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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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mit jener Berechtigung, die jeder logische Gedankenschluß besitzt. Deshalb aber
dürfen wir uns nicht zum händeringenden Zuschauer erniedrigen. Ein freier Blick,
ein frischer Muth, ein kühnes Hoffen sind anch schon That, weil sie den Ge-
bannten zu künftigen Thaten in sich schließen. Hoffnungsl'osigkeit dagegen und
ein Aufgeben seiner Zeit find gleichbedeutend mit Flucht, mit Tod, mit Vernich¬
tung seiner selbst.

Trotz aller Gewaltschritte der Englischen Regierung gegen die Masse war
nicht möglich, sie zum Schweigen zu bringen. Trotz der Barbarei, mit der ein
Trogan geschlachtet wurde, trotzdem Jeder, der in seiner Zeitung auch nur den
Namen eines Peers nannte, noch lange nachher mitt 100 .L gebüßt wurde, trotz¬
dem Daniel de Foe, der bekannte Verfasser des Robinson Crusoe, noch im Jahre
1702 wegen eines Pamphlets") zum Pranger und zum Verlust eiues, Ohres ver¬
urtheilt wurde, fehlte es nicht an liberalen Schriftstellern und nicht an Druckern,
die den Muth hatten, ihre Aufsätze zu veröffentlichen. Gemeine Naturen bemessen
die Welt uach ihrem eigenen selbstbewußten Maßstabe, und wie heute, so hat es
auch zu jener Zeit an Leuten nicht gefehlt, welche die Märtyrer der Freiheit sammt
und sonders als Menschen schilderten, die am Liberalismus hingen, weil er eben
ein gesuchter, baarbezahlter Artikel war. Wir haben aber keinen Grund, den
liberalen Englischen Journalisten jener Epoche so herabwürdigende Motive ihres
Strebens unterzuschieben. --

Am 8. März 1702 war Anna auf den Thron gekommen. Ihre Regierung
ist bedeutungsvoll für die Schicksale der Englischen Journalistik. Während der¬
selben wurde das eopMxKt (Eigenthumsrecht der Autoren über ihre Schriften)
anerkannt; dafür kam die Stempeltaxe für Journale und eine Steuer für Zeitungs-
Ankündigungen ans. Die Zahl der Blätter nahm allerdings dnrch diese Erschwe¬
rung ab'; aber nachdem sie dem Pranger, dem Kerker und dem Henker getrotzt,
konnte sie die Pcnuystcuer unmöglich zur Vernichtung bringen. Die Schriften von
Addison, Pope, Prior, Congreve, Steele und Swift hatten den Trieb nach neuen,
Regionen im Gebiete der Literatur gereizt, wie die Entdeckung eiues Kolumbus,
Vasco de Gama, Naleigh und Cook die unternehmende Jugend nach Aufsindung
neuer Welten lüstern machte. Dem Publieum konnten die periodischen Schriften
und Pamphlete nicht mehr genügen, es wollte täglich seine Zeitung haben, wie
es täglich nach Brod, Fleisch, Bier und freier Lust begehrte. So entstand im
Jahre 1709 das erste Tageblatt, der "I>in>,y 0"uralit". Ihm folgten andere nach-
Das 18. Jahrhundert war immer noch ein fortgesetzter Kampf zwischen Presse
und Parlament, in welchem oft die Lord-Mayors von London eine hervorragende,
ehrenvolle Rolle spielten, indem sie die Drnckereibesitzer der City gegen die Ver-
fvlguugssttcht der Gemeinen oft mit eigener Gefahr in Schutz nahmen, wofür



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mit jener Berechtigung, die jeder logische Gedankenschluß besitzt. Deshalb aber
dürfen wir uns nicht zum händeringenden Zuschauer erniedrigen. Ein freier Blick,
ein frischer Muth, ein kühnes Hoffen sind anch schon That, weil sie den Ge-
bannten zu künftigen Thaten in sich schließen. Hoffnungsl'osigkeit dagegen und
ein Aufgeben seiner Zeit find gleichbedeutend mit Flucht, mit Tod, mit Vernich¬
tung seiner selbst.

Trotz aller Gewaltschritte der Englischen Regierung gegen die Masse war
nicht möglich, sie zum Schweigen zu bringen. Trotz der Barbarei, mit der ein
Trogan geschlachtet wurde, trotzdem Jeder, der in seiner Zeitung auch nur den
Namen eines Peers nannte, noch lange nachher mitt 100 .L gebüßt wurde, trotz¬
dem Daniel de Foe, der bekannte Verfasser des Robinson Crusoe, noch im Jahre
1702 wegen eines Pamphlets") zum Pranger und zum Verlust eiues, Ohres ver¬
urtheilt wurde, fehlte es nicht an liberalen Schriftstellern und nicht an Druckern,
die den Muth hatten, ihre Aufsätze zu veröffentlichen. Gemeine Naturen bemessen
die Welt uach ihrem eigenen selbstbewußten Maßstabe, und wie heute, so hat es
auch zu jener Zeit an Leuten nicht gefehlt, welche die Märtyrer der Freiheit sammt
und sonders als Menschen schilderten, die am Liberalismus hingen, weil er eben
ein gesuchter, baarbezahlter Artikel war. Wir haben aber keinen Grund, den
liberalen Englischen Journalisten jener Epoche so herabwürdigende Motive ihres
Strebens unterzuschieben. —

Am 8. März 1702 war Anna auf den Thron gekommen. Ihre Regierung
ist bedeutungsvoll für die Schicksale der Englischen Journalistik. Während der¬
selben wurde das eopMxKt (Eigenthumsrecht der Autoren über ihre Schriften)
anerkannt; dafür kam die Stempeltaxe für Journale und eine Steuer für Zeitungs-
Ankündigungen ans. Die Zahl der Blätter nahm allerdings dnrch diese Erschwe¬
rung ab'; aber nachdem sie dem Pranger, dem Kerker und dem Henker getrotzt,
konnte sie die Pcnuystcuer unmöglich zur Vernichtung bringen. Die Schriften von
Addison, Pope, Prior, Congreve, Steele und Swift hatten den Trieb nach neuen,
Regionen im Gebiete der Literatur gereizt, wie die Entdeckung eiues Kolumbus,
Vasco de Gama, Naleigh und Cook die unternehmende Jugend nach Aufsindung
neuer Welten lüstern machte. Dem Publieum konnten die periodischen Schriften
und Pamphlete nicht mehr genügen, es wollte täglich seine Zeitung haben, wie
es täglich nach Brod, Fleisch, Bier und freier Lust begehrte. So entstand im
Jahre 1709 das erste Tageblatt, der „I>in>,y 0»uralit". Ihm folgten andere nach-
Das 18. Jahrhundert war immer noch ein fortgesetzter Kampf zwischen Presse
und Parlament, in welchem oft die Lord-Mayors von London eine hervorragende,
ehrenvolle Rolle spielten, indem sie die Drnckereibesitzer der City gegen die Ver-
fvlguugssttcht der Gemeinen oft mit eigener Gefahr in Schutz nahmen, wofür



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/352>, abgerufen am 04.07.2024.