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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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kurze Frage über die Geschäfte des Tages, oder wie viel die "Bodder", (Butter)
"der dat "Kouru" (Korn) in der Stadt kostete, gethan. Das Essen war beendet,
und die Mädchen räumten das Tischtuch weg, die vielen Brocken darauf den in
die Stube gekommenen Hühnern zuwerfend, als plötzlich der "Jung", der schon
herausgegangen war, mit den Worten: "der Roßkamm Meyer is da up seinen
Gälen (Gelben), see hat noch een "Stnfstiert" (Kurzschwanz) an der Hand",
rasch ins Zimmer kam. Der "Schule" ging heraus, den alten Bekannten zu
begrüßen.

Die Gestalt des Pferdehändlers hatte gerade nichts Angenehmes. Aus dem
rothen, dicken Gesicht mit vielen Pockennarben blickte große Rohheit, und die dunkel-
rothe Nase bewies den Genuß geistiger Getränke. Dazu war seine Gestalt plump und
ohne Schick und Form. Ein lauger grauer Tuchrock, der von vielem Gebrauch
bei Wind und Wetter zeugte, enge brauulederue Reithosen, bis an die Knie
reichende Stulpstiefeln mit braunen Stulpe", und ein großes buutwollenes Hals-
tuch waren die Hauptbestandtheile seines Anzuges. Um den Leib trug er als
Zeichen seines Standes die breite Geldkatze von rothem Juchtenleder geschnallt,
während eine kurze Peitsche mit einem Nehfnß als Stiel um seiue Schultern
gebunden war.

Die beiden Alten (denn anch der "Roßkamm" stand schou in den Vierzigern)
traten bald in die Stube. Liesch trug ein "Jvgem" (Zwischencsseu) aus Brod,
Butter, Wurst und gesalzenem Hering bestehend, auf den Tisch, und setzte die
große grüne Pottbouteille mit Knmmelbranutweiu und ein kleines spitzes Schnaps-
glas daneben. Lüstern richten die kleinen grauen Angen des Pferdehändlers auf
der vollen Gestalt des Mädchens, und verliebt schlang er den Arm um ihre
Hüften, ward aber mit einem ernsten "Lat see son Narrericn hier" abgewiesen.
Dann verließ sie rasch das Zimmer, und ging aufs Feld, beim Hauen zu helfe".

Nachdem ein Gläschen Kümmel geleert und ein Stück Wurst dazu verzehrt
war, rückte der Pferdehändler ans mancherlei Krenz - und Querfragen auf den
Zweck seines Besuches, nämlich dem "Schulter" seinen vierjährigen braunen Hengst,
der""vöorbie" (vorbei) ging, abzukaufen, oder vielmehr abzutauschen. Mit Schrecken
hörte Jochen die Nachricht, den Hengst heraufzuführen, damit der Pferdehändler
ihn "mustern" könne. Ein schönes, edles Thier war es; wie es vor Lust" wieherte,
und wenn der Schule in die Hände klappte, kerzengrade in die Hohe stieg,
daß selbst der gewandte Jochen es oft kaum bändigen konnte. Es war dazu
geboren, einen stolzen Krieger vor die Front seines Regiments zu tragen, nicht
für immer deu Dungwagen eines Mecklenburgischen Bauern zu ziehen. Dem
Pferdehändler entging die Schönheit des Pferdes nicht, obgleich er, dies zu ver¬
bergen, hier und dort Etwas zu tadeln wußte, was der Schulz dann eifrig behende.
Die beiden Männer feilschten eifrig und lauge, obgleich Meyer mehr auf die
Forderungen des Schulzen einging, als Dieser selbst erwartet hatte.


kurze Frage über die Geschäfte des Tages, oder wie viel die „Bodder", (Butter)
»der dat „Kouru" (Korn) in der Stadt kostete, gethan. Das Essen war beendet,
und die Mädchen räumten das Tischtuch weg, die vielen Brocken darauf den in
die Stube gekommenen Hühnern zuwerfend, als plötzlich der „Jung", der schon
herausgegangen war, mit den Worten: „der Roßkamm Meyer is da up seinen
Gälen (Gelben), see hat noch een „Stnfstiert" (Kurzschwanz) an der Hand",
rasch ins Zimmer kam. Der „Schule" ging heraus, den alten Bekannten zu
begrüßen.

Die Gestalt des Pferdehändlers hatte gerade nichts Angenehmes. Aus dem
rothen, dicken Gesicht mit vielen Pockennarben blickte große Rohheit, und die dunkel-
rothe Nase bewies den Genuß geistiger Getränke. Dazu war seine Gestalt plump und
ohne Schick und Form. Ein lauger grauer Tuchrock, der von vielem Gebrauch
bei Wind und Wetter zeugte, enge brauulederue Reithosen, bis an die Knie
reichende Stulpstiefeln mit braunen Stulpe», und ein großes buutwollenes Hals-
tuch waren die Hauptbestandtheile seines Anzuges. Um den Leib trug er als
Zeichen seines Standes die breite Geldkatze von rothem Juchtenleder geschnallt,
während eine kurze Peitsche mit einem Nehfnß als Stiel um seiue Schultern
gebunden war.

Die beiden Alten (denn anch der „Roßkamm" stand schou in den Vierzigern)
traten bald in die Stube. Liesch trug ein „Jvgem" (Zwischencsseu) aus Brod,
Butter, Wurst und gesalzenem Hering bestehend, auf den Tisch, und setzte die
große grüne Pottbouteille mit Knmmelbranutweiu und ein kleines spitzes Schnaps-
glas daneben. Lüstern richten die kleinen grauen Angen des Pferdehändlers auf
der vollen Gestalt des Mädchens, und verliebt schlang er den Arm um ihre
Hüften, ward aber mit einem ernsten „Lat see son Narrericn hier" abgewiesen.
Dann verließ sie rasch das Zimmer, und ging aufs Feld, beim Hauen zu helfe».

Nachdem ein Gläschen Kümmel geleert und ein Stück Wurst dazu verzehrt
war, rückte der Pferdehändler ans mancherlei Krenz - und Querfragen auf den
Zweck seines Besuches, nämlich dem „Schulter" seinen vierjährigen braunen Hengst,
der"„vöorbie" (vorbei) ging, abzukaufen, oder vielmehr abzutauschen. Mit Schrecken
hörte Jochen die Nachricht, den Hengst heraufzuführen, damit der Pferdehändler
ihn „mustern" könne. Ein schönes, edles Thier war es; wie es vor Lust" wieherte,
und wenn der Schule in die Hände klappte, kerzengrade in die Hohe stieg,
daß selbst der gewandte Jochen es oft kaum bändigen konnte. Es war dazu
geboren, einen stolzen Krieger vor die Front seines Regiments zu tragen, nicht
für immer deu Dungwagen eines Mecklenburgischen Bauern zu ziehen. Dem
Pferdehändler entging die Schönheit des Pferdes nicht, obgleich er, dies zu ver¬
bergen, hier und dort Etwas zu tadeln wußte, was der Schulz dann eifrig behende.
Die beiden Männer feilschten eifrig und lauge, obgleich Meyer mehr auf die
Forderungen des Schulzen einging, als Dieser selbst erwartet hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/460>, abgerufen am 04.07.2024.