach trifft, der in jener Gegend als Arzt lebt. Es
wnd ferner eine Grnbenfahrt in Orabitza erzählt, Banater Räubergeschichte" mit¬
theilt und eine Walachische Hochzeit geschildert. Wir lassen dieselbe hier folgen.
"Avran schritten zwei Stadthusareu in vollster Gala, mit Dolman, Kalpak und
Säbeltasche, die Jacken an der Brust wie bepanzert mit Schnüren. Die Hasel-
stvcke hoch erhoben, repräsentierten sie die obrigkeitliche Würde, und sorgten nicht
""r dafür, daß alle Wagen und Rinder dem Zuge Platz machten, sondern trieben
^"es das barfüßige ungeladene Proletariervolk der Kinder und Straßenjungen vor
^) her, die dem Zug in lichten Haufen vorauraunteu, jetzt wieder stehen blieben
">>d ein Geschrei erhoben, von dem man nicht wußte, ob es Freude verkünden,
" ^' die Amtsgewalt herausfordern sollte, und gleich daraus wieder vor deu
'eiden Haselstöcken Reißaus nahmen und einen entsetzlichen Staub erregten. Ans
'e zwei Husaren folgten vier Walachische Burschen zu Pferde. Roß und Reiter
^ren mit künstlichen Blumen auss Sattsamste geschmückt, und die Burschen ge¬
litte" wirklich einen ganz prächtigen Anblick, wie sie dasaßen ohne Sattel und


bedenken, daß die Hose Stewa's einem Weiberrock an Weite Nichts nachgab, und
schickte sich an, mir beim Ankleiden in sehr hinderlicher Weise behilflich zu sein.
Nach einigem Hin- und Herfragen, wobei jedoch Stewa consequent dabei verharrte,
nur auf meiueSerbischcu Fragen in Deutscher Radebrechuug zu antworten, und
die Deutsche Sprache für sein LieblingSstudinm zu erklären, war es mir erst
möglich, eine beiläufige Vorstellung von Dem zu erlangen, was er eigentlich sagen
wollte.

Er hatte nämlich — das Fieber und zwar über den Tag. Dabei schüttelte
ih>j erst tüchtiger Frost, dann kamen Hitze und Durst. Nun hatte ihn ein Arzt
ein Jahr lang vergeblich behandelt, und ein zweiter ihm erfolglos rasche Heilung
versprochen. Was zwei Jünger Aeskulaps nicht vermochten, das mußte nach
Stewa's fester Ueberzeugung mir gelingen. Ob ich um wirklich ein Arzt sei,
"der uicht, darum kümmerte sich Stewa nicht absonderlich; er hatte zu Icteri,
der einen „Schwäbischen" Rock trug, ein unbedingtes ärztliches Vertrauen.
Leider konnte ich nicht mehr thun, als ihm den Allerweltstrost ertheilen, „daß es
schon besser werden werde." —

Die Späße dieser humoristischen Figur ziehen sich durch den ganzen Aufent¬
halt in Belgrad. — Der Bestich bei Knitschanin giebt Gelegenheit, auf die alte
serbische Hcldeupveste überzugehen. Es werden eine Masse Proben mitgetheilt,
die bei aller Frische und Ursprünglichkeit doch einen solchen Grad von Rohheit und
Blutgier verrathen, daß Einem nicht wohl dabei zu Muthe wird. — Bei einem alten
poetischen Türkischen Schuster wird eine Liedertafel improvisirt, dann eine Aufwar¬
tung beim Pascha gemacht, die Festung und das Hospital besehen, und an einem
schwelgerischen serbischen Gastmahl Theil genommen.

Dann geht es weiter die Donan abwärts, nach Weißkirchen, wo der Verfasser
lyrischen Dichter Friedrich Bach trifft, der in jener Gegend als Arzt lebt. Es
wnd ferner eine Grnbenfahrt in Orabitza erzählt, Banater Räubergeschichte» mit¬
theilt und eine Walachische Hochzeit geschildert. Wir lassen dieselbe hier folgen.
"Avran schritten zwei Stadthusareu in vollster Gala, mit Dolman, Kalpak und
Säbeltasche, die Jacken an der Brust wie bepanzert mit Schnüren. Die Hasel-
stvcke hoch erhoben, repräsentierten sie die obrigkeitliche Würde, und sorgten nicht
""r dafür, daß alle Wagen und Rinder dem Zuge Platz machten, sondern trieben
^»es das barfüßige ungeladene Proletariervolk der Kinder und Straßenjungen vor
^) her, die dem Zug in lichten Haufen vorauraunteu, jetzt wieder stehen blieben
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" ^' die Amtsgewalt herausfordern sollte, und gleich daraus wieder vor deu
'eiden Haselstöcken Reißaus nahmen und einen entsetzlichen Staub erregten. Ans
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^ren mit künstlichen Blumen auss Sattsamste geschmückt, und die Burschen ge¬
litte» wirklich einen ganz prächtigen Anblick, wie sie dasaßen ohne Sattel und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/479>, abgerufen am 04.07.2024.