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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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führuugsküuste, die sie dem Don Cesar gegenüber anwendet, streifen zu nahe
an ein nicht mehr der Aesthetik zugehöriges Gebiet, und die Naivetät, mit welcher
Don Cesar auf dieses Gebiet eingeht, als er z. B. einmal ausruft: "Wie kaun
ich sie in diesem Anzug sehen und nicht vor Liebe sterben!" wird geradezu lächer¬
lich. Die beiden Prinzen nud Prinzessinnen siud zu schablonenhaft gehalten, und
der ganze Conflict der Empfindungen wird gleich von vorn herein zu sehr ins
Didaktische gezogen. Diana> stellt uicht den Stolz und den Uebermuth einer
freien Natur, sondern die Pedanterie einer ziemlich langweiligen Doctrin den
Bewerbungen ihrer Freier entgegen, und auch von der andern Seite wird die
Sache so viel als möglich theoretisch abgemacht. Trotzdem hat das Stück sehr
bedeutende Vorzüge, die es mit Recht zu einem Lieblingsstück unsrer Debütanten
gemacht haben. Der Gedanke selbst ist originell, die Ausführung wenigstens in
ihren Grundzügen geschickt arrangirt, und die Steigerung der Empfindungen
Donna Diana's sogar recht poetisch dargestellt. Man sollte einmal daran denken,
die allzu' große" Rohheiten aus dem Stück zu entfernen, unter Anderm anch den
Schluß etwas abzuändern, denn daß Donna Diana, nachdem sie sich überzeugt
hat, Cesar und Laura lieben einander und seien bereits versprochen, plötzlich her-
vortritt, und ihrerseits Don Cesar mit ihrer Hand beglückt, widerspricht nicht blos
unsern modernen Begriffen von weiblicher Würde, sondern der idealen Natur des
Weibes überhaupt. -- Außerdem würde der Darsteller des Don Cesar so viel
als möglich versuchen müssen, sich als freien, seiner Gegnerin ebenbürtigen Mann
darzustellen; er muß zeigen, daß nicht blos das Ziel, sondern auch der Weg ihm
Vergnügen macht, daß er nicht blos ein gelehriger Schüler des verschmitzten Be¬
dienten ist, sondern daß es ihn innerlich kitzelt, Gleiches mit Gleichem zu erwiedern,
und die stolze Schönheit zu demüthigen.




Die Umgestaltung der evangelischen Kirche.*)

Wenn es sich in dem Streit zwischen den supranaturalistischen und rationa¬
listischen protestantischen Geistlichen um weiter Nichts handelte, als um die Lehr¬
sätze, die sie in ihren Predigten, ihren theologischen Zeitschriften, ihrer Exegese
n. s. w. anzuwenden haben, oder um die Formalitäten, welche diese oder je"
kirchliche Handlung begleiten sollen, so rounteu wir, die wir weniger daran gewöhnt
siud, die Bildung unsres Geistes und die Nahrung für unser Herz in jenen Zeit¬
schriften oder vor den Kanzeln zu suchen, in diesem Conflict ganz unbetheiligt



") Vortrage über Wesen und Gestaltung der evangelischen Kirche, mit Rücksicht ans
i" Preußen ihr bevorstehende neue Gestaltung, von Eliest er. Prediger in Potsdam. Potödcu ,
iliiegel'sehe Buchhandlung.

führuugsküuste, die sie dem Don Cesar gegenüber anwendet, streifen zu nahe
an ein nicht mehr der Aesthetik zugehöriges Gebiet, und die Naivetät, mit welcher
Don Cesar auf dieses Gebiet eingeht, als er z. B. einmal ausruft: „Wie kaun
ich sie in diesem Anzug sehen und nicht vor Liebe sterben!" wird geradezu lächer¬
lich. Die beiden Prinzen nud Prinzessinnen siud zu schablonenhaft gehalten, und
der ganze Conflict der Empfindungen wird gleich von vorn herein zu sehr ins
Didaktische gezogen. Diana> stellt uicht den Stolz und den Uebermuth einer
freien Natur, sondern die Pedanterie einer ziemlich langweiligen Doctrin den
Bewerbungen ihrer Freier entgegen, und auch von der andern Seite wird die
Sache so viel als möglich theoretisch abgemacht. Trotzdem hat das Stück sehr
bedeutende Vorzüge, die es mit Recht zu einem Lieblingsstück unsrer Debütanten
gemacht haben. Der Gedanke selbst ist originell, die Ausführung wenigstens in
ihren Grundzügen geschickt arrangirt, und die Steigerung der Empfindungen
Donna Diana's sogar recht poetisch dargestellt. Man sollte einmal daran denken,
die allzu' große» Rohheiten aus dem Stück zu entfernen, unter Anderm anch den
Schluß etwas abzuändern, denn daß Donna Diana, nachdem sie sich überzeugt
hat, Cesar und Laura lieben einander und seien bereits versprochen, plötzlich her-
vortritt, und ihrerseits Don Cesar mit ihrer Hand beglückt, widerspricht nicht blos
unsern modernen Begriffen von weiblicher Würde, sondern der idealen Natur des
Weibes überhaupt. — Außerdem würde der Darsteller des Don Cesar so viel
als möglich versuchen müssen, sich als freien, seiner Gegnerin ebenbürtigen Mann
darzustellen; er muß zeigen, daß nicht blos das Ziel, sondern auch der Weg ihm
Vergnügen macht, daß er nicht blos ein gelehriger Schüler des verschmitzten Be¬
dienten ist, sondern daß es ihn innerlich kitzelt, Gleiches mit Gleichem zu erwiedern,
und die stolze Schönheit zu demüthigen.




Die Umgestaltung der evangelischen Kirche.*)

Wenn es sich in dem Streit zwischen den supranaturalistischen und rationa¬
listischen protestantischen Geistlichen um weiter Nichts handelte, als um die Lehr¬
sätze, die sie in ihren Predigten, ihren theologischen Zeitschriften, ihrer Exegese
n. s. w. anzuwenden haben, oder um die Formalitäten, welche diese oder je»
kirchliche Handlung begleiten sollen, so rounteu wir, die wir weniger daran gewöhnt
siud, die Bildung unsres Geistes und die Nahrung für unser Herz in jenen Zeit¬
schriften oder vor den Kanzeln zu suchen, in diesem Conflict ganz unbetheiligt



") Vortrage über Wesen und Gestaltung der evangelischen Kirche, mit Rücksicht ans
i» Preußen ihr bevorstehende neue Gestaltung, von Eliest er. Prediger in Potsdam. Potödcu ,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/434>, abgerufen am 04.07.2024.