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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Ein anderes war noch treffender:

Friedrich Schlegel schrieb in sein Stammbuch: Nur der Sehnsucht fließt der
Sehnsucht Quell, nnr der Demuth scheint die Wahrheit'hell; -- wozu Oehlen-
schläger ganz mit Recht bemerkt: Auf diese Weise wäre der gute Friedrich niemals zur
Erkenntniß der Wahrheit gekommen, denn Demuth drückte ihn nicht sehr. --
Auch mit Frau v. Staöl wurde er bekannt, so wie er seinen Verkehr mit Bag-
gesen, der uach Paris kam, erneuerte. Baggesen trieb damals eine Art enthu¬
siastischer Freundschaft, die aber nicht lange darauf ein Eude mit Schrecken nahm.
Die beiden Naturen stimmten einmal nicht zusammen.

Nach 18 monatlichen Aufenthalt verließ Oehlcnschläger Paris, erhielt von
Cotta für seine neuen Dramen Hakon Jarl, Palnatoke und die Gedichte ein
gutes Honorar, machte Uhland's Bekanntschaft, reiste mit ein Paar reichen Ham¬
burger Kaufleute", die ihn frei hielten, durch die Schweiz und besuchte Frau v.
Staöl in Coppet, wo er A. W. Schlegel, Benjamin Constant, Zacharias Wer¬
ner nud andere Schöngeister zusammen fand. Seine Schilderungen von diesem
Kreise sind sehr ansprechend. Frau v. Staöl hat ihm sehr imponirt; er schätzte
ihre Kenntnisse, ihren Geist und ihre Wahrheitsliebe nach Gebühr. Vou Werner
erzählt er: "Er trat eines Tages mit einer großen Schnupftabaksdose in der
engen Westentasche, die Nase voller Tabak und mit tiefen Verbeugungen in die
Halle. Er sprach schlecht Französisch, aber dies genirte ihn nicht. In seinem
Patois theilte er täglich über Tisch der Gesellschaft in einer Art von Vorlesungen
seine mystische Aesthetik mit; mau hörte ihm sehr andächtig zu, und es fehlte
nicht wenig, so hätte er Proselyten gemacht, denn obgleich die Franzosen oft für
fremde Natur taub sind, so leihen sie der fremden Unnatur doch gern das Ohr,
was Cagliostro, MeSmer, Frau v. Krüdener und Andere bezeugen können. Selbst
Fran v. Staöl hörte ihm bewundernd zu, und schalt mich, weil ich mir seine An¬
sichten nicht aufmerksamer zu Herzen nahm."--Ueberhaupt wurde Oehlenschläger in
dein Kreise noch nicht als ebenbürtig behandelt, und das fortwährende Zusammenleben,
wo Einer den Andern im Geistmachen überbot, und vou einer stillen, andächtigen
Sammlung, so wie von ernsthafter Arbeit nicht die Rede war, ermüdete ihn zu¬
letzt sehr, bis er sich endlich ein eigenes Local verschaffte, wo er sein man ge¬
dichtetes Drama "Axel und Wälborg" ius Deutsche übersetzte.

Im Mai 1809 reiste er nach Italien ab. In Rom lernte er Thorwaldsen
kennen, so wie den Maler Müller, und verlebte mit Diesen, wie mit einigen
Dänischen Familien, schöne Tage. Im Allgemeinen aber sagte Italien seiner
"ordländischen Natur nicht zu. , Als er ans seiner Rückkehr an die Grenze der
Schweiz kam, machte er einen langen Sprung über sie, wandte sich übermüthig
gegen Italien, und rief: "Nun, sieh zu, wie Dn mich wieder kriegst." -- In


Ein anderes war noch treffender:

Friedrich Schlegel schrieb in sein Stammbuch: Nur der Sehnsucht fließt der
Sehnsucht Quell, nnr der Demuth scheint die Wahrheit'hell; — wozu Oehlen-
schläger ganz mit Recht bemerkt: Auf diese Weise wäre der gute Friedrich niemals zur
Erkenntniß der Wahrheit gekommen, denn Demuth drückte ihn nicht sehr. —
Auch mit Frau v. Staöl wurde er bekannt, so wie er seinen Verkehr mit Bag-
gesen, der uach Paris kam, erneuerte. Baggesen trieb damals eine Art enthu¬
siastischer Freundschaft, die aber nicht lange darauf ein Eude mit Schrecken nahm.
Die beiden Naturen stimmten einmal nicht zusammen.

Nach 18 monatlichen Aufenthalt verließ Oehlcnschläger Paris, erhielt von
Cotta für seine neuen Dramen Hakon Jarl, Palnatoke und die Gedichte ein
gutes Honorar, machte Uhland's Bekanntschaft, reiste mit ein Paar reichen Ham¬
burger Kaufleute», die ihn frei hielten, durch die Schweiz und besuchte Frau v.
Staöl in Coppet, wo er A. W. Schlegel, Benjamin Constant, Zacharias Wer¬
ner nud andere Schöngeister zusammen fand. Seine Schilderungen von diesem
Kreise sind sehr ansprechend. Frau v. Staöl hat ihm sehr imponirt; er schätzte
ihre Kenntnisse, ihren Geist und ihre Wahrheitsliebe nach Gebühr. Vou Werner
erzählt er: „Er trat eines Tages mit einer großen Schnupftabaksdose in der
engen Westentasche, die Nase voller Tabak und mit tiefen Verbeugungen in die
Halle. Er sprach schlecht Französisch, aber dies genirte ihn nicht. In seinem
Patois theilte er täglich über Tisch der Gesellschaft in einer Art von Vorlesungen
seine mystische Aesthetik mit; mau hörte ihm sehr andächtig zu, und es fehlte
nicht wenig, so hätte er Proselyten gemacht, denn obgleich die Franzosen oft für
fremde Natur taub sind, so leihen sie der fremden Unnatur doch gern das Ohr,
was Cagliostro, MeSmer, Frau v. Krüdener und Andere bezeugen können. Selbst
Fran v. Staöl hörte ihm bewundernd zu, und schalt mich, weil ich mir seine An¬
sichten nicht aufmerksamer zu Herzen nahm."—Ueberhaupt wurde Oehlenschläger in
dein Kreise noch nicht als ebenbürtig behandelt, und das fortwährende Zusammenleben,
wo Einer den Andern im Geistmachen überbot, und vou einer stillen, andächtigen
Sammlung, so wie von ernsthafter Arbeit nicht die Rede war, ermüdete ihn zu¬
letzt sehr, bis er sich endlich ein eigenes Local verschaffte, wo er sein man ge¬
dichtetes Drama „Axel und Wälborg" ius Deutsche übersetzte.

Im Mai 1809 reiste er nach Italien ab. In Rom lernte er Thorwaldsen
kennen, so wie den Maler Müller, und verlebte mit Diesen, wie mit einigen
Dänischen Familien, schöne Tage. Im Allgemeinen aber sagte Italien seiner
»ordländischen Natur nicht zu. , Als er ans seiner Rückkehr an die Grenze der
Schweiz kam, machte er einen langen Sprung über sie, wandte sich übermüthig
gegen Italien, und rief: „Nun, sieh zu, wie Dn mich wieder kriegst." — In


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[0335] Ein anderes war noch treffender: Friedrich Schlegel schrieb in sein Stammbuch: Nur der Sehnsucht fließt der Sehnsucht Quell, nnr der Demuth scheint die Wahrheit'hell; — wozu Oehlen- schläger ganz mit Recht bemerkt: Auf diese Weise wäre der gute Friedrich niemals zur Erkenntniß der Wahrheit gekommen, denn Demuth drückte ihn nicht sehr. — Auch mit Frau v. Staöl wurde er bekannt, so wie er seinen Verkehr mit Bag- gesen, der uach Paris kam, erneuerte. Baggesen trieb damals eine Art enthu¬ siastischer Freundschaft, die aber nicht lange darauf ein Eude mit Schrecken nahm. Die beiden Naturen stimmten einmal nicht zusammen. Nach 18 monatlichen Aufenthalt verließ Oehlcnschläger Paris, erhielt von Cotta für seine neuen Dramen Hakon Jarl, Palnatoke und die Gedichte ein gutes Honorar, machte Uhland's Bekanntschaft, reiste mit ein Paar reichen Ham¬ burger Kaufleute», die ihn frei hielten, durch die Schweiz und besuchte Frau v. Staöl in Coppet, wo er A. W. Schlegel, Benjamin Constant, Zacharias Wer¬ ner nud andere Schöngeister zusammen fand. Seine Schilderungen von diesem Kreise sind sehr ansprechend. Frau v. Staöl hat ihm sehr imponirt; er schätzte ihre Kenntnisse, ihren Geist und ihre Wahrheitsliebe nach Gebühr. Vou Werner erzählt er: „Er trat eines Tages mit einer großen Schnupftabaksdose in der engen Westentasche, die Nase voller Tabak und mit tiefen Verbeugungen in die Halle. Er sprach schlecht Französisch, aber dies genirte ihn nicht. In seinem Patois theilte er täglich über Tisch der Gesellschaft in einer Art von Vorlesungen seine mystische Aesthetik mit; mau hörte ihm sehr andächtig zu, und es fehlte nicht wenig, so hätte er Proselyten gemacht, denn obgleich die Franzosen oft für fremde Natur taub sind, so leihen sie der fremden Unnatur doch gern das Ohr, was Cagliostro, MeSmer, Frau v. Krüdener und Andere bezeugen können. Selbst Fran v. Staöl hörte ihm bewundernd zu, und schalt mich, weil ich mir seine An¬ sichten nicht aufmerksamer zu Herzen nahm."—Ueberhaupt wurde Oehlenschläger in dein Kreise noch nicht als ebenbürtig behandelt, und das fortwährende Zusammenleben, wo Einer den Andern im Geistmachen überbot, und vou einer stillen, andächtigen Sammlung, so wie von ernsthafter Arbeit nicht die Rede war, ermüdete ihn zu¬ letzt sehr, bis er sich endlich ein eigenes Local verschaffte, wo er sein man ge¬ dichtetes Drama „Axel und Wälborg" ius Deutsche übersetzte. Im Mai 1809 reiste er nach Italien ab. In Rom lernte er Thorwaldsen kennen, so wie den Maler Müller, und verlebte mit Diesen, wie mit einigen Dänischen Familien, schöne Tage. Im Allgemeinen aber sagte Italien seiner »ordländischen Natur nicht zu. , Als er ans seiner Rückkehr an die Grenze der Schweiz kam, machte er einen langen Sprung über sie, wandte sich übermüthig gegen Italien, und rief: „Nun, sieh zu, wie Dn mich wieder kriegst." — In

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/335>, abgerufen am 04.07.2024.