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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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land wurden 1828 durch den Buchhändler Max in Bresla" wieder angeknüpft,
der ihn. zu einer Deutschen Gesammtausgabe seiner Werke aufforderte. Größer"
Anklang noch fand er bei seinen nordischen Stammverwandten. Auf einer Reise
nach Schweden, 1829, wurde er vou Esaias Teguvr feierlich als Dichter gekrönt.
Der König von Schweden begünstigte ihn sehr, und gab ihm den Nordsternvrden,
der König von Dänemark deu Danebrvg (1840). Der Letztere machte ihn auch
zum Etatsrath, und der König von Preußen destguirte ihn bei einer neuen Reise,
1844, zum Ritter des Ordens poa- Jo nomo. Am Allerfreundschaftlichsteil aber
benahmen sich gegen ihn Louis Philipp und der König vou Belgien, denen er 1845
seine Aufwartung machte.

Diese und ähnliche Geschichten füllen den vierten Band seiner Lebenserinne-
rungen aus, der daher ohne erhebliches Interesse ist, was die Begebenheiten
betrifft. Dagegen ist die Art und Weise, wie er über die neuern Erscheinungen
der Dänischen, Deutschen und Französischen Literatur urtheilt, sehr interessant.
Er zeichnet sich darin vortheilhaft vor Goethe in seiner letzten Periode aus.
Er bewahrte bis zum letzten Augenblick seinen gesunden Menschenverstand, die
Unbefangenheit seines Urtheils, und die warme, innige Liebe für alles Gute und
Schöne. Auch wir Deutsche können aus diesem Urtheil noch Manches lernen.
Außerdem setzte er seine poetische Thätigkeit ununterbrochen fort, und noch in
dem letzten Jahre seines Lebens hat er zwei Dramen veröffentlicht. Im Jahre
1847 hielt er Vorlesungen über seine eigenen Tragödien, welche gegen die Ge¬
wohnheit auch von Damen besucht wurden. Am 20. Januar 18ö0 ist er gestor¬
ben, 70 Jahre alt, bei voller Besinnung und mit frischem Muth, wie es dem
Gerechten ziemt.

Nach diesen biographischen Notizen gehen wir auf die Kritik seiner Werke über.

Das Princip seiner poetischen Thätigkeit / welches er freilich nicht unmittelbar
gefunden, sondern durch ernsthaften Kampf gegen die falschen Voraussetzungen
der Zeit sich allmählich gewonnen, das er aber dann nicht allein in seiner Kritik,
sondern auch in seinen Leistungen festgehalten hat, ist die Einheit des Aestheti-
schen und des Ethischen in der Poesie und namentlich im Drama. "Das Product
des vernünftigen Willens ist Tugend und Sitte. Alle menschlichen Handlungen
gehen darauf aus, die Ordnung im gesellschaftlichen Leben entweder zu befördern
"der zu zerstören. Da nun das Drama die ideelle Darstellung menschlicher Hand¬
lungen ist, so bilden die moralischen Verhältnisse einen wesentlichen Theil des
Ganzen. Der Dichter muß für die geistige Ordnung begeistert sein; er darf nicht
indifferent mit einer parteilos matten Ironie spielen, er darf die Bilder nicht
>">r heraufbeschwören und sie wieder verschwinden lassen, er darf nicht allein er¬
schüttern und spannen, denn in der bloßen Lust an dem Entsetzen Erregenden
ohne ein edles Gefühl liegt der Keim zu aller Schlechtigkeit." -- Diese Theorie
ist deu Doctrinen der romantischen Schule in allen ihren Phasen gerade entgegen-


Grenzbvten. Ul. 42

land wurden 1828 durch den Buchhändler Max in Bresla» wieder angeknüpft,
der ihn. zu einer Deutschen Gesammtausgabe seiner Werke aufforderte. Größer»
Anklang noch fand er bei seinen nordischen Stammverwandten. Auf einer Reise
nach Schweden, 1829, wurde er vou Esaias Teguvr feierlich als Dichter gekrönt.
Der König von Schweden begünstigte ihn sehr, und gab ihm den Nordsternvrden,
der König von Dänemark deu Danebrvg (1840). Der Letztere machte ihn auch
zum Etatsrath, und der König von Preußen destguirte ihn bei einer neuen Reise,
1844, zum Ritter des Ordens poa- Jo nomo. Am Allerfreundschaftlichsteil aber
benahmen sich gegen ihn Louis Philipp und der König vou Belgien, denen er 1845
seine Aufwartung machte.

Diese und ähnliche Geschichten füllen den vierten Band seiner Lebenserinne-
rungen aus, der daher ohne erhebliches Interesse ist, was die Begebenheiten
betrifft. Dagegen ist die Art und Weise, wie er über die neuern Erscheinungen
der Dänischen, Deutschen und Französischen Literatur urtheilt, sehr interessant.
Er zeichnet sich darin vortheilhaft vor Goethe in seiner letzten Periode aus.
Er bewahrte bis zum letzten Augenblick seinen gesunden Menschenverstand, die
Unbefangenheit seines Urtheils, und die warme, innige Liebe für alles Gute und
Schöne. Auch wir Deutsche können aus diesem Urtheil noch Manches lernen.
Außerdem setzte er seine poetische Thätigkeit ununterbrochen fort, und noch in
dem letzten Jahre seines Lebens hat er zwei Dramen veröffentlicht. Im Jahre
1847 hielt er Vorlesungen über seine eigenen Tragödien, welche gegen die Ge¬
wohnheit auch von Damen besucht wurden. Am 20. Januar 18ö0 ist er gestor¬
ben, 70 Jahre alt, bei voller Besinnung und mit frischem Muth, wie es dem
Gerechten ziemt.

Nach diesen biographischen Notizen gehen wir auf die Kritik seiner Werke über.

Das Princip seiner poetischen Thätigkeit / welches er freilich nicht unmittelbar
gefunden, sondern durch ernsthaften Kampf gegen die falschen Voraussetzungen
der Zeit sich allmählich gewonnen, das er aber dann nicht allein in seiner Kritik,
sondern auch in seinen Leistungen festgehalten hat, ist die Einheit des Aestheti-
schen und des Ethischen in der Poesie und namentlich im Drama. „Das Product
des vernünftigen Willens ist Tugend und Sitte. Alle menschlichen Handlungen
gehen darauf aus, die Ordnung im gesellschaftlichen Leben entweder zu befördern
»der zu zerstören. Da nun das Drama die ideelle Darstellung menschlicher Hand¬
lungen ist, so bilden die moralischen Verhältnisse einen wesentlichen Theil des
Ganzen. Der Dichter muß für die geistige Ordnung begeistert sein; er darf nicht
indifferent mit einer parteilos matten Ironie spielen, er darf die Bilder nicht
>">r heraufbeschwören und sie wieder verschwinden lassen, er darf nicht allein er¬
schüttern und spannen, denn in der bloßen Lust an dem Entsetzen Erregenden
ohne ein edles Gefühl liegt der Keim zu aller Schlechtigkeit." — Diese Theorie
ist deu Doctrinen der romantischen Schule in allen ihren Phasen gerade entgegen-


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[0337] land wurden 1828 durch den Buchhändler Max in Bresla» wieder angeknüpft, der ihn. zu einer Deutschen Gesammtausgabe seiner Werke aufforderte. Größer» Anklang noch fand er bei seinen nordischen Stammverwandten. Auf einer Reise nach Schweden, 1829, wurde er vou Esaias Teguvr feierlich als Dichter gekrönt. Der König von Schweden begünstigte ihn sehr, und gab ihm den Nordsternvrden, der König von Dänemark deu Danebrvg (1840). Der Letztere machte ihn auch zum Etatsrath, und der König von Preußen destguirte ihn bei einer neuen Reise, 1844, zum Ritter des Ordens poa- Jo nomo. Am Allerfreundschaftlichsteil aber benahmen sich gegen ihn Louis Philipp und der König vou Belgien, denen er 1845 seine Aufwartung machte. Diese und ähnliche Geschichten füllen den vierten Band seiner Lebenserinne- rungen aus, der daher ohne erhebliches Interesse ist, was die Begebenheiten betrifft. Dagegen ist die Art und Weise, wie er über die neuern Erscheinungen der Dänischen, Deutschen und Französischen Literatur urtheilt, sehr interessant. Er zeichnet sich darin vortheilhaft vor Goethe in seiner letzten Periode aus. Er bewahrte bis zum letzten Augenblick seinen gesunden Menschenverstand, die Unbefangenheit seines Urtheils, und die warme, innige Liebe für alles Gute und Schöne. Auch wir Deutsche können aus diesem Urtheil noch Manches lernen. Außerdem setzte er seine poetische Thätigkeit ununterbrochen fort, und noch in dem letzten Jahre seines Lebens hat er zwei Dramen veröffentlicht. Im Jahre 1847 hielt er Vorlesungen über seine eigenen Tragödien, welche gegen die Ge¬ wohnheit auch von Damen besucht wurden. Am 20. Januar 18ö0 ist er gestor¬ ben, 70 Jahre alt, bei voller Besinnung und mit frischem Muth, wie es dem Gerechten ziemt. Nach diesen biographischen Notizen gehen wir auf die Kritik seiner Werke über. Das Princip seiner poetischen Thätigkeit / welches er freilich nicht unmittelbar gefunden, sondern durch ernsthaften Kampf gegen die falschen Voraussetzungen der Zeit sich allmählich gewonnen, das er aber dann nicht allein in seiner Kritik, sondern auch in seinen Leistungen festgehalten hat, ist die Einheit des Aestheti- schen und des Ethischen in der Poesie und namentlich im Drama. „Das Product des vernünftigen Willens ist Tugend und Sitte. Alle menschlichen Handlungen gehen darauf aus, die Ordnung im gesellschaftlichen Leben entweder zu befördern »der zu zerstören. Da nun das Drama die ideelle Darstellung menschlicher Hand¬ lungen ist, so bilden die moralischen Verhältnisse einen wesentlichen Theil des Ganzen. Der Dichter muß für die geistige Ordnung begeistert sein; er darf nicht indifferent mit einer parteilos matten Ironie spielen, er darf die Bilder nicht >">r heraufbeschwören und sie wieder verschwinden lassen, er darf nicht allein er¬ schüttern und spannen, denn in der bloßen Lust an dem Entsetzen Erregenden ohne ein edles Gefühl liegt der Keim zu aller Schlechtigkeit." — Diese Theorie ist deu Doctrinen der romantischen Schule in allen ihren Phasen gerade entgegen- Grenzbvten. Ul. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/337>, abgerufen am 04.07.2024.