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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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geschehen) ein ungeheurer sein würde. Wie sich das Fest heut zu Tage darstellt,
so ist sein Hanptmittelpnukt offenbar die Krönung der zwei besten Winzer in dem
Bezirke, alles Andere eben mir Schmuck und Lurus, der bestimmt ist, durch die
Anßervrdentlichk'eit seiner Erscheinung fremde anzuziehen und dem Feste selbst
die Bedeutung zu erhalten, die es nun cimual im Laufe des Jahrhunderts erlangt
hat. Es besteht nämlich in der erwähnte" Gesellschaft eine Commission, die all¬
jährlich zwei Mal sämmtliche Weinberge besieht, und je nach dem Befunde Prä¬
mien und Belohnungen austheilt. Diejenigen Heiden Weinbauer, die innerhalb
der letzten neun Jahre die meiste Anerkennung erhalten haben, werden am Tage
des Fests gekrönt, und erhalten die Ehrenmedaille, und es besteht eben das ganze
Fest (was allerdings zwei Tage dauert), wenn mau all' die verschiedenen Einzeln¬
heiten weniger genau ins Auge fahl, einfach darin, daß die dastgc Bevölkerung,
unter bildlicher Darstellung der Erinnerungen vergangener Zeiten, dem Fleiße
und Talente des La^dmanns öffentlich seine Huldigung darlmngt.

Wer die herrlichen Ufer des Genfersee's besucht.hat, und die reizende Lage
Bevay's kennt, wird sich selbst am Besten das Leben und Treiben an diesem Ort
in Mitten der herrlichsten Jahreszeit und bei vollkommen günstiger Witterung
vorstellen können, und es bedarf für ihn eben nur der Bemerkung, daß in diesem
kaum i000 Seelen fassenden Städtchen mit einem Male 40 bis 30,000 Fremde
ab- und zuströmten, um an dem vielgerühmten Feste Theil zu nehmen. Der
See selbst, bedeckt mit unendlich vielen Schiffen und Kähnen aller Art, im
Hintergründe mit feinen majestätischen Bergen, die zum Theil noch mit Schnee
bedeckt, dein Auge mit einem Blicke die verschiedenen Jahreszeiten thatsächlich
darbieten, geben, dem Ganzen ein bezauberndes Ansehen, und man kann sich
nichts Reizenderes denken, als eben el" Volksfest, besucht vou solcher Menschen-
masse, i" Mitte" einer reichen, verschwenderischen Natur, wie sie sich gerade bei
Vevay dem Auge überall darstell".

Zu all' diese" Betrachtungen blieb mir und Alle", die gleich mir denselben
Standpunkt erreicht hatten, wie gesagt, vollkommene Zeit, und ich glaube kaum,
daß mir irgend eine Zierde, irgend ein Fähnchen u. s. w. entgangen ist; allein
so sehr ich auch musterte, so oft ich "ach der Uhr sah, die Zeit, sonst so flüchtig,
schien heute öesvttders zu unsrer Qual die Flügel abgelegt zu haben , wo hingegen
der Andrang zur Balustrade mit jeder Minute toller und unangenehmer zunahm.
Endlich ertönten die 22 Kanonenschüsse, um Jeden, der doch etwa hätte schlafen
können, ox ol'loi", zu wecken, zugleich ein Zeichen für uns Unglückliche, daß wir
noch 2V2 Stunden zu warten hatten. Dies war zu viel, und auf gut Glück hin
verließ ich meinen längst bewachten Posten, und begab mich in ein Cafü,
mich für die bevorstehenden Strapazen zu starken, meinem Glück vertrauend, das
mir schon anderwärts einen passenden Platz verschaffen würde. Gegen 6 Uhr
kehrte ich zurück,' und frisch belebt war ich um so mehr im Stande, das entzückende


geschehen) ein ungeheurer sein würde. Wie sich das Fest heut zu Tage darstellt,
so ist sein Hanptmittelpnukt offenbar die Krönung der zwei besten Winzer in dem
Bezirke, alles Andere eben mir Schmuck und Lurus, der bestimmt ist, durch die
Anßervrdentlichk'eit seiner Erscheinung fremde anzuziehen und dem Feste selbst
die Bedeutung zu erhalten, die es nun cimual im Laufe des Jahrhunderts erlangt
hat. Es besteht nämlich in der erwähnte» Gesellschaft eine Commission, die all¬
jährlich zwei Mal sämmtliche Weinberge besieht, und je nach dem Befunde Prä¬
mien und Belohnungen austheilt. Diejenigen Heiden Weinbauer, die innerhalb
der letzten neun Jahre die meiste Anerkennung erhalten haben, werden am Tage
des Fests gekrönt, und erhalten die Ehrenmedaille, und es besteht eben das ganze
Fest (was allerdings zwei Tage dauert), wenn mau all' die verschiedenen Einzeln¬
heiten weniger genau ins Auge fahl, einfach darin, daß die dastgc Bevölkerung,
unter bildlicher Darstellung der Erinnerungen vergangener Zeiten, dem Fleiße
und Talente des La^dmanns öffentlich seine Huldigung darlmngt.

Wer die herrlichen Ufer des Genfersee's besucht.hat, und die reizende Lage
Bevay's kennt, wird sich selbst am Besten das Leben und Treiben an diesem Ort
in Mitten der herrlichsten Jahreszeit und bei vollkommen günstiger Witterung
vorstellen können, und es bedarf für ihn eben nur der Bemerkung, daß in diesem
kaum i000 Seelen fassenden Städtchen mit einem Male 40 bis 30,000 Fremde
ab- und zuströmten, um an dem vielgerühmten Feste Theil zu nehmen. Der
See selbst, bedeckt mit unendlich vielen Schiffen und Kähnen aller Art, im
Hintergründe mit feinen majestätischen Bergen, die zum Theil noch mit Schnee
bedeckt, dein Auge mit einem Blicke die verschiedenen Jahreszeiten thatsächlich
darbieten, geben, dem Ganzen ein bezauberndes Ansehen, und man kann sich
nichts Reizenderes denken, als eben el» Volksfest, besucht vou solcher Menschen-
masse, i» Mitte» einer reichen, verschwenderischen Natur, wie sie sich gerade bei
Vevay dem Auge überall darstell«.

Zu all' diese» Betrachtungen blieb mir und Alle», die gleich mir denselben
Standpunkt erreicht hatten, wie gesagt, vollkommene Zeit, und ich glaube kaum,
daß mir irgend eine Zierde, irgend ein Fähnchen u. s. w. entgangen ist; allein
so sehr ich auch musterte, so oft ich »ach der Uhr sah, die Zeit, sonst so flüchtig,
schien heute öesvttders zu unsrer Qual die Flügel abgelegt zu haben , wo hingegen
der Andrang zur Balustrade mit jeder Minute toller und unangenehmer zunahm.
Endlich ertönten die 22 Kanonenschüsse, um Jeden, der doch etwa hätte schlafen
können, ox ol'loi«, zu wecken, zugleich ein Zeichen für uns Unglückliche, daß wir
noch 2V2 Stunden zu warten hatten. Dies war zu viel, und auf gut Glück hin
verließ ich meinen längst bewachten Posten, und begab mich in ein Cafü,
mich für die bevorstehenden Strapazen zu starken, meinem Glück vertrauend, das
mir schon anderwärts einen passenden Platz verschaffen würde. Gegen 6 Uhr
kehrte ich zurück,' und frisch belebt war ich um so mehr im Stande, das entzückende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/306>, abgerufen am 04.07.2024.