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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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einen tadelnswerther Luxus, gleich manchen seiner Vorgänger, entwickelt; vielmehr
beobachtet er xdie bescheidenste Einfachheit; ja, sein WvhlthätigkeitSsinn ist so
mächtig, und die Verhältnisse seines Staates sind so trostlos, daß er wahrlich
Mit Alexander V. (-1409) ausrufen kann: ">l'u,i alö rivkv ovo^rv, pauvre- c-a^cli-
nal vt monäiantl" -- >

Das prachtvollste, interessanteste Schauspiel harrte noch unser. Es war das am
Weihnachtstage mit allem Kirchenpvmpe gefeierte Hochamt zu Se. Peter, -- eine der
großartigsten Feierlichkeiten des Kirchenjahres. Schon eine Woche früher, wenn man
dieses Nicsenmonument eines Niesengeistes durchschritt, und die Seele sich in eine
höhere Welt hingezogen fühlte, bei der Bewunderung der kunstvollen Mosaiken,
oder jener zahlreichen Marmvrgebilde, durch welche meistens mehr dem Genius
des Künstlers ein Denkmal gesetzt wurde, als dem danmtcr Begrabenen, hörte
man auf die störendste Weise hämmern und zimmern, und sah die vielfältigsten
Vorbereitungen für diesen heiligen Festtag treffen. Doch mochte es selbst der
reichsten. Vorstellnngögabe schwer fallen, sich aus den rauhen Bretertribnnen und
den dünnstäbigen Hvlzgcrüsten das Heiligthum herauszubilden, welches die höchsten
Würdeträger der katholische" Kirche aufzunehmen berufen war, und dessen königliche
Pracht und mystischer Zauber dem versinnlichnngSbcdürftigen Gemüthe der Menge
die geheimnißvolle Anwesenheit eines unsichtbaren Heiligen vergegenwärtigen sollte.

Als aber der Festmorgen erschien, sah man Nichts mehr, als Gold und Pur¬
pur, und während die Schritte auf dicht gewebten Teppichen sanft dahinrauschten,
schwelgte das Ang ^in sinnverblendender Herrlichkeit, und ergötzte sich an den Auf¬
häufungen von Schätzen und Kostbarkeiten, deren einzelne Betrachtung die stets
geschäftige Phantasie in die ältesten Zeiten des Christenthums zurückversetzte. --
Der Papst wurde, wie am vorhergehenden Abende, nur mit noch größerem Pompe
"vn acht in rothen Sammet gekleideten Dienern auf einem. reichen Thronsessel
Wischer der aufgestellten Leibgarde durch die Kirche getragen, und über seinem
Haupte schwebte wieder der prachtvolle, goldgestickte "Kirchenhimmel". Als der
geistliche Zug beim Hochaltar anlangte, erhoben sich alle dort Versammelten: die
Cardinäle und die übrige Geistlichkeit, das diplomatische Corps und die ans deu
Tribunen zugelassenen Fremden, und verblieben in dieser achtenden Stellung, bis
der Papst den Stuhl Petri gegenüber dem Hochaltar eingenommen hatte. Da die
geringste Function mit unendlich vielen Förmlichkeiten geschah, so wurde die an
sich kurze Festhandlnng ans mehr als Stunden ausgedehnt.

Aber der ergreifendste Anblick war der Moment der Transsubstantiation, wo
in lautlos heiliger Stille die gesammte katholische Gemeinde, die Niedrigsten und
Höchsten, sich vor dem allem Hohen im Staube beugte", daß sich selbst die
Gläubige" anderer Bekenntnisse hingerissen fühlten, und -- die ganze große Ver¬
sammlung in Ein schönes Ganze znsammerfloß! -- Leider war es eben nur Ein
Augenblick! -- Und der von wahrhaftem Frommsinn Durchdrungene mußte sich


einen tadelnswerther Luxus, gleich manchen seiner Vorgänger, entwickelt; vielmehr
beobachtet er xdie bescheidenste Einfachheit; ja, sein WvhlthätigkeitSsinn ist so
mächtig, und die Verhältnisse seines Staates sind so trostlos, daß er wahrlich
Mit Alexander V. (-1409) ausrufen kann: „>l'u,i alö rivkv ovo^rv, pauvre- c-a^cli-
nal vt monäiantl" — >

Das prachtvollste, interessanteste Schauspiel harrte noch unser. Es war das am
Weihnachtstage mit allem Kirchenpvmpe gefeierte Hochamt zu Se. Peter, — eine der
großartigsten Feierlichkeiten des Kirchenjahres. Schon eine Woche früher, wenn man
dieses Nicsenmonument eines Niesengeistes durchschritt, und die Seele sich in eine
höhere Welt hingezogen fühlte, bei der Bewunderung der kunstvollen Mosaiken,
oder jener zahlreichen Marmvrgebilde, durch welche meistens mehr dem Genius
des Künstlers ein Denkmal gesetzt wurde, als dem danmtcr Begrabenen, hörte
man auf die störendste Weise hämmern und zimmern, und sah die vielfältigsten
Vorbereitungen für diesen heiligen Festtag treffen. Doch mochte es selbst der
reichsten. Vorstellnngögabe schwer fallen, sich aus den rauhen Bretertribnnen und
den dünnstäbigen Hvlzgcrüsten das Heiligthum herauszubilden, welches die höchsten
Würdeträger der katholische» Kirche aufzunehmen berufen war, und dessen königliche
Pracht und mystischer Zauber dem versinnlichnngSbcdürftigen Gemüthe der Menge
die geheimnißvolle Anwesenheit eines unsichtbaren Heiligen vergegenwärtigen sollte.

Als aber der Festmorgen erschien, sah man Nichts mehr, als Gold und Pur¬
pur, und während die Schritte auf dicht gewebten Teppichen sanft dahinrauschten,
schwelgte das Ang ^in sinnverblendender Herrlichkeit, und ergötzte sich an den Auf¬
häufungen von Schätzen und Kostbarkeiten, deren einzelne Betrachtung die stets
geschäftige Phantasie in die ältesten Zeiten des Christenthums zurückversetzte. —
Der Papst wurde, wie am vorhergehenden Abende, nur mit noch größerem Pompe
"vn acht in rothen Sammet gekleideten Dienern auf einem. reichen Thronsessel
Wischer der aufgestellten Leibgarde durch die Kirche getragen, und über seinem
Haupte schwebte wieder der prachtvolle, goldgestickte „Kirchenhimmel". Als der
geistliche Zug beim Hochaltar anlangte, erhoben sich alle dort Versammelten: die
Cardinäle und die übrige Geistlichkeit, das diplomatische Corps und die ans deu
Tribunen zugelassenen Fremden, und verblieben in dieser achtenden Stellung, bis
der Papst den Stuhl Petri gegenüber dem Hochaltar eingenommen hatte. Da die
geringste Function mit unendlich vielen Förmlichkeiten geschah, so wurde die an
sich kurze Festhandlnng ans mehr als Stunden ausgedehnt.

Aber der ergreifendste Anblick war der Moment der Transsubstantiation, wo
in lautlos heiliger Stille die gesammte katholische Gemeinde, die Niedrigsten und
Höchsten, sich vor dem allem Hohen im Staube beugte», daß sich selbst die
Gläubige« anderer Bekenntnisse hingerissen fühlten, und — die ganze große Ver¬
sammlung in Ein schönes Ganze znsammerfloß! — Leider war es eben nur Ein
Augenblick! — Und der von wahrhaftem Frommsinn Durchdrungene mußte sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/383>, abgerufen am 04.07.2024.