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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Stadt,") denn diese Männer nahmen den inqnirircndcn Stuhlrichter gefangen,
drangen in den städtischen Rathssaal, setzten den Bürgermeister und Stadtrichter
außer Function, steckten nationale Fahnen ans, und drohten den Einwohnern,
wenn sie wagen sollten, dieselben herabzunehmen, mit Brandschatzung. Hierauf
verlangten sie die Herausgabe von 80" Paar Halbstiefeln, welche General Parrot
verfertigen ließ, und eigneten sich dieselben, da sie ihnen von der Behörde verweigert
wurden, mit Gewalt zu. Die Behörde machte hiervon dem NegicrungScommissair
Anzeige, welcher sich sogleich nach Ofen wendete, worauf am 24. März um 10
Uhr Morgens ein Bataillon Infanterie und zwei Raketen unter Oberstlieutenant
Zaitsek einrückten; eine Stunde später langten unter Oberst Alm-M) noch 160
kaiserliche Uhlanen und 400 Mann Infanterie an. Das Wetter war sehr rauh,
die Luft so voll von windgepeitschten Schneeflocken, daß man nicht fünf Schritte
weit sehen konnte. , Das Militair, vom Marsche müde, quartierte sich selbst ein.
Die Infanterie -- Italiener -- machte es sich in dem großen Wirthshause am
Markte und im Casinvgcbäude beqnem, und die Vorposten, welche an allen
Stadtendcn aufgestellt wurden, zogen sich vor dem Wetter in die ersten Häuser
zurück. Gegen ein Uhr Nachmittag erscheinen plötzlich zwei Ungarische Hnßarcn auf
dem Markte, und bald darauf sprengten noch andere 30 anf der Straße von Ri-
maßvmbat herau. Die Wachtposten hatten sie nicht wahrgenommen. Die kühnen
weiter galoppirten mit gezogenem Säbel durch alle Straßen, feuerten ihre Pi¬
stolen ab, und schlugen einen fürchterlichen Lärm. Die Kaiserlichen ließen Reveille
schlagen, ihr Commandant warf sich auf's Pferd, und fing an, seine Leute zu
ordnen, aber es war zu spät; ein Theil der Uhlanen schickte sich zwar zum An-
gnff gegen die Hnßaren an, aber der Anführer der Letzten -- ein Lieutenant --
bediente sich einer List, und commandirte in Deutscher Sprache: "Hußaren! erste
Division zur Attaque! zweite Division zur Deckung der Kanonen! Vorwärts!"
Die verschiedene Uniformirnng der Hußaren -- die noch damals, bei dem Mangel
Mvnturstücken, fast in jedem Ungarischen Regimente zu treffen war -- machte
die Kaiserlichen glauben, es seien mehrere Abtheilungen zugegen, und sie singen
"u,, eine offensive Stellung anzunehmen. Bald darauf erschienen auch wirklich
zwei Kanonen, und richteten ihre wohlgezielten Schüsse nach dem Wirthshause
und auf die Uhlanen; endlich kamen noch gegen i00 Honvvd unter Oberst Benyiczki,
worauf sich die Kaiserlichen zurückzogen, und von der Schwesterstadt Tugar aus
noch einige Raketen nach Lvsoncz schlenderten, die aber an den schneebedeckten
Dächern nicht zündeten. Die Ungarn machten 300 Gefangene und erbeuteten
Pferde, 27,000 Gulden Münze baares Geld und die ganze Bagage der
Officiere. Gleich nach Beendigung des Kampfes zogen sich die Ungarn wieder



) Die kaiserlichen Truppen waren vermuthlich während dieser Ereignisse nicht mehr in
"Wncz; der Verfasser im Phönix jedoch läßt uns hierüber in Ungewißheit.

Stadt,") denn diese Männer nahmen den inqnirircndcn Stuhlrichter gefangen,
drangen in den städtischen Rathssaal, setzten den Bürgermeister und Stadtrichter
außer Function, steckten nationale Fahnen ans, und drohten den Einwohnern,
wenn sie wagen sollten, dieselben herabzunehmen, mit Brandschatzung. Hierauf
verlangten sie die Herausgabe von 80» Paar Halbstiefeln, welche General Parrot
verfertigen ließ, und eigneten sich dieselben, da sie ihnen von der Behörde verweigert
wurden, mit Gewalt zu. Die Behörde machte hiervon dem NegicrungScommissair
Anzeige, welcher sich sogleich nach Ofen wendete, worauf am 24. März um 10
Uhr Morgens ein Bataillon Infanterie und zwei Raketen unter Oberstlieutenant
Zaitsek einrückten; eine Stunde später langten unter Oberst Alm-M) noch 160
kaiserliche Uhlanen und 400 Mann Infanterie an. Das Wetter war sehr rauh,
die Luft so voll von windgepeitschten Schneeflocken, daß man nicht fünf Schritte
weit sehen konnte. , Das Militair, vom Marsche müde, quartierte sich selbst ein.
Die Infanterie — Italiener — machte es sich in dem großen Wirthshause am
Markte und im Casinvgcbäude beqnem, und die Vorposten, welche an allen
Stadtendcn aufgestellt wurden, zogen sich vor dem Wetter in die ersten Häuser
zurück. Gegen ein Uhr Nachmittag erscheinen plötzlich zwei Ungarische Hnßarcn auf
dem Markte, und bald darauf sprengten noch andere 30 anf der Straße von Ri-
maßvmbat herau. Die Wachtposten hatten sie nicht wahrgenommen. Die kühnen
weiter galoppirten mit gezogenem Säbel durch alle Straßen, feuerten ihre Pi¬
stolen ab, und schlugen einen fürchterlichen Lärm. Die Kaiserlichen ließen Reveille
schlagen, ihr Commandant warf sich auf's Pferd, und fing an, seine Leute zu
ordnen, aber es war zu spät; ein Theil der Uhlanen schickte sich zwar zum An-
gnff gegen die Hnßaren an, aber der Anführer der Letzten — ein Lieutenant —
bediente sich einer List, und commandirte in Deutscher Sprache: „Hußaren! erste
Division zur Attaque! zweite Division zur Deckung der Kanonen! Vorwärts!"
Die verschiedene Uniformirnng der Hußaren — die noch damals, bei dem Mangel
Mvnturstücken, fast in jedem Ungarischen Regimente zu treffen war — machte
die Kaiserlichen glauben, es seien mehrere Abtheilungen zugegen, und sie singen
"u,, eine offensive Stellung anzunehmen. Bald darauf erschienen auch wirklich
zwei Kanonen, und richteten ihre wohlgezielten Schüsse nach dem Wirthshause
und auf die Uhlanen; endlich kamen noch gegen i00 Honvvd unter Oberst Benyiczki,
worauf sich die Kaiserlichen zurückzogen, und von der Schwesterstadt Tugar aus
noch einige Raketen nach Lvsoncz schlenderten, die aber an den schneebedeckten
Dächern nicht zündeten. Die Ungarn machten 300 Gefangene und erbeuteten
Pferde, 27,000 Gulden Münze baares Geld und die ganze Bagage der
Officiere. Gleich nach Beendigung des Kampfes zogen sich die Ungarn wieder



) Die kaiserlichen Truppen waren vermuthlich während dieser Ereignisse nicht mehr in
"Wncz; der Verfasser im Phönix jedoch läßt uns hierüber in Ungewißheit.
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[0453] Stadt,") denn diese Männer nahmen den inqnirircndcn Stuhlrichter gefangen, drangen in den städtischen Rathssaal, setzten den Bürgermeister und Stadtrichter außer Function, steckten nationale Fahnen ans, und drohten den Einwohnern, wenn sie wagen sollten, dieselben herabzunehmen, mit Brandschatzung. Hierauf verlangten sie die Herausgabe von 80» Paar Halbstiefeln, welche General Parrot verfertigen ließ, und eigneten sich dieselben, da sie ihnen von der Behörde verweigert wurden, mit Gewalt zu. Die Behörde machte hiervon dem NegicrungScommissair Anzeige, welcher sich sogleich nach Ofen wendete, worauf am 24. März um 10 Uhr Morgens ein Bataillon Infanterie und zwei Raketen unter Oberstlieutenant Zaitsek einrückten; eine Stunde später langten unter Oberst Alm-M) noch 160 kaiserliche Uhlanen und 400 Mann Infanterie an. Das Wetter war sehr rauh, die Luft so voll von windgepeitschten Schneeflocken, daß man nicht fünf Schritte weit sehen konnte. , Das Militair, vom Marsche müde, quartierte sich selbst ein. Die Infanterie — Italiener — machte es sich in dem großen Wirthshause am Markte und im Casinvgcbäude beqnem, und die Vorposten, welche an allen Stadtendcn aufgestellt wurden, zogen sich vor dem Wetter in die ersten Häuser zurück. Gegen ein Uhr Nachmittag erscheinen plötzlich zwei Ungarische Hnßarcn auf dem Markte, und bald darauf sprengten noch andere 30 anf der Straße von Ri- maßvmbat herau. Die Wachtposten hatten sie nicht wahrgenommen. Die kühnen weiter galoppirten mit gezogenem Säbel durch alle Straßen, feuerten ihre Pi¬ stolen ab, und schlugen einen fürchterlichen Lärm. Die Kaiserlichen ließen Reveille schlagen, ihr Commandant warf sich auf's Pferd, und fing an, seine Leute zu ordnen, aber es war zu spät; ein Theil der Uhlanen schickte sich zwar zum An- gnff gegen die Hnßaren an, aber der Anführer der Letzten — ein Lieutenant — bediente sich einer List, und commandirte in Deutscher Sprache: „Hußaren! erste Division zur Attaque! zweite Division zur Deckung der Kanonen! Vorwärts!" Die verschiedene Uniformirnng der Hußaren — die noch damals, bei dem Mangel Mvnturstücken, fast in jedem Ungarischen Regimente zu treffen war — machte die Kaiserlichen glauben, es seien mehrere Abtheilungen zugegen, und sie singen "u,, eine offensive Stellung anzunehmen. Bald darauf erschienen auch wirklich zwei Kanonen, und richteten ihre wohlgezielten Schüsse nach dem Wirthshause und auf die Uhlanen; endlich kamen noch gegen i00 Honvvd unter Oberst Benyiczki, worauf sich die Kaiserlichen zurückzogen, und von der Schwesterstadt Tugar aus noch einige Raketen nach Lvsoncz schlenderten, die aber an den schneebedeckten Dächern nicht zündeten. Die Ungarn machten 300 Gefangene und erbeuteten Pferde, 27,000 Gulden Münze baares Geld und die ganze Bagage der Officiere. Gleich nach Beendigung des Kampfes zogen sich die Ungarn wieder ) Die kaiserlichen Truppen waren vermuthlich während dieser Ereignisse nicht mehr in "Wncz; der Verfasser im Phönix jedoch läßt uns hierüber in Ungewißheit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/453>, abgerufen am 04.07.2024.