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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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zurück, die Kaiserlichen nahmen in Balassagyarmath Posten, und es verbreitete
sich die Nachricht: die Losonczer hätten die Kaiserlichen verrathen, die Einwohner
hätten mit an dem Kampfe Theil genommen, und die Honvvd und Kanonen in
der Kirche verborgen gehalten. In Balassagyarmath wurde auch beschlossen, Lo-
svucz exemplarisch zu bestrafen, und die Fama sprach von Brandschatzung, über
die Klinge springen lassen u. tgi.--Schrecken bemächtigte sich der ganzen Stadt,
und als die Oestreicher bald daraus wieder in Lvsoncz einzogen, hatte sich der
größte Theil der Einwohner mit seiner Habe geflüchtet. Die Kaiserlichen über¬
zeugten sich jedoch bald von der Unschuld der Stadt, da glaubwürdige Zeu¬
gen bestätigten, daß sie die Hnßaren und Hvnvvd unter Benyiczki ans der
Straße von Osgyän nach Losoncz eilen sahen, und es sich bei der Untersuchung
der Kirche herausstellte, daß ihre Thüren eine Kanone weder ein- noch heraus¬
lassen können. Bald daraus verließen die kaiserlichen Truppen -- nach der Ver¬
lornen Schlacht bei Waitzen -- die Stadt. Neograd gerieth wieder in die Hände
der Ungarischen Regierung, und die Uuabhäugigkeitserkläruug wurde auch in Lo¬
soncz auf öffentlichem Markte verlesen und gefeiert.

Als die Russen in Oberungarn einrückten, und eine Abtheilung derselbe"
die Sohler Gespanschaft besetzte, zog die Nationalgarde der Neogradcr Gespan-
schaft aus, um den Krivaner Bergpaß zu besetzen. Aber dies war das letzte Auf¬
flackern der patriotischen Flamme der Neogradcr, denn nach der zweiten Schlacht bei
Waitzen zog sich Görgei nach Nordosten, und die Losonczer sahen zum letzten Male
den Kern der Ungarischen Armee durch ihre Mauern ziehen, um ihre ruhmge-
gekrvuten Waffen nach Vilagos zu tragen, und sie mitsammt ihrem Vaterlande
zu den "Füßen seiner Majestät" niederzulegen. Am 18. Juli bekam die Stadt
den Befehl, Lebensmittel für die ausgehungerte Armee bereit zu halten, und am
-19. und deu darauf folgenden zwei Tagen zog diese dnrch die Stadt, und zehrte Alles
ans, was in der Eile herbeigeschafft werden konnte. Da sich von den Russe",
welche Görgei auf dem Fuße folgte", die Kunde verbreitet hatte, daß sie brand¬
schatzen und plündern werden, so wanderte wieder ein großer Theil der Ein¬
wohner ans, aber General Saß, der mit i000 Mann Cavalerie durch die Stadt
zog, hielt strenge Disciplin -- damals hatte man noch Ursache, für gewisse Fälle
Sympathien zu erregen --; nach ihm kamen mehrere größere und kleinere
Truppenabtheilungen, die von der Stadt verpflegt wurden, und sie im Uebrigen
nicht behelligte".




Am 1. August 1859, Morgeus 9 Uhr, kamen gegen 90 Russen ans der
Straße von Neusohl auf Wagen nach Lvsoncz, und bivouakirten ans dem Markt-
Platze. Zehn Officiere, die bei der Truppe waren, quartierten sich im Wirths¬
hause ein. Eine Viertelstunde darauf kamen gegen 1ö0 Guerilla, die in dem


zurück, die Kaiserlichen nahmen in Balassagyarmath Posten, und es verbreitete
sich die Nachricht: die Losonczer hätten die Kaiserlichen verrathen, die Einwohner
hätten mit an dem Kampfe Theil genommen, und die Honvvd und Kanonen in
der Kirche verborgen gehalten. In Balassagyarmath wurde auch beschlossen, Lo-
svucz exemplarisch zu bestrafen, und die Fama sprach von Brandschatzung, über
die Klinge springen lassen u. tgi.—Schrecken bemächtigte sich der ganzen Stadt,
und als die Oestreicher bald daraus wieder in Lvsoncz einzogen, hatte sich der
größte Theil der Einwohner mit seiner Habe geflüchtet. Die Kaiserlichen über¬
zeugten sich jedoch bald von der Unschuld der Stadt, da glaubwürdige Zeu¬
gen bestätigten, daß sie die Hnßaren und Hvnvvd unter Benyiczki ans der
Straße von Osgyän nach Losoncz eilen sahen, und es sich bei der Untersuchung
der Kirche herausstellte, daß ihre Thüren eine Kanone weder ein- noch heraus¬
lassen können. Bald daraus verließen die kaiserlichen Truppen — nach der Ver¬
lornen Schlacht bei Waitzen — die Stadt. Neograd gerieth wieder in die Hände
der Ungarischen Regierung, und die Uuabhäugigkeitserkläruug wurde auch in Lo¬
soncz auf öffentlichem Markte verlesen und gefeiert.

Als die Russen in Oberungarn einrückten, und eine Abtheilung derselbe»
die Sohler Gespanschaft besetzte, zog die Nationalgarde der Neogradcr Gespan-
schaft aus, um den Krivaner Bergpaß zu besetzen. Aber dies war das letzte Auf¬
flackern der patriotischen Flamme der Neogradcr, denn nach der zweiten Schlacht bei
Waitzen zog sich Görgei nach Nordosten, und die Losonczer sahen zum letzten Male
den Kern der Ungarischen Armee durch ihre Mauern ziehen, um ihre ruhmge-
gekrvuten Waffen nach Vilagos zu tragen, und sie mitsammt ihrem Vaterlande
zu den „Füßen seiner Majestät" niederzulegen. Am 18. Juli bekam die Stadt
den Befehl, Lebensmittel für die ausgehungerte Armee bereit zu halten, und am
-19. und deu darauf folgenden zwei Tagen zog diese dnrch die Stadt, und zehrte Alles
ans, was in der Eile herbeigeschafft werden konnte. Da sich von den Russe",
welche Görgei auf dem Fuße folgte», die Kunde verbreitet hatte, daß sie brand¬
schatzen und plündern werden, so wanderte wieder ein großer Theil der Ein¬
wohner ans, aber General Saß, der mit i000 Mann Cavalerie durch die Stadt
zog, hielt strenge Disciplin — damals hatte man noch Ursache, für gewisse Fälle
Sympathien zu erregen —; nach ihm kamen mehrere größere und kleinere
Truppenabtheilungen, die von der Stadt verpflegt wurden, und sie im Uebrigen
nicht behelligte».




Am 1. August 1859, Morgeus 9 Uhr, kamen gegen 90 Russen ans der
Straße von Neusohl auf Wagen nach Lvsoncz, und bivouakirten ans dem Markt-
Platze. Zehn Officiere, die bei der Truppe waren, quartierten sich im Wirths¬
hause ein. Eine Viertelstunde darauf kamen gegen 1ö0 Guerilla, die in dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/454>, abgerufen am 04.07.2024.