Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

In militairischer Hinsicht ist freilich die Cassuba, die ganz Algier beherrscht, sehr
zu einem Waffenplatz geeignet.

Den Heimweg von der Cassuba traten wir außerhall' der Stadt an. Hier
sah ich zuerst den Reichthum der Vegetativ", der bei sorgfältigem Anbau das
Land zu einem der fruchtbarsten Theile der Erde machen könnte. Aloestanden
von solcher Hohe, daß ich an ihre Blüthenstengel mit der ausgestreckten Hand
nicht reichen konnte, standen am Wege, und wurden theilweise als Hecken
benutzt; große Gebüsche von Myrthen, Granaten, Caisvas und Cactusse waren
in allen Gärten, aus denen zahllose Orangenbäume von einer Ueppigkeit des
Wuchses, wie ich sie weder in Italien noch Frankreich jemals gesehen habe, in
voller Blüthe, mit eben so schonen Mandelbäumen untermischt, hervorsahen, wäh¬
rend einzelne hohe Dattelpalmen ans dem schlanken, säulenförmigen Stamm das
breite Fächerdach ihrer tiefgrünen Blätter gleich Herrschern der Pflanzenwelt
alles Dies weit überragten. Es war der Orient mit seiner ganzen Ueppigkeit,
und der Hinimel war dabei so blan, die Sonne so golden, die Lust so rein und
mit balsamischen Wohlgerüchen geschwängert, die zackigen Berge des kleinen Atlas
mit dem hohen, schneebedeckten "Dschvrdvrra", der höchsten Spitze desselben, zeig¬
ten alle ihre Umrisse so scharf, das Meer rollte so majestätisch seine schäumenden
Wellen an die Küste zu unsern Füßen, daß wahrlich Nichts mangelte, um den
Genuß noch mehr zu erhöhen. Aber der Orient, so zauberisch schön er oft sich
zeigt, ist das Land der Contraste. Kaum wieder in Algier selbst eingetreten, be¬
fanden .wir uns in einer so engen, schmuzigen Straße, wie ich sie in keiner Eu¬
ropäischen Stadt jemals gesehen; todte Katzen und Hunde lagen umher, und
verbreiteten pestilenzialische Gerüche; der Schmuz ganzer Generationen schien den
Boden zu bedecken; Schaaren zerlumpter Weiber und Mäuner, die ekelhaftesten
Geschwüre zur Schau tragend, um Mitleid zu erregen, fielen uns mit gräßlichem
Geschrei bettelnd an, nud Gestank und Schmuz aller Art umgab uns.

Um mich von den Anstrengungen der Seefahrt zu stärken, besuchte ich gleich
nach diesem Spaziergang ein Maurisches Bad, dessen wohlthätige Wirkung meh¬
rere Französische Officiere mir angerühmt halten. In einem Säulengange, der
ringsum ein ziemlich großes Bassin mit einem Springbrunnen ^ umgab, ward ich
von einem Maurischer Bedienten entkleidet, und meine Sachen sorgfältig auf einer
Strohmatte zusammengelegt. Nachdem dies geschehen, band er mir ein rothes
Tuch gürtelähnlich um den Leib, steckte mir ein Paar Strvhpantoffeln mit Kork¬
sohlen an die Füße, und führte mich in einen großen Saal mit marmornen Fuß'
boden, in dem schon 6 -- 8 Türken auf untergelegten Strohmatten ausgebreitet
dalagen, und sich von eben so nackten Badcdienern bearbeiten ließen. Eine glü¬
hende Lust vou 40 Grad Reaumur erfüllte deu Raum, und machte, daß sclM
nach wenigen Augenblicken der Schweiß mir, ans allen Poren herabfloß. Unge¬
fähr 10 Minuten ließ mich der Badediener in diesem Zustande, wobei er mit


In militairischer Hinsicht ist freilich die Cassuba, die ganz Algier beherrscht, sehr
zu einem Waffenplatz geeignet.

Den Heimweg von der Cassuba traten wir außerhall' der Stadt an. Hier
sah ich zuerst den Reichthum der Vegetativ», der bei sorgfältigem Anbau das
Land zu einem der fruchtbarsten Theile der Erde machen könnte. Aloestanden
von solcher Hohe, daß ich an ihre Blüthenstengel mit der ausgestreckten Hand
nicht reichen konnte, standen am Wege, und wurden theilweise als Hecken
benutzt; große Gebüsche von Myrthen, Granaten, Caisvas und Cactusse waren
in allen Gärten, aus denen zahllose Orangenbäume von einer Ueppigkeit des
Wuchses, wie ich sie weder in Italien noch Frankreich jemals gesehen habe, in
voller Blüthe, mit eben so schonen Mandelbäumen untermischt, hervorsahen, wäh¬
rend einzelne hohe Dattelpalmen ans dem schlanken, säulenförmigen Stamm das
breite Fächerdach ihrer tiefgrünen Blätter gleich Herrschern der Pflanzenwelt
alles Dies weit überragten. Es war der Orient mit seiner ganzen Ueppigkeit,
und der Hinimel war dabei so blan, die Sonne so golden, die Lust so rein und
mit balsamischen Wohlgerüchen geschwängert, die zackigen Berge des kleinen Atlas
mit dem hohen, schneebedeckten „Dschvrdvrra", der höchsten Spitze desselben, zeig¬
ten alle ihre Umrisse so scharf, das Meer rollte so majestätisch seine schäumenden
Wellen an die Küste zu unsern Füßen, daß wahrlich Nichts mangelte, um den
Genuß noch mehr zu erhöhen. Aber der Orient, so zauberisch schön er oft sich
zeigt, ist das Land der Contraste. Kaum wieder in Algier selbst eingetreten, be¬
fanden .wir uns in einer so engen, schmuzigen Straße, wie ich sie in keiner Eu¬
ropäischen Stadt jemals gesehen; todte Katzen und Hunde lagen umher, und
verbreiteten pestilenzialische Gerüche; der Schmuz ganzer Generationen schien den
Boden zu bedecken; Schaaren zerlumpter Weiber und Mäuner, die ekelhaftesten
Geschwüre zur Schau tragend, um Mitleid zu erregen, fielen uns mit gräßlichem
Geschrei bettelnd an, nud Gestank und Schmuz aller Art umgab uns.

Um mich von den Anstrengungen der Seefahrt zu stärken, besuchte ich gleich
nach diesem Spaziergang ein Maurisches Bad, dessen wohlthätige Wirkung meh¬
rere Französische Officiere mir angerühmt halten. In einem Säulengange, der
ringsum ein ziemlich großes Bassin mit einem Springbrunnen ^ umgab, ward ich
von einem Maurischer Bedienten entkleidet, und meine Sachen sorgfältig auf einer
Strohmatte zusammengelegt. Nachdem dies geschehen, band er mir ein rothes
Tuch gürtelähnlich um den Leib, steckte mir ein Paar Strvhpantoffeln mit Kork¬
sohlen an die Füße, und führte mich in einen großen Saal mit marmornen Fuß'
boden, in dem schon 6 — 8 Türken auf untergelegten Strohmatten ausgebreitet
dalagen, und sich von eben so nackten Badcdienern bearbeiten ließen. Eine glü¬
hende Lust vou 40 Grad Reaumur erfüllte deu Raum, und machte, daß sclM
nach wenigen Augenblicken der Schweiß mir, ans allen Poren herabfloß. Unge¬
fähr 10 Minuten ließ mich der Badediener in diesem Zustande, wobei er mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280463"/>
          <p xml:id="ID_993" prev="#ID_992"> In militairischer Hinsicht ist freilich die Cassuba, die ganz Algier beherrscht, sehr<lb/>
zu einem Waffenplatz geeignet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_994"> Den Heimweg von der Cassuba traten wir außerhall' der Stadt an. Hier<lb/>
sah ich zuerst den Reichthum der Vegetativ», der bei sorgfältigem Anbau das<lb/>
Land zu einem der fruchtbarsten Theile der Erde machen könnte. Aloestanden<lb/>
von solcher Hohe, daß ich an ihre Blüthenstengel mit der ausgestreckten Hand<lb/>
nicht reichen konnte, standen am Wege, und wurden theilweise als Hecken<lb/>
benutzt; große Gebüsche von Myrthen, Granaten, Caisvas und Cactusse waren<lb/>
in allen Gärten, aus denen zahllose Orangenbäume von einer Ueppigkeit des<lb/>
Wuchses, wie ich sie weder in Italien noch Frankreich jemals gesehen habe, in<lb/>
voller Blüthe, mit eben so schonen Mandelbäumen untermischt, hervorsahen, wäh¬<lb/>
rend einzelne hohe Dattelpalmen ans dem schlanken, säulenförmigen Stamm das<lb/>
breite Fächerdach ihrer tiefgrünen Blätter gleich Herrschern der Pflanzenwelt<lb/>
alles Dies weit überragten. Es war der Orient mit seiner ganzen Ueppigkeit,<lb/>
und der Hinimel war dabei so blan, die Sonne so golden, die Lust so rein und<lb/>
mit balsamischen Wohlgerüchen geschwängert, die zackigen Berge des kleinen Atlas<lb/>
mit dem hohen, schneebedeckten &#x201E;Dschvrdvrra", der höchsten Spitze desselben, zeig¬<lb/>
ten alle ihre Umrisse so scharf, das Meer rollte so majestätisch seine schäumenden<lb/>
Wellen an die Küste zu unsern Füßen, daß wahrlich Nichts mangelte, um den<lb/>
Genuß noch mehr zu erhöhen. Aber der Orient, so zauberisch schön er oft sich<lb/>
zeigt, ist das Land der Contraste. Kaum wieder in Algier selbst eingetreten, be¬<lb/>
fanden .wir uns in einer so engen, schmuzigen Straße, wie ich sie in keiner Eu¬<lb/>
ropäischen Stadt jemals gesehen; todte Katzen und Hunde lagen umher, und<lb/>
verbreiteten pestilenzialische Gerüche; der Schmuz ganzer Generationen schien den<lb/>
Boden zu bedecken; Schaaren zerlumpter Weiber und Mäuner, die ekelhaftesten<lb/>
Geschwüre zur Schau tragend, um Mitleid zu erregen, fielen uns mit gräßlichem<lb/>
Geschrei bettelnd an, nud Gestank und Schmuz aller Art umgab uns.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_995" next="#ID_996"> Um mich von den Anstrengungen der Seefahrt zu stärken, besuchte ich gleich<lb/>
nach diesem Spaziergang ein Maurisches Bad, dessen wohlthätige Wirkung meh¬<lb/>
rere Französische Officiere mir angerühmt halten. In einem Säulengange, der<lb/>
ringsum ein ziemlich großes Bassin mit einem Springbrunnen ^ umgab, ward ich<lb/>
von einem Maurischer Bedienten entkleidet, und meine Sachen sorgfältig auf einer<lb/>
Strohmatte zusammengelegt. Nachdem dies geschehen, band er mir ein rothes<lb/>
Tuch gürtelähnlich um den Leib, steckte mir ein Paar Strvhpantoffeln mit Kork¬<lb/>
sohlen an die Füße, und führte mich in einen großen Saal mit marmornen Fuß'<lb/>
boden, in dem schon 6 &#x2014; 8 Türken auf untergelegten Strohmatten ausgebreitet<lb/>
dalagen, und sich von eben so nackten Badcdienern bearbeiten ließen. Eine glü¬<lb/>
hende Lust vou 40 Grad Reaumur erfüllte deu Raum, und machte, daß sclM<lb/>
nach wenigen Augenblicken der Schweiß mir, ans allen Poren herabfloß. Unge¬<lb/>
fähr 10 Minuten ließ mich der Badediener in diesem Zustande, wobei er mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] In militairischer Hinsicht ist freilich die Cassuba, die ganz Algier beherrscht, sehr zu einem Waffenplatz geeignet. Den Heimweg von der Cassuba traten wir außerhall' der Stadt an. Hier sah ich zuerst den Reichthum der Vegetativ», der bei sorgfältigem Anbau das Land zu einem der fruchtbarsten Theile der Erde machen könnte. Aloestanden von solcher Hohe, daß ich an ihre Blüthenstengel mit der ausgestreckten Hand nicht reichen konnte, standen am Wege, und wurden theilweise als Hecken benutzt; große Gebüsche von Myrthen, Granaten, Caisvas und Cactusse waren in allen Gärten, aus denen zahllose Orangenbäume von einer Ueppigkeit des Wuchses, wie ich sie weder in Italien noch Frankreich jemals gesehen habe, in voller Blüthe, mit eben so schonen Mandelbäumen untermischt, hervorsahen, wäh¬ rend einzelne hohe Dattelpalmen ans dem schlanken, säulenförmigen Stamm das breite Fächerdach ihrer tiefgrünen Blätter gleich Herrschern der Pflanzenwelt alles Dies weit überragten. Es war der Orient mit seiner ganzen Ueppigkeit, und der Hinimel war dabei so blan, die Sonne so golden, die Lust so rein und mit balsamischen Wohlgerüchen geschwängert, die zackigen Berge des kleinen Atlas mit dem hohen, schneebedeckten „Dschvrdvrra", der höchsten Spitze desselben, zeig¬ ten alle ihre Umrisse so scharf, das Meer rollte so majestätisch seine schäumenden Wellen an die Küste zu unsern Füßen, daß wahrlich Nichts mangelte, um den Genuß noch mehr zu erhöhen. Aber der Orient, so zauberisch schön er oft sich zeigt, ist das Land der Contraste. Kaum wieder in Algier selbst eingetreten, be¬ fanden .wir uns in einer so engen, schmuzigen Straße, wie ich sie in keiner Eu¬ ropäischen Stadt jemals gesehen; todte Katzen und Hunde lagen umher, und verbreiteten pestilenzialische Gerüche; der Schmuz ganzer Generationen schien den Boden zu bedecken; Schaaren zerlumpter Weiber und Mäuner, die ekelhaftesten Geschwüre zur Schau tragend, um Mitleid zu erregen, fielen uns mit gräßlichem Geschrei bettelnd an, nud Gestank und Schmuz aller Art umgab uns. Um mich von den Anstrengungen der Seefahrt zu stärken, besuchte ich gleich nach diesem Spaziergang ein Maurisches Bad, dessen wohlthätige Wirkung meh¬ rere Französische Officiere mir angerühmt halten. In einem Säulengange, der ringsum ein ziemlich großes Bassin mit einem Springbrunnen ^ umgab, ward ich von einem Maurischer Bedienten entkleidet, und meine Sachen sorgfältig auf einer Strohmatte zusammengelegt. Nachdem dies geschehen, band er mir ein rothes Tuch gürtelähnlich um den Leib, steckte mir ein Paar Strvhpantoffeln mit Kork¬ sohlen an die Füße, und führte mich in einen großen Saal mit marmornen Fuß' boden, in dem schon 6 — 8 Türken auf untergelegten Strohmatten ausgebreitet dalagen, und sich von eben so nackten Badcdienern bearbeiten ließen. Eine glü¬ hende Lust vou 40 Grad Reaumur erfüllte deu Raum, und machte, daß sclM nach wenigen Augenblicken der Schweiß mir, ans allen Poren herabfloß. Unge¬ fähr 10 Minuten ließ mich der Badediener in diesem Zustande, wobei er mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/376>, abgerufen am 04.07.2024.