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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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lands; dafür schlingen sich die Verwandtschastsfädeu seiner Vertreter enger von
der einen Residenz zur andern, dafür sind seine Einflüsse durch Grundbesitz inso¬
fern bedeutsamer, als sie sich meistens gleichzeitig ne mehrern Staaten äußern
können. Herr Baron Linden ist namentlich in letzterer Beziehung persönlich voll¬
ständig unbetheiligt, und seine nahe Verwandtschaft mit dem Württembergischen Mini¬
ster blieb ebenfalls gewiß einflußlos. Sein Büchlein erscheint nur in sofern will¬
kommen, als es in nuev das Programm der süddeutschen, katholisch-aristokratischen
Contrerevolution kennen lehrt. Und eben nur darum glauben wir Einiges daraus,
ohne alle kritische Nebenbemerkungen, ausheben zu müssen. , ,

Welche Stellung Bayern seit dem Frühling 1859, d. h. seit dem Erstehen
des Ministeriums Pfordten, in der Deutschen Frage eingenommen hat, ist bekannt.
Die Trias schien das Ziel dieser Politik, bis nach dem Verunglücken der Februar-
aufstellung von 18S0 mit frischem Wind auf die Repristinirung des Bundestags
hingesegelt ward. Damals, dies dürfen wir nicht vergessen, stützte sich die triar-
chische Idee auf das aristokratisch-ultramontane Programm des weiland "steinernen
Hauses", und die Elemente, denen mau die Hand bot, weil mau sie brauchte,
bewiesen sich eifrigst zustimmend in ihren Organen. Herr v. Linden ist nun voll¬
kommen überzeugt, daß die Reichstrias, trotz des restaurirten Bundestags, "in
nicht ferner Zukunft" wieder ernstlich zur Sprache kommen werde. Warum aber
gelang diese Formation nicht 1859 und 1850? Hören wir ihn selbst, er ist eine
laute Stimme einer sonst schweigsamen, vielleicht sogar über seine Revolution unzu¬
friedenen, doch einflußreichen Masse. "Leider fällt die Schuld unsrer Nieder¬
lage -- sagt er in der Einleitung -- uicht sowol vermeintlicher Russischer Allmacht, als
vielmehr eigener eiteler Verblendung zur Last. Der versäumte Anschluß der
Süddeutsche" Staaten unter sich, als vermittelndes Element zwischen Norden und
Osten, kann eigentlich uicht der Abneigung der betreffenden Provinzen, oder dein
zu jener Zeit möglichen Widerstande der Cabinete zu Wien und Berlin, sondern
der Deutschthümelndeu Schwärmerei und Demvtratifirnngswuth, hauptsächlich
aber der Unerfahrenheit und Führung der Bayerschen Politik zugeschrieben
werden .... In unbegreiflicher Verblendung gab sie sich leider der irrigen Mei¬
nung hin, für geleistete unterthänige Dienste durch Schwarzenberg, den entgegen-
gesetzte Rücksichten und Verbindlichkeiten leiteten, mit plumper, Verletzung
Preußens, auf dem staatsrechtsgelehrten Umwege der Münchener Aufstellung
seligen Andenkens, zur Trias zu gelangen .... Man war, ungeachtet alles
angepriesenen Wissens, ohne bestimmte Anschauung, und deshalb auch,
man hätte handeln müssen, unentschlossen; handelte aber trotz aller Warnung da,
wo das Zögern die höchste Weisheit verrathen haben würde. Jetzt, nach den
entschiedensten Niederlagen, hat man jedoch die Stirn, nach altliberaler Manier,
die bescheidene aber bequeme Rolle eiues constitutionell gesinnten VoltssrenndS
zu spielen, um sein unvorsichtiges,. eigenmächtiges Verfahren im Großen mit


lands; dafür schlingen sich die Verwandtschastsfädeu seiner Vertreter enger von
der einen Residenz zur andern, dafür sind seine Einflüsse durch Grundbesitz inso¬
fern bedeutsamer, als sie sich meistens gleichzeitig ne mehrern Staaten äußern
können. Herr Baron Linden ist namentlich in letzterer Beziehung persönlich voll¬
ständig unbetheiligt, und seine nahe Verwandtschaft mit dem Württembergischen Mini¬
ster blieb ebenfalls gewiß einflußlos. Sein Büchlein erscheint nur in sofern will¬
kommen, als es in nuev das Programm der süddeutschen, katholisch-aristokratischen
Contrerevolution kennen lehrt. Und eben nur darum glauben wir Einiges daraus,
ohne alle kritische Nebenbemerkungen, ausheben zu müssen. , ,

Welche Stellung Bayern seit dem Frühling 1859, d. h. seit dem Erstehen
des Ministeriums Pfordten, in der Deutschen Frage eingenommen hat, ist bekannt.
Die Trias schien das Ziel dieser Politik, bis nach dem Verunglücken der Februar-
aufstellung von 18S0 mit frischem Wind auf die Repristinirung des Bundestags
hingesegelt ward. Damals, dies dürfen wir nicht vergessen, stützte sich die triar-
chische Idee auf das aristokratisch-ultramontane Programm des weiland „steinernen
Hauses", und die Elemente, denen mau die Hand bot, weil mau sie brauchte,
bewiesen sich eifrigst zustimmend in ihren Organen. Herr v. Linden ist nun voll¬
kommen überzeugt, daß die Reichstrias, trotz des restaurirten Bundestags, „in
nicht ferner Zukunft" wieder ernstlich zur Sprache kommen werde. Warum aber
gelang diese Formation nicht 1859 und 1850? Hören wir ihn selbst, er ist eine
laute Stimme einer sonst schweigsamen, vielleicht sogar über seine Revolution unzu¬
friedenen, doch einflußreichen Masse. „Leider fällt die Schuld unsrer Nieder¬
lage — sagt er in der Einleitung — uicht sowol vermeintlicher Russischer Allmacht, als
vielmehr eigener eiteler Verblendung zur Last. Der versäumte Anschluß der
Süddeutsche» Staaten unter sich, als vermittelndes Element zwischen Norden und
Osten, kann eigentlich uicht der Abneigung der betreffenden Provinzen, oder dein
zu jener Zeit möglichen Widerstande der Cabinete zu Wien und Berlin, sondern
der Deutschthümelndeu Schwärmerei und Demvtratifirnngswuth, hauptsächlich
aber der Unerfahrenheit und Führung der Bayerschen Politik zugeschrieben
werden .... In unbegreiflicher Verblendung gab sie sich leider der irrigen Mei¬
nung hin, für geleistete unterthänige Dienste durch Schwarzenberg, den entgegen-
gesetzte Rücksichten und Verbindlichkeiten leiteten, mit plumper, Verletzung
Preußens, auf dem staatsrechtsgelehrten Umwege der Münchener Aufstellung
seligen Andenkens, zur Trias zu gelangen .... Man war, ungeachtet alles
angepriesenen Wissens, ohne bestimmte Anschauung, und deshalb auch,
man hätte handeln müssen, unentschlossen; handelte aber trotz aller Warnung da,
wo das Zögern die höchste Weisheit verrathen haben würde. Jetzt, nach den
entschiedensten Niederlagen, hat man jedoch die Stirn, nach altliberaler Manier,
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zu spielen, um sein unvorsichtiges,. eigenmächtiges Verfahren im Großen mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/356>, abgerufen am 04.07.2024.